Verhandlung vor dem Amtsgericht:Rangelei am Bahnhof

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Fausthieb kostet jungen Mann 3200 Euro

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Ob die 90er Jahre ein besonders wildes Jahrzehnt waren, mag beurteilen, wer selbst dabei war. Das wilde Ende einer 90er-Jahre-Party im vergangenen Jahr dagegen ist aktenkundig - und war nun ein Fall fürs Amtsgericht. Angeklagt war ein 27-Jähriger aus dem Landkreis Rosenheim, der einem Kontrahenten so fest mit der Faust gegen den Kopf geschlagen haben soll, dass dieser zwei Wochen krankgeschrieben war. Dafür hätte der Rosenheimer per Strafbefehl 4500 Euro zahlen sollen, wogegen er aber Einspruch einlegte.

Tumultartige Szenen spielten sich an dem Abend im vergangenen Oktober am Ebersberger Bahnhof ab. Dort warteten einige Gäste der 90er-Party auf ihren Zug. Wie die Polizei damals mitteilte, habe es aus einer Gruppe von etwa 15 Personen Pöbeleien gegeben, daraus wurde dann eine Rangelei, bei der zwei junge Männer verletzt wurden. Einen der Schläger konnte die Polizei damals schnell ermitteln - den nun Angeklagten.

Vor Gericht zog es der Rosenheimer vor zu schweigen. Sein Anwalt erklärte, eine Einlassung werde es, wenn überhaupt, erst nach den Aussagen der Zeugen geben. Diese erklärten übereinstimmend, es habe eine Streit gegeben, der dann in eine Schlägerei ausgeartet sei - darüber, wer und in welchem Maße daran beteiligt war, gingen die Aussagen allerdings auseinander.

Der Geschädigte schilderte, wie er, sein Bruder und ein gemeinsamer Freund mit dem Angeklagten und zwei von dessen Freunden aneinandergeraten sei. Zunächst hätten sich der Angeklagte und der Freund des Geschädigten gestritten, dann geschubst. Er und sein Bruder seien dazwischen gegangen, da habe ihn der Angeklagte mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Kurz darauf sei er noch in die Weichteile getreten worden, den Täter könne er aber nicht identifizieren. Er sei sich aber sicher, dass dies nicht der Angeklagte gewesen sei. Den er im Übrigen gar nicht angezeigt hätte, wenn der sich einfach bei ihm entschuldigt hätte, so der Geschädigte.

Dessen Bruder konnte sich nur noch bruchstückhaft an den Abend erinnern. Möglicherweise sei es in dem Streit "um AfD und Asylanten" gegangen, zumindest hatte der Zeuge dies damals bei der Polizei ausgesagt. Der Freund der Brüder konnte sich gar nicht mehr an das Streitthema erinnern. Den Faustschlag hätten sie beide aber nicht gesehen. Weil der auch nicht passiert sei, behauptete der vierte Zeuge, jedenfalls nicht durch den Angeklagten. Dieser und er selbst hätten nämlich den Bahnhof verlassen, bevor die Schlägerei losging, so der Zeuge, er könne definitiv sagen, dass der Angeklagte an dem Abend niemanden geschlagen habe, "ich habe ihn die ganze Zeit im Blick gehabt".

Nicht zu klären war, wer sonst noch beteiligt war. Alle Zeugen berichteten von einer größeren Gruppe dunkel gekleideter Personen, aus deren Reihen auch Nazisprüche gefallen sein sollen. Einer soll den Geschädigten getreten haben, gekannt hätten sie aber keinen der Leute, so alle vier Zeugen wieder übereinstimmend.

Nach einen Rechtsgespräch zwischen Richterin, Staatsanwältin und Verteidiger erklärte letzterer, sein Mandant werde die Tat einräumen und lediglich eine geringere Strafe beantragen. Außerdem entschuldigte sich der Angeklagte noch im Gerichtssaal per Handschlag beim Geschädigten, was dieser auch annahm. Was sich für den Angeklagten auszahlte: Trotz seiner zahlreichen Vorstrafen, davon auch einige wegen Körperverletzung, verurteilte ihn das Gericht am Ende zu 120 Tagessätzen zu je 30 Euro. Der 27-Jährige nahm das Urteil sofort an.

© SZ vom 07.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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