Veränderungen in der rechten Szene:Völkische Wanderung

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AfD- und Pegida-Funktionäre haben in Zorneding eine neue rechte Organisation ins Leben gerufen. Insgesamt beobachtet die Münchner Archivstelle Aida aber eher eine Verlagerung der rechtsextremen Szene weg aus der Region Ebersberg

Von Korbinian Eisenberger

Es ist gerade zweieinhalb Jahre her, dass Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende Zorneding wegen rassistischer Bedrohungen und rechtsextremer Anfeindungen verlassen hat. Nun werden aus der Gemeinde erneut rechtsextreme Aktivitäten gemeldet: In einer Gaststätte wurde vor drei Wochen ein Verein für ein "Volksbegehren Grenzschutz" gegründet, mit führenden Köpfen von Pegida und AfD-Politikern. Vereinsvorsitzende ist Brigitte Fischbacher, die 2017 als Bundestagskandidatin der AfD für Ebersberg/Erding antrat. Sie hatte zuletzt mit einem Facebookposting Aufsehen erregt, das ein Video zeigt, das "die wahren Hintergründe" des Zweiten Weltkrieges erklären sollte - der dort mit Foto und Zitaten vorkommende Adolf Hitler sei daran nämlich unschuldig. Doch trotz solcher alarmierender Entwicklungen beobachtet die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (Aida) eher eine Verlagerung der rechtsextremen Szene weg aus Ebersberg.

Wie ein Aida-Sprecher, der anonym bleiben möchte, erzählt, seien große Strukturen zwar auch vorher nicht bekannt gewesen. "Es gab aber hier einige wenige sehr aktive Personen, die großen Aufwand betrieben haben." Einige haben den Landkreis Ebersberg laut Aida zuletzt verlassen - so wie der rechtsextreme Rapper Chris Ares, der eigentlich anders heißt. Ares und seine Aktivitäten wurden vor eineinhalb Jahren in der Lokalpresse thematisiert, für Aida könnte das ein Grund sein, warum er seinen Wohnsitz wechselte.

Ares ist bekannt als einer, der Tausende Menschen mit völkischen Liedern animiert. Der im Stück "Du mein Deutschland" mit fester Stimme den Refrain rappt: "Ich kämpf für dich, ich geb für dich, ja ich sieg für dich." Im neuesten Video auf seinem Youtube-Kanal spricht er mit belegter Stimme, weit aufgerissenen erschrockenen Augen. Der Grund: Chris Ares, der rechte Rapper, hat Besuch von der Polizei bekommen. Eine Hausdurchsuchung mit Strafbefehl vom Amtsgericht über 3000 Euro, was - so Chris Ares auf seinem Kanal - "die absolute Vollkatastrophe" sei. Der junge Mann hat zum ersten Mal Ärger mit der Polizei. Viele Jahre lang lebte Ares im nördlichen Landkreis Ebersberg, nach Informationen von Aida ist er bereits im Herbst 2017 in den Landkreis München gezogen. Dort stand das Landeskriminalamt mit einem Durchsuchungsbeschluss vor seiner Tür. Warum, das verrät der Rapper im Video nicht. Ares betont aber, er wolle weiter aktiv bleiben.

Das Team von Aida sieht für den Landkreis Ebersberg einen Trend, zu dem der Wegzug Ares' passt. "Die rechte Szene hat sich aus dem Kreis Ebersberg weg verlagert", sagt ein Aida-Sprecher: "Der Kreis Ebersberg ist momentan ein eher ruhiges Pflaster. Mit Ausnahme der AfD." Die Aktiven sind weiter aktiv, nur eben woanders.

In der Polizeistatistik des Landeskriminalamts (LKA) sieht das für den Landkreis Ebersberg so aus: Von 2012 bis 2016, in der Zeit, in der schließlich auch die großen Fluchtbewegungen nach Bayern stattfanden, stieg die Zahl der rechtsextrem motivierten Straftaten im Landkreis stetig an, in fünf Jahren von jährlich zehn auf 19.

Im Jahr 2017 gab es dann laut LKA-Statistik erstmals wieder einen leichten Rückgang - auf 17. Zahlen, die zu den Beobachtungen von Aida passen - allerdings auch Zufall sein könnten. Zumal das LKA auch Hakenkreuzschmierereien oder ähnliches aufnimmt, diese sogenannten Propagandadelikte machen zwei Drittel aller Straftaten aus, hinzu kommen Volksverhetzungen, etwa durch Parolen im Internet - oder eben Gewalttaten, ein kleiner Prozentsatz.

Aida beobachtet die Szene mit einem anderen Blick, der weniger statistisch ist, dafür nah dran. Ein guter Indikator für die Auswüchse der rechtsextremen Szene in Ebersberg war laut Aida stets die Gemeinde Poing, wo immer wieder rechte Propaganda-Aufkleber, Flugblätter und Schmierereien auftauchten. Vor allem der "III. Weg", Nachfolgeorganisation des 2014 verbotenen bayernweiten Netzwerks Freies Netz Süd, oder verstreute Kader der NPD waren hier bis 2016 aktiv. Zuletzt kamen kaum mehr Polizeimeldungen deswegen. Der Aida-Sprecher kommt zur Einschätzung: "In Poing ist es still geworden."

Doch der Druck von rechts ist nach wie vor zu spüren, auch im Kreis Ebersberg: Erst im April 2018 nutzte die vom Verfassungsschutz beobachtete Identitäre Bewegung Bayern eine Markt Schwabener Kita für eine politische Aktion, weil dort neben dem Osterfest auch der irische Saint Patrick's Day gefeiert wurde "wobei die Aktivisten unserer Einschätzung nach aus München waren", so der Aida-Sprecher.

Und Rapper Chris Ares? Der erklärt per Video, er wolle "das Risiko nicht eingehen" und den Strafbefehl akzeptieren. Seine Versicherung, "die Rechtsschutz", werde er nicht ausreizen.

© SZ vom 02.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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