Urteil im Kokain-Prozess:Gastronom wandert ins Gefängnis

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Er stand wegen Kokainhandels vor Gericht - und hat monatelang geschwiegen. Doch dann packt er aus - und spricht von der Mafia. Die Spur führt auch nach Dachau.

F. Tempel

Mit der Verurteilung eines ehemaligen Erdinger Gastronoms und Trüffelhändlers zu viereinhalb Jahre Gefängnis ist die kleine Serie von Prozessen gegen eine Kokaindealerbande, die aus einem italienischen Restaurant in Klettham heraus operierte, zu Ende gebracht worden. Doch die Ermittlungen der Polizei gehen zugleich mit neuem Schwung weiter.

Ein Erdinger Pizzeria-Wirt ist wegen Kokainhandels zu viereinhalb JAhren Haft verurteilt worden. (Foto: ddp)

Der 46-jährige Angeklagte hat einen Tag vor seiner Verurteilung sein monatelanges Schweigen gebrochen und der Polizei detaillierte Angaben zu seinen Kokainlieferanten gemacht. Neben der Bestätigung, dass er Rauschgift von mutmaßlichen Mitgliedern der kalabrischen Mafiaorganisation 'Ndrangheta gekauft hat, belastetet er "einen gewissen Conny aus Dachau" als weitere wichtige Bezugsquelle. Ein Erdinger Drogenfahnder wertete die Aussagen als wertvolle Hinweise: "Damit können wir gut weiter arbeiten."

Für den Angeklagten zahlte sich seine Bereitschaft, nun doch endlich zu singen, sofort aus. Er erhielt von der sechsten Strafkammer des Landgerichts Landshut einen deutlichen Strafrabatt. Ohne sein wenn auch pauschales Geständnis, mit dem er seine Beteiligung am Handel von mehreren Kilogramm Kokain einräumte, erst recht aber ohne die Preisgabe seiner Hintermänner hätte er wohl um die sechs Jahre Gefängnis bekommen.

Neben der Haftstrafe gab es noch eine weitere Sanktion: Das Gericht zog 90.000 Euro Drogengeld ein, das bei einer Razzia im November 2009 in seinem Besitz sichergestellt wurde. Das ganze Geld kommt nun in die Staatskasse.

Die Kripo Erding hatte im Januar 2009 begonnen, das Geschehen in einem italienischen Restaurant in Klettham unter die Lupe zu nehmen. Im Laufe der Ermittlungen zeigte sich, dass die gesamte Belegschaft des Lokals, die zum Teil in Erding, zum Teil in Dachau wohnte, sowie ein befreundeter italienischer Gastronom aus Dachau offenbar in einen schwungvollen Kokainhandel verwickelt waren.

Jeden Monat wurden Mengen zwischen 200 Gramm und einem Kilogramm in das Lokal geliefert. Den Weiterverkauf übernahmen vor allem die Angestellten des Angeklagten. Der Wirt hat jedoch - so hieß es in der Anklage - "unter dem Deckmantel seines Trüffelhandels" auch selbst Kokain an ausgesuchte Feinschmeckerkunden ausgeliefert. Wie seine Angestellten konsumierte auch er regelmäßig selbst Kokain.

Vor Gericht sagte er, er habe 2006 mit dem Koksen begonnen und den Drogenkonsum wegen familiärer Probleme immer weiter gesteigert. Finanziell ging es ihm hingegen gut. Allein mit seinem Trüffelhandel habe er zwischen 10000 und 15000 Euro pro Monat verdient.

Nachdem die Kripo Erding den Rauschgiftring im November 2009 hatte hochgehen lassen, packten die Angestellten nach und nach aus und belasteten sich gegenseitig. Nur der Wirt schwieg eisern. Erst im letzten Moment rang er sich zu einem Geständnis und zu darüber hinaus gehenden Angaben durch. Dass er so zögerlich war, hatte wohl einfach damit zu tun, dass er Angst hatte. Mehrere seiner Drogenlieferanten haben offenbar direkte Beziehungen zur kalabrischen Mafia.

Mit der Bereitschaft, gegen sie auszusagen, hat er sich "nicht ausschließbar selbst in Gefahr begeben", erkannte der Vorsitzende Richter Robert Mader. Zwei der mutmaßlichen Mafiosi sind freilich mittlerweile verhaftet. Einer sitzt in Augsburg, der andere in Nürnberg in Untersuchungshaft. Anklagen sind nach Auskunft der Staatsanwaltschaft München I jedoch bislang noch nicht ergangen. Seit gestern ist die Staatsanwaltschaft diesem Ziel einen Schritt näher gekommen. Bei ihrer Beweisführung kann sie sich ja nun auch auf die Aussagen des verurteilten Wirts stützen.

© SZ vom 11.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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