Unternehmensgründer in Ebersberg:Jung, idealistisch, risikofreudig

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Claudia Pradel pflanzt ihr eigenes Gemüse an und verkauft es dann in ihrem Hofladen, den sie vorige Woche in Hohenlinden eröffnet hat. (Foto: privat)

Claudia Pradel und Christian Oswald haben den Schritt in die Unabhängigkeit gewagt. Dabei bevorzugen immer mehr Ebersberger eine Festanstellung, die Zahl der Neugründungen im Landkreis ist rückläufig.

Von Sara Kreuter, Ebersberg

Der bayerische Gründergeist löst sich zunehmend in Luft auf: Die potenziellen Chefs von morgen bleiben lieber die Angestellten von heute, bayernweit und im Landkreis. Doch obwohl die Zahlen insgesamt rückläufig sind, gibt es noch ein paar wenige, die sich trauen: Der Landwirt Christian Oswald, der im vergangenen Jahr sein eigenes Unternehmen gründete, und Claudia Pradel, die seit einer Woche einen Hofladen in Hohenlinden mit selbst angebautem Gemüse betreibt.

Bayernweit ist die Zahl der Gewerbeanmeldungen im ersten Quartal 2016 laut Landesamt für Statistik um fünf Prozent gesunken. Im Kreis Ebersberg sind aktuell 454 Anmeldungen registriert, einige wenige mehr als im Vorjahr, allerdings ist auch hier die Tendenz insgesamt rückläufig.

Der mangelnde Gründerwille ist der starken Beschäftigungssituation geschuldet, erklärt Oliver Nerz, betriebswirtschaftlicher Berater der Industrie- und Handelskammer (IHK), zuständig für den Landkreis. Ebersberg, mit einer Arbeitslosenquote von zwei Prozent, befinde sich in einer konjunkturellen Hochphase. Viele Angestellte wählten lieber den sicheren Job, anstatt den Schritt in eine ungewisse Selbständigkeit.

Die wenigen Mutigen

Die wenigen Mutigen gehörten zu zwei Personengruppen, bemerkt Nerz: Da gebe es die Jungen, frisch nach der Ausbildung, ohne familiäre Verpflichtungen auf der einen Seite, und andererseits Gründer aus der mittleren Führungsebene, mit etwas Managementerfahrung und genug Rücklagen, um Rückschläge zu verkraften.

Der Aßlinger Landwirt Christian Oswald führt sein Unternehmen, das er zusammen mit einem Kompagnon gegründet hat. (Foto: privat)

Christian Oswald, 28, und Claudia Pradel, 27 Jahre alt, gehören beide in die erste Gruppe. Beide sind jung, idealistisch, abenteuerfreudig und begeistert von dem, was sie tun. "Ich wollte einfach etwas Eigenes machen", erklärt Pradel. Nach Ende ihrer Gärtnerinnen-Ausbildung hätte sie als Gesellin arbeiten können, stattdessen meldete sie ein eigenes Gewerbe an. Lange hat es gedauert, aber endlich hat sie es geschafft, den Traum vom eigenen Laden zu verwirklichen.

Oswald wiederum nennt ganz pragmatische Gründe für seinen Unternehmergeist: "Wir haben auf unserem Betrieb immer wieder nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht, um das Wohlergehen der Tiere zu steigern und mehr Geld zu verdienen", berichtet er. Besonders im Kälberbereich war die Zahl der Erkrankungen in seinem Betrieb mit 65 Milchkühen in Loitersdorf bei Aßling sehr hoch.

Oswald hörte von einer neuen Belüftungsmethode in Amerika, ein System, das Frischluft über einen Schlauch in den Stall transportiert und sicherstellt, dass die Tiere permanent frischen Sauerstoff atmen. Kurzerhand flogen er und der Tierarzt Lothar Knopf in die Staaten, um das nötige Wissen und die Software für das Stallbelüftungssystem zu erwerben.

Die aus den USA stammende Idee für ein Frischluftsystem in Kuhställen ist Grundlage für das Unternehmen von Christian Oswald. (Foto: privat)

Den Prototyp bauten sie bei sich im Stall ein, veränderten noch ein paar Kleinigkeiten und waren überrascht von dem Ergebnis: Die Keim- und Ammoniakbelastung im Stall reduzierte sich enorm, somit waren weniger Antibiotika vonnöten und Tiergesundheit sowie Ertrag stiegen merklich an. Sie testeten das Schlauchsystem an einigen weiteren Betrieben, "und als das so genial funktioniert hat, sind wir an den Markt gegangen", so Oswald. Heute betreiben die beiden die "Dr. Knopf und Oswald GbR" - mit großem Erfolg.

"Es ist uns relativ leicht gefallen, diese Firma zu gründen", berichtet der Landwirt. Natürlich sei eine Unternehmensgründung ein großer Schritt, aber sie waren von Anfang an von ihrer Idee und ihrem Produkt überzeugt.

Nervös aber zuversichtlich

Die Gärtnerin Claudia Pradel aus Hohenlinden ist ebenso überzeugt und begeistert von ihrem Projekt. Einmal in der Woche verkauft sie selbst angebautes Gemüse in ihrem eigenen Hofladen. Der Start vergangene Woche war vielversprechen. Pradel ist nervös, aber zuversichtlich: "Ich habe nie befürchtet, dass es nicht funktioniert." Regionale, unbehandelte Lebensmittel seien zur Zeit sehr gefragt. "Ich springe da auf einen fahrenden Zug auf", erklärt sie, das klappt schon."

Ganz ohne Schwierigkeiten lief ihr Projekt bisher nicht ab. Pradel wollte ein Gewächshaus auf dem Feld ihres Schwiegervaters in spe bauen lassen. "Ich habe den Fehler gemacht und einen Bauantrag gestellt, unnötigerweise", berichtet sie. Daraufhin habe sich alles verzögert. "Wenn man einmal drin ist in dieser Bürokratie, dann kommt man da nicht mehr so schnell raus." Erst im April konnte sie aussähen - eigentlich ein paar Wochen zu spät. Jetzt hofft sie, dass diese Saison nicht völlig verloren ist und ihre Produkte bis zum Herbst "verkaufsbereit" bleiben.

Oswald und Pradel sind moderne Pioniere, mutig und bereit, etwas zu riskieren für ihre Träume. Vor Menschen wie ihnen hat Nerz großen Respekt. Einmal im Monat, am sogenannten Existenzgründertag, bietet er kostenlose Beratungen an, für Fragen über Gründungsformalitäten bis hin zum Businessplan. Er hofft, dass die Leute mutiger werden "und der Gründergeist in den Landkreis zurück kehrt." Immerhin: Sowohl im Landkreis als auch im gesamten Freistaat fällt der Gründersaldo unterm Strich noch positiv aus, denn die Zahl der Abmeldungen ist bisher kleiner als die der Anmeldungen.

© SZ vom 20.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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