Unseriöse Methoden:Geschäfte in Zeiten der Wohnungsnot

Lesezeit: 3 min

Eine WG soll dieses Pöringer Haus teuer bezahlen. (Foto: Christian Endt)

Ein Haus, 30 Gastarbeiter, die Miete im fünfstelligen Bereich: Bewohner auf engstem Raum unterzubringen, um abzukassieren, liegt im Landkreis im Trend. Doch nicht nur Arbeiter können Opfer der Gier mancher Vermieter werden

Von Viktoria Spinrad

Am Ende musste das Münchner Verwaltungsgericht entscheiden: Ist es rechtens, knapp 30 Gastarbeiter auf 310 Quadratmetern unterzubringen? Dieses logistische Kunststück hatte ein Vermieter in Vaterstetten vollbracht. Das Ergebnis: Den Arbeitern mangelte es an Privatsphäre, die Nachbarn stöhnten über Verkehrslärm. Und der Vermieter? Verdiente sich mit 400 Euro Miete pro Kopf scheinbar eine goldene Nase. "Eine Katastrophe", stöhnte man im Rathaus über die Herberge ohne Lizenz. Statt ihm eine solche zuzugestehen, bestätigte das Gericht die Nutzungsuntersagung der Gemeinde: "Ein Zimmer, ein Bewohner", so das Urteil. Und ein gewaltiger Strich durch das lukrative Geschäftsmodell des verhinderten Herbergsvaters. Zwei Jahre lang konnte der abkassieren, bevor wieder Ruhe einkehrte in der Hochwaldstraße.

Um ihre Ruhe sorgen sich nun auch Anwohner in Zorneding. Ein Einfamilienhaus im Ortsteil Pöring, Kastanienstraße: Der Briefkasten ist überklebt, die Garageneinfahrt leer, die Lichter aus. Die sollen aber bald wieder angehen. Für 3000 Euro warm sind die quasi unrenovierten 193 Quadratmeter Wohnfläche von einem "Spezialisten für die Vermittlung von möbliertem Wohnraum auf Zeit" inseriert. Ein Nachbar schüttelt den Kopf. "Das kann doch keine Familie bezahlen", sagt er. Aber möglicherweise mehrere Einzelpersonen.

In der Anzeige heißt es dazu: "Da die Anmietung auf drei Jahre begrenzt ist, kommt das Haus bevorzugt für Firmen in Frage, die kurzfristig neue Mitarbeiter unterbringen müssen." Oder für andere befristete Berufsgruppen, "weniger für Familien mit Kindern." Wieder eine Arbeiter-WG also. Grundsätzlich nicht verwerflich, wie ein Nachbar befindet: "Wenn hier ein paar Arbeiter einziehen, die sich gut benehmen, habe ich ja nichts dagegen."

Es gibt keine Zahlen, wie viele Vermieter im Landkreis ihr Einkommen in Zeiten der akuten Wohnungsnot mit kuschligen Wohnverhältnissen potenzieren. Für eine WG braucht man keine Genehmigung, und als solche dürften die meisten Arbeiterunterkünfte durchgehen. Anders ist es, wenn Mehrbettzimmer oder sogar Dienstleistungen im Spiel sind: Spätestens dann muss der Vermieter eine Lizenz für eine gewerbliche Unterkunft beantragen. Und diese zu gründen liegt im Landkreis im Trend: "Die mündlichen Anfragen zu Bauvorhaben für gewerbliche Unterbringung haben nach Einschätzungen im Bauamt in den letzten Jahren durchaus zugenommen", heißt es aus dem Landratsamt. Sprich: Es scheint immer mehr Vermieter zu geben, die ihre Bewohnerschaft verdichten wollen - offenbar, um Quadratmeterpreise jenseits von Gut und Böse verlangen zu können.

20 Euro pro Quadratmeter verlangte zuletzt ein Vermieter für ein Einfamilienhaus in Baldham - der Durchschnittspreis liegt bei 13 Euro. Um das zu stemmen, war auch hier ein Zusammenrücken gefragt: "An acht bis zehn Arbeiter oder Personen zu vermieten", das Haus sei "auch für vier Paare geeignet". Der Besitzer selber bestritt in einem schriftlichen Interview mit der SZ, ein Arbeiterhaus zu planen. Wie das Haus nun ausgelastet ist, will er auch jetzt nicht sagen - er legt am Telefon auf.

Große Pläne hatte wohl auch ein Vermieter in Grafing: und zwar, sein Geschäftshaus in der Adalbert-Stifter-Straße in eine Gemeinschaftsunterkunft umzuwandeln. Der Bauausschuss lehnte dies mit dem rechtlichen Kniff ab, den man auch schon in Vaterstetten angewendet hatte: "Nicht gebietsverträglich" sei die hohe Bettenzahl im Wohngebiet, urteilte der Stadtrat. "Der Besitzer hat den Antrag im Dezember zurückgezogen", heißt es im Bauamt.

Auch Geflüchtete und Obdachlose sind eine beliebte Zielgruppe, um abzukassieren. Zuletzt war in München ein besonders drastischer Fall in einem prekären Migranten-Wohnheim bekannt geworden. Der Quadratmeterpreis: knapp 42 Euro warm, für ein einziges Zimmer ohne Küche. Doch solche Mietmodelle haben auch längst den Landkreis erreicht. "Ich konnte es kaum glauben", erzählt Alfred Nowosad, der den Patenstammtisch des Helferkreises organisiert. Er spricht von einer Zuweisung in eine Unterkunft für einen Flüchtling: 540 Euro für ein Bett im Mehrbettzimmer einer Pension im nördlichen Landkreis. Ohne Frühstück, dafür mit Dusche, WC und Küche auf der Etage. Selbst wenn jeder Bewohner 15 Quadratmeter zur Verfügung hätte, wären das 36 Euro pro Quadratmeter. Ist das fair? Die Besitzerin will dazu nichts sagen. Auch nicht, wie viele Obdachlose oder Migranten zur Zeit bei ihr unterkommen oder wie groß die Mehrbettzimmer sind. Sie beendet das Gespräch. Statt bei ihr kam der Geflüchtete bei einem Bauern unter. "Für mich ist das schamlose Abzocke", sagt Nowosad.

Und in Pöring? Hat man aus dem Vaterstettener Extremfall gelernt. Das legt ein Anruf beim Makler nahe. Es habe bereits Anfragen von Firmen, das Haus für zehn Angestellte zu mieten, berichtet ein Mitarbeiter. Das aber lehne die Besitzerin ab, sie wolle es sich nicht mit den Nachbarn verscherzen. Nicht mehr als sieben Personen sollten einziehen, also eine pro Schlafzimmer. Bestätigen lässt sich das nicht, die Besitzerin will keine Stellung nehmen. Sie ist erbost über den Anruf. Dann legt sie auf.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: