Gratis-Döner für Arme:"Wir schauen zu wenig aufeinander"

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Murat Dinsel aus Markt Schwaben verschenkt in Moosburg seit fünf Monaten Döner an Bedürftige.

Interview von Korbinian Eisenberger, Moosburg

In der rechten Ecke dreht sich ein Fleischspieß. Und in der linken Ecke hängt ein Preisschild, vier Euro kostet ein Döner. Murat Dinsels Imbissbude steht am Bahnhof von Moosburg an der Isar. Von weitem sieht der Stand des 44-Jährigen gelernten Schlossers gewöhnlich aus, wer aber vorne an der Auslage mit der Spezialsoße steht, schaut nicht auf eine Preisliste, sondern auf einen Zettel mit einem kurzen Text: "Wenn Sie mal nicht bezahlen können, dann ist das auch nicht schlimm."

SZ: Herr Dinsel, wie viele Gratis-Döner geben sie denn so am Tag raus?

Murat Dinsel: Manchmal fünf, manchmal zehn, das ist ganz unterschiedlich. Tendenziell bei Minusgraden mehr.

20 bis 40 Euro, die Sie am Tag herschenken. Wie können Sie sich das leisten?

Es ist ja nicht so, dass die Obdachlosen bei mir Schlange stehen. Die große Mehrheit bezahlt ihren Döner. Und weil viele von der Aktion mitbekommen haben, geben manche auch mehr Geld, um mich zu unterstützen.

Ihre Großzügigkeit findet Anklang. Sie betreiben den Stand seit fünf Monaten, und schon jetzt haben Zeitungen und Radiosender über Sie berichtet. Kann man sagen, Ihre Strategie ging auf?

Moosburg
:Dieser Mann verteilt Gratis-Döner an Bedürftige

Wer nicht zahlen kann, dem schenkt Murat Dinsel das Essen. Er ist nicht mehr der einzige Imbissbesitzer in Deutschland, der sich spendabel zeigt.

Von Korbinian Eisenberger

Dass es auf mein Facebook-Posting so ein mediales Echo gibt, hatte ich nicht erwartet. Es kam sogar ein Reporter vorbei, der getestet hat, ob mein Gratis-Angebot auch wirklich funktioniert.

Und?

Ich habe den Test bestanden. Der Reporter war gut getarnt, ich hatte keinen Anlass, an seiner Bedürftigkeit zu zweifeln.

Kommt es öfter vor, dass jemand versucht, sich einen Döner zu erschleichen?

Selten, und wenn doch, sage ich demjenigen schon, dass er seinen BMW lieber außer Sichtweite hätte parken sollen.

Fragen Kunden nach dem Gratisangebot?

Erstaunlicherweise recht selten. Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand knapp bei Kasse ist, biete ich es eigentlich immer selbst an. Ich glaube, dass den Menschen ihre Not unangenehm ist. Eine obdachlose Frau, der ich den Preis erlassen hatte, hat mir mal hinter meinem Rücken heimlich Geld in die Trinkgeldkasse gesteckt.

Warum machen Sie das denn?

Mir geht es gut, ich habe ein Zuhause und eine Familie, andere haben das nicht. Es gibt auch im Münchner Speckgürtel Menschen mit existenziellen Problemen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir zu wenig aufeinander schauen, dass es vielen nicht mehr gelingt, sich in andere hineinzuversetzen. Was ich mache, ist eigentlich keine große Sache. Dass viel darüber berichtet wird, zeigt aber, dass es wohl von der Norm abweicht.

Wenn man sich durchs Internet klickt, fällt auf, dass es in ganz Deutschland Döner-Verkäufer gibt, die Bedürftigen was spendieren. Warum ausgerechnet Döner-Verkäufer?

Die meisten Döner-Läden werden ja von Türken betrieben. Vielleicht hat es was mit dem türkischen Verständnis von Gastfreundschaft zu tun. Ich bin in Nürnberg geboren, habe aber sechs Jahre in der Türkei gelebt. Und egal, ob man Geld dabei hat oder nicht: In Istanbul wird man aus einem Lokal nicht weggeschickt, ohne dass man zumindest einen Tee getrunken hat.

Sie wohnen ja im Landkreis Ebersberg. Dort verteilt einer am Markt Gratis-Ripperl an Flüchtlinge. Und der afghanische Döner-Verkäufer am Bahnhof gibt ab und zu Essen raus. Spricht dafür, dass nicht nur türkische Imbisse spendabel sind.

Wenn man in einer Imbissbude steht, bekommt man viel vom Leben da draußen mit. Und zwar ungefiltert. Von meinem Platz aus sehe ich die Schulkinder, wie sie sich mit ihren Handys fotografieren und lachen. Und ich sehe Leute, die in Mülleimern nach Pfandflaschen wühlen. Gerade diese Leute freuen sich unheimlich, wenn man sie grüßt. Irgendwann kennt man ihren Namen und baut eine Verbindung auf, unterhält sich über das Leben. Ist doch klar, dass man so jemandem dann auch mal was ausgibt.

Sie haben 20 Jahre als Türsteher und Objektschützer gearbeitet. Jetzt verschenken Sie Döner. Was kommt als nächstes? Ein Weißwurststand in Istanbul?

Die meisten Türken essen ja kein Schweinefleisch, da müsste ich schon viel Überzeugungsarbeit leisten. Das wäre mir, glaube ich, zu riskant. Ich wüsste aber ein anderes typisch deutsches Gericht, das bestimmt auch den Türken schmecken würde.

Welches denn?

Döner, mit scharf.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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