Umstrittenes Pilotprojekt:Hilfe für alle

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Wenn es gelingt, sie sinnvoll ins bisherige System zu integrieren, hätte eine Bereitschaftspraxis an der Kreisklinik nur Vorteile

Von Wieland Bögel

Der Doktor kommt ins überfüllte Wartezimmer: "Wo ist denn der Herr, der einen Verband wollte?" "Der ist wieder gegangen, die Wunde war inzwischen verheilt." Ganz so schlimm, wie in diesem klassischen Medizinerwitz, ist es in der Notaufnahme der Kreisklinik noch nicht. Trotzdem wird es auch dort immer voller und nicht alle der Patienten sind echte Notfälle. Daher ist es eine gute Idee, an der Klinik eine Bereitschaftspraxis einzurichten.

Auch wen am Wochenende die Grippe erwischt, wer sich samstags beim Basteln auf den Daumen haut oder wem beim Wandern am Sonntagnachmittag zu lange die Sonne auf die Haut gebrutzelt hat, findet den Weg ins Krankenhaus. Denn schließlich kann man sicher sein, da immer auf einen Arzt zu treffen. Zwar gibt es auch noch den ärztlichen Notdienst, doch der hat seine Praxis nicht unbedingt am Wohnort des Patienten und ist daher unter Umständen weniger gut erreichbar als die Kreisklinik. Das Problem ist bisher aber, dass die Ärzte der Notaufnahme eigentlich für die Schwerkranken und -verletzten zuständig sind. Wenn nebenbei noch Alltagswehwehchen zu behandeln sind, kann das den Betrieb in einer Notaufnahme durchaus beeinträchtigen. Andererseits kann man auch den Patienten mit dem verstauchten Fuß nicht einfach wieder nach Hause schicken. Eine Bereitschaftspraxis, quasi als Notaufnahme für die nicht ganz so schlimmen Fälle, käme darum den Patienten wie auch den Ärzten in der Notaufnahme zugute. Diese könnten guten Gewissens den nicht so kranken oder leichter verletzten Patienten zum Kollegen der Bereitschaftspraxis schicken, ist ja gleich nebenan. Die Patienten wiederum hätten wahrscheinlich kürzere Wartezeiten, denn wenn in der Notaufnahme ein Schwerverletzter zu behandeln ist, muss man sich mit Tennisarm eben noch etwas gedulden.

Wichtig ist dabei aber, dass durch die Bereitschaftspraxis in der Klinik keine Doppelstrukturen entstehen und anderswo die Notdienstpraxen zwar besetzt sind, aber leer bleiben. Dies würde das neue Angebot auch bei den Ärzten diskreditieren, die man wiederum bräuchte, um die Klinik-Bereitschaftspraxis zu besetzen. Wenn es aber gelingt, diese in den schon bestehenden Bereitschaftsdienst zu integrieren, könnten alle gewinnen. Die Bereitschaftdienste für Ärzte könnten weniger werden, was auch das immer wieder beklagte Problem, diese Dienste zu besetzen, etwas entschärfen würde. Die Mediziner in der Notaufnahme könnten sich ganz den echten Notfällen widmen, und die Patienten hätten einen festen Anlaufpunkt - egal ob man nun richtig krank ist, oder nur einen Verband braucht.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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