Umgang mit absurden Momenten:Integration ist keine Einbahnstraße

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Die Geschichte der Familie von Omid Atai zeigt: Auch wer neu ankommt, kann sich engagieren

Von Lukas Czimmek und Moritz Rademacher, Poing

Mit absurden Situationen kennt Omid Atai sich gut aus. Als er 19 Jahre alt war, wurde er als Fahrer eines Rettungswagens mit einem Patienten von der Polizei angehalten. Die Beamten verlangten Fahrzeugpapiere und Führerschein. Omid Atai hat eine etwas dunklere Hautfarbe als andere Einheimische, vielleicht ein Grund für die Kontrolle. Drogen? Alkohol? Er habe weder getrunken noch nehme er Drogen, das versuchte Atai den Beamten mitzuteilen. Doch diese bestanden trotz Patient im Wagen hinten, auf einen Drogentest. Erst als Atais Kollege herausgestürmt kam und fragte, was so lange dauere, gaben die Polizisten Atai die Papiere zurück und stiegen wieder in ihr Auto.

Heute kann Omid Atai über die Geschichte lachen. Er wurde in Deutschland geboren und ist hier aufgewachsen. "Meine einzige Fluchterfahrung ist eine Uniflucht nach Augsburg", sagt er im Scherz. Sein Vater hingegen ist vor 30 Jahren wegen der Vorherrschaft der Russen in Afghanistan in den Iran geflohen und von dort aus nach Syrien. Eigentlich wollte er nach Frankfurt fliegen, weil dort ein Bekannter von ihm wohnte, doch der Flug war ausgebucht. Jemand am Flughafen riet ihm: "Fliegen Sie nach München, das liegt auch in Deutschland." Und dort ist er dann schließlich auch geblieben; ein Teil der Familie kam wenig später nach.

Weil sich seine Eltern zu Hause nur auf Farsi - einer Sprache in Afghanistan - unterhielten, konnte Atai in der ersten Klasse nicht so gut Deutsch sprechen. Sein Glück war, einen Lehrer zu haben, der sich sehr um ihn kümmerte; schnell lernte er so die Sprache. Heute ist Omid Atai 25 Jahre alt und studiert Jura an der Uni in Augsburg. Er ist für die SPD im Poinger Gemeinderat, zudem engagiert er sich ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr und beim Roten Kreuz.

Wenn er zurück auf die deutsche Migrationsgeschichte schaut, sieht Omid Atai echte Verbesserungen. Früher lebten die eingewanderten Menschen aus der Türkei oder Italien meist abgeschottet von der restlichen Gesellschaft in den Städten. Heute sei es ganz anders: "Die verschiedenen Kulturen leben mehr mit-, und nicht nur nebeneinander", sagt er. Omid Atai ist stolz auf die Menschen, die in den vergangenen Jahren Helferkreise organisiert, Flüchtlingen geholfen und so Einfluss auf die Menschen und die Gesellschaft genommen haben.

Obwohl alles in seiner Karriere immer nach Plan lief, bezeichnet sich Omid Atai selber nicht als Vorzeigemigrant: "Dieser Begriff suggeriert ja, dass zwischen Gut und Böse differenziert wird." Mit Blick auf seine Erfahrungen sagt er, dass Integration keine Einbahnstraße sei. "Integration funktioniert nicht, indem man immer nur hofft, dass sich um einen gekümmert wird - sie beruht auf Gegenseitigkeit", sagt er. Es sei zum Beispiel schon ein kleiner Schritt, seinem Nachbarn hallo zu sagen. "Man muss auch selber etwas dafür tun", meint Atai.

Das beste Beispiel dazu findet sich in seiner eigenen Familie: Seine Mutter spricht mittlerweile gut Deutsch und arbeitet. Atais Vater hingegen hat auch seinen Platz in der Gesellschaft gefunden, ihm ist der Bezug zur afghanischen Kultur dabei immer noch sehr wichtig. Atai selbst wandert zwischen beiden Kulturen. "Zuhause bin ich zwar mehr Afghane wegen meiner Eltern", sagt er. "Aber wenn es um Pünktlichkeit geht, kann ich auch schon mal sehr deutsch sein."

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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