Toilettentag:Lokal-Runde

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Auf der Suche nach der Toilette verletzt: Ein Wiener in Tirol. (Foto: dpa)

Ein Testlauf zeigt: WC's in Lokalen stehen auch Passanten offen

Selten pressiert's so wie wenn's pressiert. Im Sinne von: Eine Toilette muss her. Jetzt und unverzüglich. Und ganz ehrlich: Kaum ein Gefühl ist so erleichternd, wie Erleichterung, nachdem es pressiert hat. Am Sonntag ist Welt-Toilettentag und erst einmal klingt es vielleicht nach "einer komischen Frage", sich nach der Situation der öffentlichen Toiletten in Ebersberg und Umgebung zu erkundigen. Emil Unger vom Seniorenbüro in Anzing lacht ein wenig am Telefon, aber Hintergrund des Welttoilettentags ist ein sehr ernster. Die Kloschüssel als Symbol für Hygiene und damit Gesundheit ist für uns zur Selbstverständlichkeit geworden, für 2,5 Milliarden Menschen auf der Welt ist sie das laut Unicef jedoch bei Weitem noch nicht.

Auch wenn die Situation in Ebersberg gemessen an diesem Vergleich unbestreitbar rosig ist, wird doch nachvollziehbar, warum vor allem Seniorenbeiräte immer wieder auf die Verbesserung der öffentlichen Toiletten im Landkreis drängen. Während in Anzing laut Unger "sehr darauf geschaut wird, dass die Toiletten beispielsweise auch behindertengerecht ausgestattet sind", wissen sowohl Walter Klessinger aus Forstinning als auch Lorenz Nagler aus Hohenlinden von den dortigen Seniorenbeiräten zu berichten, dass es öffentliche Toiletten "wie überall - zu wenige" gäbe. In Forstinning beispielsweise gibt es derzeit nur eine einzige auf dem Waldfriedhof - die andere im Stadtinneren würde gerade renoviert und die Toiletten in Hohenlinden wären nur tagsüber geöffnet.

Dieser Missstand kann auch als Hintergrund der derzeitigen bundesweiten Aktion "Die nette Toilette" gesehen werden, die Gastronomen und Ladenbesitzer dazu auffordert, mit einem kleinen Sticker im Schaufenster zu verdeutlichen, dass man in ihren Geschäftsräumen das stille Örtchen aufsuchen könne, ohne angemault zu werden. Ob Sticker oder nicht, ist es interessant, im Selbstversuch herauszufinden, wie es Lokale in Ebersberg und Umgebung mit Toiletten-Gesuchen von Passanten halten. Heißt: Rein in die Gaststätte, nach dem WC fragen und im Anschluss die Reporter-Fragen stellen. Dabei sei vorab verraten: In allen Lokalitäten war das Personal freundlich, hilfsbereit und verständnisvoll. Wie zum Beispiel bei "Onkel Ivo" in Poing:

"Das ist doch kein Problem", erläutert der emsige Kellner in dem kroatischen Grill-Restaurant, während er fleißig die Gläser poliert. Hier dürfe jeder die Toilette benutzen, ob Gast oder nicht. "Hier darf jeder auf Toilette, es ist schließlich ein menschliches Bedürfnis. Ich hab noch nie erlebt, dass jemand vom Personal die Bitte verweigert", sagt auch die junge Kellnerin im "Kreiller's No.2" am belebten Markt Schwabener Marktplatz.

Doch nicht nur Flaneure ohne Absicht zur Einkehr verspüren mitunter einen gewissen Druck, der keinen Aufschub duldet. Ebenfalls erwischt es die Berufspendler, zum Beispiel wenn die S-Bahn wieder mal Verspätung hat. Die Angestellten im griechische Restaurant "Poseidon" in Baldham sind es gewöhnt, dass S-Bahn-Fahrer vom Bahnhof gleich nebenan mal schnell hereinspringen, weil sie es recht eilig haben. Ähnlich ist es am Bahnhof in Kirchseeon: Der leuchtende Neonschriftzug "Eiscafé Venezia" ist vom Bahnsteig aus gut zu erkennen. Hilfsbereitschaft, das sei doch italienische Mentalität, sagt der Kellner und lacht. Selbstverständlich weise man keinem Passanten mit einer drängenden Bitte die Tür.

Positiv fällt aber nicht nur das freundliche Personal allerorten auf, sondern auch die Sauberkeit. Dass einzige, was Wirte und Kellner mitunter verärgert, sind Passanten, die sich einfach ins Lokal schleichen und die Toiletten heimlich aufsuchen. Dann nämlich, so eine Kellnerin, verliere man schnell den Überblick, etwa wann das Örtchen wieder geputzt werden müsse. Um solchen Situationen vorzubeugen, gibt es zum Beispiel in den beiden "Hasi"-Cafés in Kirchseeon und Poing einen Toilettenschlüssel, der bei den Verkäuferinnen in Empfang genommen werden muss. Obwohl in der Kirchseeoner Filiale ein Zettel aushängt, auf dem "Toilette nur für Kunden" steht, bleibt das Personal entspannt. Gerade, wenn viel Betrieb herrsche, sei ohnehin nicht genau ersichtlich, wer Kunde ist und wer nicht, demnach dürfe jeder. Die einzige Bedingung für den Toilettenbesuch: Nett fragen.

Es gibt aber auch Ausnahmen. Im "Heckerbräu" in Grafing wird nicht nur darauf geachtet, wer wo hin will, sondern vor allem, in welchem Zustand der nach Erleichterung Suchende ist. Wer also angetrunken von der Straße ins Lokal auf der Suche nach einer bestimmten Lokalität wankt, kann gleich wieder umdrehen, sagt ein Kellner. Doch für alle anderen gilt: Wer muss, der kann, wenn's pressiert.

© SZ vom 18.11.2017 / slr, tpa, vme - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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