Thomas Hager:Plattform mit Tiefgang

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Der Kunstverein Ebersberg bietet neuerdings Raum für die unterschiedlichsten Kooperationen. Ziel sind Projekte, die sich sozialen, politischen, philosophischen oder wissenschaftlichen Themen widmen

Interview von Victor Sattler

Der Ebersberger Kunstverein hat ein neues Format installiert, der Titel lautet: "Die Kunst, die Welt zu retten". Dazu darf jeder dem Projektleiter Thomas Hager neue Programme vorschlagen, die dann mittwochs im Studio an der Rampe realisiert werden können. Welche Form diese Projekte annehmen, welche Inhalte sie aus welcher Perspektive beleuchten, wird dabei offengelassen, allen soll aber ein gewisses Verantwortungsbewusstsein und eine Zukunftsgewandtheit gemeinsam sein. Initiator Thomas Hager erklärt im Interview, wie er diese große Vielfalt unter einen Hut bringen will. Der Künstler und Fotograf lebt in Paffing, ist in Grafing aufgewachsen und Beisitzer im Kunstverein.

Herr Hager, vor was muss die Welt gerettet werden?

Thomas Hager: Es gibt genügend Themen, die in das Format reinpassen: Zum Beispiel der Populismus überall in Europa, diese Polit-Clowns wie Trump, die an jedem Eck herumzündeln. Gegen die hilft nur Informieren, Diskutieren und etwas Machen. Man lernt vielleicht dadurch wieder, an der richtigen Stelle Ja und Nein zu sagen. Es geht aber auch darum, mal mit anderen Leuten und Gruppen Projekte zu machen, als man es normalerweise tun würde - und so Verantwortung zu übernehmen.

Was für Projekte mit welchen Gruppen sind in den nächsten Wochen geplant?

Was jetzt gerade anläuft ist "Die Sprache der Kunst, die Kunst der Sprache", dabei malen wir mit Migranten aus Ebersberg und Umgebung, es werden aber dazu auch Leute eingeladen, die neben dem Malen den Migranten helfen, die deutsche Sprache zu lernen. Das zweite Projekt wird "Wurzeln" sein, ein sogenanntes Inklusionsmalen, bei dem sogar ganz gegensätzliche Gruppen miteinander malen können. Das dritte ist "Die andere Normalität", da arbeiten wir in Kooperation mit der Speisekammer mit Menschen mit seelischen Problemen. Sie merken also: "Die Kunst, die Welt zu retten" sind lauter kleine Projekte, die zusammengeführt werden und für die alle ein Bedarf da ist, in welcher Form auch immer: Sogar Lesungen und Vorträge sollen gehalten werden, oder Performances, Musik und Theater. Das Arbeiten mit Betreuten ist nicht nur für die Künstler interessant, denn es sind ganz andere Lebensweisen, andere Welten, die aber auch zu unserer Kultur gehören müssen. Da kann man sich oft noch was abschauen.

Die Initiative ist also durchaus breit gefächert. Viele Menschen malen gern, aber braucht es nicht von Seiten der Organisatoren ganz verschiedene Kompetenzen, um mit Migranten oder Behinderten zu arbeiten? Wie passt das zusammen?

Doch, braucht es schon, dafür benötigen wir Partner wie den Kreisjugendring, das Betreuungszentrum Steinhöring oder den Helferkreis Ebersberg, aber ich als Projektleitung will erstmal überhaupt eine Plattform zur Verfügung stellen, um bildende Kunst mit der Wissenschaft, Politik, Philosophie und Ethik zusammenzubringen. Es ist deshalb so breit gefasst, weil das Thema bildende Kunst selbst so einen großen Rahmen ermöglicht.

Was muss an einem Projekt-Mittwoch im Studio an der Rampe passieren, damit der Tag als Erfolg angesehen werden kann?

(lacht) Es geht uns um die Auseinandersetzung, Inklusion, Diskussion, neue Horizonte - da lass ich mich ganz gern überraschen, was letztlich passiert!

Es soll laut Ausschreibung auch um Themen gehen, die wegen ihrer Unpopularität in den Medien untergehen. Welche könnten das sein?

Zum Beispiel der NSU-Prozess, bei dem es sehr schwierig ist, überhaupt durchzublicken, was wirklich passiert ist. Das andere Thema, welches sich momentan anbietet, ist "Gender" und das dritte "Geschlecht": Wir haben eine Fotografin, die oft in einem mexikanischen Dorf war, in dem es ganz normal ist, dass es ein drittes Geschlecht gibt. Bei uns hier ist die Diskussion aber immer noch notwendig, weil viele das gar nicht wissen, dass es das gibt, und weil die Betroffenen folglich immer noch ausgeschlossen sind aus der Gesellschaft. Ich habe auch gute Kontakte in Südamerika, die den Wahnsinn der Agrargentechik und deren katastrophale Auswirkungen kennen. Es gibt genug Themen.

Wie kann man sicherstellen, dass all diese wichtigen Diskussionen nicht gleich wieder versiegen, dass sie nicht bloß an der Oberfläche ihrer Thematik bleiben?

Indem man die Projekte lang genug laufen lässt, nämlich solange Interesse bei den Leuten besteht. Man kann natürlich niemals alle Themen anschneiden! Aber das Projekt soll so aufgebaut sein, dass jeder, der etwas Interessantes zu sagen hat, auch eine Plattform bekommt; um die Themen in Kunst umzusetzen, um wieder einen anderen Zugang zur Kunst zu finden. Wir wollen Leute dazu bekommen, sich wieder ein Bild anzusehen, und ihnen Mut machen, selber etwas zu kreieren.

Was ist mit dem Titel gemeint: Bezeichnet er die Kunst, die das Zeug dazu hat, die Welt zu erretten - oder ist auch das Erretten eine Kunstform, die wie jede andere gelernt werden kann?

Der Titel ist mit Absicht sehr mehrdeutig formuliert. Wenn man über Nelson Mandela und Mahatma Gandhi nachdenkt, könnte man auch schon von Künstlern reden. Eine echte Kunst ist das Erretten deshalb, weil es so schwierig ist, Gehör zu finden, so schwer, etwas an den Mann oder die Frau oder in die Medien zu bringen. Würde man Fensterscheiben zerschlagen und Autos zerbeulen, dann ist man gleich in der Presse. Aber wirklich Inhaltliches in den Medien unterzubekommen, ist unheimlich schwierig, weil es dafür leider zu wenig Platz gibt.

Und woran liegt das, Ihrer Meinung nach? Ist das Ziel, die Welt zu retten, nach all dem Spott über als solche verunglimpfte "Gutmenschen" überhaupt noch vermittelbar?

Doch, mehr denn je. Wenn man sich unsere ganze Situation genau anschaut, ob nun im Land oder außerhalb, merkt man gleich: Es brennt ja an allen Ecken und Enden. Hier hilft kein Populismus!

Jeder, der ein Projekt/Konzept vorstellen oder sich einfach nur beteiligen will, kann sich bei Thomas Hager melden per Mail an th.hager@gmx.de. Ein Budget gibt es nicht: Gelder müssen selbständig beschafft werden. Der Kunstverein bietet dabei jedoch Unterstützung.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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