"Teilweise dramatische Situationen":Schulen brauchen mehr Hilfe

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Die Sozialarbeit wird in Markt Schwaben aufgrund der schwierigen Situation ausgebaut. Präventives Arbeiten sei derzeit fast nicht mehr möglich, sagen die Fachleute

Von Wieland Bögel, Ebersberg/Markt Schwaben

Der Landkreis Ebersberg stockt die Sozialarbeit an den Markt Schwabener Schulen auf. Sowohl an der Grund-, als auch an der Mittelschule wird künftig eine Vollzeitstelle für Jugendsozialarbeit zur Verfügung stehen. Begründet wird dies mit der schwierigen Situation in der Gemeinde. Doch auch in anderen Kommunen könnte es bald mehr Sozialarbeiter an den Schulen geben.

Im Jugendhilfeausschuss des Kreistages wurde nun die aktuelle Situation in Markt Schwaben und an den übrigen Schulstandorten erörtert, wo Sozialarbeiter im Einsatz sind. Seit dem Schuljahr 2002/03 gibt es Jugendsozialarbeiter an den Förderschulen in Poing und Grafing sowie an der Schule in Zinneberg. Bis 2015 wurden zudem dank Fördergeldern des Bezirks Oberbayern an den Mittelschulstandorten in Ebersberg, Kirchseeon, Vaterstetten, Poing und Markt Schwaben sowie der dortigen Grundschule Jugendsozialarbeiter installiert.

Weitere Sozialarbeiter gibt es an den Mittelschulen in Aßling, Glonn und Grafing. Diese werden, wie an den Förderschulen, vom Landkreis alleine getragen. Genau wie das Angebot an den Realschulen und Gymnasien, das, um eine Verwechslung mit der geförderten Jugendsozialarbeit zu vermeiden, "Sozialpädagogische Arbeit an Schulen" heißt. Auch inhaltlich gibt es Unterschiede. Während, sich die Sozialarbeit im Grunde an alle Schüler richtet, sollen sich die Jugendsozialarbeiter vorrangig um Kinder kümmern, die sozial benachteiligt sind oder anderweitige Einschränkungen haben. Und genau von diesen gebe es in Markt Schwaben immer mehr, schilderte nun Monika Wilken, im Landratsamt zuständig für die Planung der Jugendhilfe. Das Diakonische Werk Rosenheim als Träger der Jugendsozialarbeit an den Markt Schwabener Schulen habe Anfang des Jahres beantragt, die beiden halben auf zwei ganze Stellen aufzustocken.

Als Gründe habe man beim Diakonischen Werk etwa angeführt, dass es an den Schulen zu "teilweise dramatischen Situationen inklusive Polizeieinsatz" gekommen sei. Dies erschwere den Sozialarbeitern "ein kontinuierliches, präventives Arbeiten". So könnten wegen der angespannten Lage derzeit beispielsweise Angebote wie "Mobbingprävention und interkulturelle Kompetenz" nicht stattfinden. Zudem beruft man sich beim Träger auf den Betreuungsschlüssel des Nachbarlandkreises München, der pro 100 Kinder bei 1,2 Sozialarbeiterstellen für Grundschulen und 0,45 bei Mittelschulen liegt. Insgesamt besuchen mehr als 1000 Mädchen und Buben die beiden Schulen in der Marktgemeinde, wo nach Auffassung der Verwaltung wohl auch in Zukunft der Bedarf an Jugendsozialarbeit hoch bleiben dürfte.

Einerseits durch die wie überall im Landkreis steigenden Einwohnerzahlen, andererseits aber auch durch die hohe Anzahl weniger begüterter Mitbürger. Oder, wie es die Verwaltung formuliert: "Die Verteilung zwischen hohen, mittleren und niedrigen Einkommen fällt im Landkreisvergleich schwächer aus, ebenso liegen Kaufkraftwerte, Arbeitslosenquote und Kinderarmutszahlen ungünstiger als im Landkreisvergleich." Hinzu komme der hohe Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund, an der Grundschule seien dies aktuell 35 Prozent der Kinder, an der Mittelschule sogar 50 Prozent. Nicht zuletzt trage auch die hohe Nachverdichtung und die daraus resultierende "Wohnsituation auf engstem Raum gerade für Familien" zu den Problemen bei. Der Ausschuss folgte den Ausführungen des Trägers und der Verwaltung und gab dem Antrag des Diakonischen Werks statt. Künftig sollen die Sozialarbeiterstunden in Markt Schwaben verdoppelt werden, dies wird den Kreis pro Jahr voraussichtlich 24 000 Euro kosten.

Mittel- bis langfristig könnte der Kreishaushalt beim Kostenpunkt Schulsozialarbeit aber entlastet werden. Denn laut Verwaltung plant das bayerische Kultusministerium, mehr Sozialpädagogen an die Schulen zu schicken und dafür in den kommenden Jahren bayernweit 500 entsprechende Stellen zu schaffen. Eine davon soll der Landkreis bereits in diesem Schuljahr bekommen, für die Poinger Grundschule an der Karl-Sittler-Straße und die Anni-Pickert-Grundschule. Dort gibt es zwar bereits seit sechs Jahren Schulsozialarbeit - aber da dieses Angebot nicht vom Freistaat gefördert, sondern von der Gemeinde alleine bezahlt wird, gilt es im Ministerium als nicht existent. Für Poing, das hatte der dortige Bürgermeister Albert Hingerl bereits im Sommer erklärt, bedeute das, dass man für die bereits vorhandenen Sozialarbeiter andere Aufgaben finden will.

Ähnlich könnte das auch bei den Stellen laufen, die derzeit noch der Landkreis finanziert, vermutet man in der Verwaltung. Denn das Kultusministerium hat bereits klar gemacht, dass Jugendsozialarbeiter und allgemeine Sozialpädagogen nicht an derselben Schule tätig sein sollen.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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