Tanz, Artistik, Jonglage und Akrobatik:Hoch hinaus!

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Die "Movimentos" und ihre Gäste ernten bei einer öffentlichen Generalprobe für die Welt-Gymnaestrada große Begeisterung

Von Michaela Pelz

Und dann ist da dieser Moment, als gut 600 Menschen in der vollbesetzten Jahnsporthalle kollektiv in tosenden Applaus ausbrechen: Als nämlich am Ende einer sensationellen Airtrack-Nummer zwei etwa sechs Meter lange, 50 Kilo schwere Matten von den jungen Akrobatinnen in die Höhe gestemmt werden, als sei es ein Kinderspiel, bevor sich auf dem überdimensionalen Sandwich mit menschlicher Füllung in sechs Metern Höhe elegant Anna Katterloher platziert. Lautstarkes Klatschen, Pfeifen und Johlen von stolzen Eltern, Großeltern, Freunden und Fans gibt es ohnehin reichlich bei den Einzel- und Gruppendarbietungen, die das aktuelle Repertoire der Movimentos und ihrer Gäste von der Europäischen Schule München und vom TSV Hüttlingen widerspiegeln.

In erster Linie aber geht es in der gut anderthalbstündigen öffentlichen Probe um die bereits erwähnte letzte Nummer. Denn mit ihr werden sich fast sechzig Vertreterinnen der etwa 160 Mitglieder starken Grafinger Truppe vom 7. bis zum 13. Juli bei der Gymnaestrada, dem vom Weltturnverband organisierten internationalen Breitensportfestival in Dornbirn, präsentieren. Dabei bilden die begabten Jung-Artistinnen zusammen mit etwa 30 Jugendlichen des TSV Hüttlingen unter dem Shownamen "Energy" ein Team.

Doch auch die anderen Acts dieses Nachmittags sorgen für zahlreiche Aha-Erlebnisse und beweisen, wie Leiter Stefan Eberherr und sein Trainerteam unter dem Dach des TSV Grafing die ehemalige Schul-AG durch die Vielfalt der angebotenen Disziplinen (neben Tanz, Akrobatik, Jonglage und Einrad auch Trapez, Luftring, Vertikaltuch, Cyr-Ring und Chinese Pole) in ein Leuchtturmprojekt verwandelt haben. So sieht es auch die Bürgermeisterin der Stadt Grafing, die voll des Lobes ist. Sowohl für den TSV, der Movimento voll integriert habe - "gar nicht so einfach bei ohnehin schon knappen Hallenzeiten" - als auch für Eberherr, "dem es immer wieder gelingt, die jungen Leute zu motivieren". Doch nicht nur der Lokalpatriotismus hat Angelika Obermayr in die Halle getrieben: Sie kommt aus alter Verbundenheit, da eine ihrer Töchter erst am Trapez, dann Backstage mitgemischt hat. Offenbar hat die junge Frau dabei Blut geleckt, arbeitet sie doch heute für das "GOP" in Hannover. Und ist damit nicht die einzige, bei der Movimento eine wichtige Rolle bei der Berufswahl gespielt hat: Auch die Moderatorin Julia Ladner sagt, sie haben hier viel gelernt, das sie nun als freiberufliche Tänzerin sehr gut brauchen könne.

Souverän führt die Wahl-Hamburgerin durch das Programm mit Tänzen, Akrobatik, Luftartistik, Jonglage (unglaublich berührend und dabei voller Charme und Witz: Robin Janosch) und Bewegungskünsten am Boden. Da fliegen die Pferdeschwänze, die Beine strecken sich zum Spagat, athletische junge Männer (relativ wenige, aber es gibt sie) werfen ihre Partnerinnen in die Luft (und fangen sie immer wieder sicher auf), in atemberaubender Geschwindigkeit werden Räder und Salti geschlagen und Körper biegen sich zur Brücke, als seien sie aus Gummi.

Das Besondere an der alle vier Jahre stattfindenden Gymnaestrada ist, dass es keine Wettkämpfe gibt, sondern sich die rund 20 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus mehr als 50 Nationen eine Woche lang in einer Atmosphäre von Toleranz und gegenseitigem Respekt austauschen und gegenseitig ihre Künste vorführen. Damit greift die Gymnaestrada den Gedanken auf, der auch bei Movimento im Vordergrund steht. "Hier kann jeder mitmachen, unabhängig von Größe oder Gewicht, alle finden etwas", sagt die 14-jährige Romy. Und Lehramtsstudentin Lisa, die unter anderem als Trainerin im Einsatz ist, ergänzt: "Es macht einfach wahnsinnigen Spaß, vor Publikum aufzutreten."

Die leuchtenden Augen der Zuschauer und Akteure sind es auch, die Stefan Eberherr seit Jahren antreiben, seine Freizeit dem Projekt zu widmen. Gut für den Familienfrieden, dass mittlerweile nicht nur die Ehefrau, sondern auch alle drei Töchter mit von der Partie sind. Jetzt ist der Sport- und Mathematiklehrer erst einmal froh, dass alles verletzungsfrei über die Bühne gegangen ist - bei der Hitze nicht selbstverständlich, denn neben möglichen Kreislaufproblemen sind auch rutschige Hände ein Risiko bei Würfen und Pyramiden.

Und worauf freuen sich die jugendlichen Athleten am meisten? Vielleicht darauf, bei der Eröffnungsfeier in der offiziellen Ausstattung der deutschen Nationalmannschaft mit der deutschen Delegation einmarschieren zu dürfen. Vielleicht aber auch darauf, spätestens Mitte der Woche im großen Stil mit Teilnehmenden aus anderen Ländern die Trikots tauschen zu können, was, wie Eberherr schmunzelnd bemerkt, eher die Regel als die Ausnahme ist.

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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