SZ-Serie: Wappen im Landkreis, Folge 19:Von Gräbern, Burgen und Schlössern

Lesezeit: 3 min

Die Symbole des Emmeringer Wappens gehen auf Adelsgeschlechter zurück. Während die Spuren der einen verblassen, sind die des anderen heute noch deutlich zu sehen

Von Simon Gross

1 / 2
(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit der Gedenktafel wollte Barbara Hirschauer an ihre Familie erinnern.

2 / 2
(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dank dieser Skizze konnte der Grabstein von Kaspar Hirschauer identifiziert werden.

Wäre Franz Eckher nicht gewesen, der Grabstein von Kaspar Hirschauer würde vielleicht immer noch als Türschwelle der Emmeringer Pfarrkirche dienen. Und das wäre sehr schade, denn Hirschauer ist nicht irgendwer. Der Mann, dessen Grabstein vor 50 Jahren entdeckt und durch eine glückliche Fügung identifiziert werden konnte, ist ein bedeutender Angehöriger desjenigen Adelsgeschlechts, von dem das Emmeringer Wappen seine zwei roten Hirschstangen hat. Aber eins nach dem anderen.

Die beiden schräg nach oben zeigenden Geweihhälften sind auf dem Kupferstich gut zu erkennen, der an der Front der Emmeringer Gemeindeverwaltung angebracht ist. Er überdeckt ein älteres steinernes Relief des Wappens, auf dem noch von der Gemeinde Schalldorf die Rede ist. So hieß der Ort, als er sich 1969 sein Wappen gab; erst 1978 taufte sich die Gemeinde Emmering. Der frühere Name Schalldorf, der heute nur noch einen Ortsteil meint, steht in engem Zusammenhang mit dem zweiten Symbol des Wappens: den Sparren. Die Dachbalken verweisen auf die Geschlechter der "Schaltorfer zu Fagen" und der "Tyrndl", die während des 14. und 15. Jahrhunderts auf der Burg Schalldorf ihren Sitz hatten. Heute ist von dem Anwesen, das sich im Südwesten des Ortsteils befand, nur noch ein kleiner Hügel auf einer Wiese übrig. Größe und Gestalt des Familiensitzes lassen sich also nur noch erahnen.

Das Wappen von Emmering. (Foto: Gemeinde)

Deutlich sichtbarer sind dagegen bis heute die Spuren der Hirschauer. Und das ist auch der eingangs erwähnten Person zu verdanken: Eckher, von 1695 bis 1727 Fürstbischof von Freising, war "ein emsiger Sammler genealogischer Materialien", wie es auf der Webseite der Bayerischen Staatsbibliothek heißt. Von mehr als 2000 Grabsteinen fertigte der Fürstbischof seinerzeit Skizzen an, wobei er diese Aufgabe im Laufe seiner Amtszeit zunehmend delegierte. Als bei Umbauarbeiten der Emmeringer Pfarrkirche 1969/70 im Fußboden ein alter Grabstein entdeckt wurde, konnte man anhand von Überresten der Umschrift - mehr ist nach all den Jahren der wenig pfleglichen Behandlung leider nicht mehr zu erkennen - und einer jahrhundertealten Skizze Eckhers die Steinplatte seinem ursprünglichen Besitzer zuordnen: Kaspar Hirschauer.

Und so wurde der Brocken, der einst aus Rotmarmor vom Untersbergmassiv der Berchtesgadener Alpen gefertigt wurde, am Eingang der Pfarrkirche aufgestellt. Auch wenn Pankraz Spötzl, der sich als ehemaliger Bürgermeister ebenfalls emsig mit der Ortsgeschichte Emmerings befasst, damit nicht ganz zufrieden ist. Der ohnehin mitgenommene Grabstein sei dort der Witterung zu sehr ausgesetzt, findet Spötzl. Das besondere Interesse für diesen Angehörigen der Hirschauer rührt daher, dass er der erste seines Geschlechts war, der nachweislich seinen Sitz auf Schloss Hirschbichl in Emmering hatte. Das belegt eine Urkunde des Klosters Ebersberg von 1435, in der Hirschauer den Sitz Hirschberg - wie das Domizil noch genannt wird - bescheiden als "sein Haus" bezeichnet.

Pankraz Spötzl zeigt jene Stelle, wo früher die Burg Schalldorf stand. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und das ist bei weitem nicht die einzige urkundliche Erwähnung. Hirschauer taucht in diversen Dokumenten der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf. Er wird in notarieller Funktion als Zeuge, Siegler und Siegelbittzeuge erwähnt, aber auch als Beisitzer für das Kloster Rott oder als Pfleger in Mittersill im Salzburgischen Land aufgeführt. Außerdem wird er 1430 als Mitglied der Landschaft angegeben, die als Vertretung des Adels fungierte und ihre Rechte gegenüber dem bayerischen Herzog in dem 38. Freibrief, einer sogenannten Handfeste, darlegte. Als Hirschauer 1452 starb, trug er den Titel des Herzoglichen Rates. Er muss also ein viel beschäftigter Mann gewesen sein.

Deutlich besser erhalten als der Grabstein ist der ehemalige Sitz des umtriebigen Hirschauers, Schloss Hirschbichl. Spötzl erinnert sich: "Als Kinder sind wir im Winter von der Anhöhe mit dem Schlitten herunter gefahren." Heute wäre das sowohl rechtlich als auch praktisch gesehen schwierig, da das Schloss seit dem Jahr 2000 wieder in Privatbesitz ist und der Wildwuchs um das Gebäude aus jeder Schlittenfahrt einen Slalom machen würde. Doch nicht nur die Wintersporttauglichkeit, auch das Sichtfeld ist durch das üppige Grün, zumindest im Sommer, stark eingeschränkt: Wo früher der stattliche Familiensitz gut sichtbar auf der kleinen Anhöhe thronte, ragt heute nur noch die Dachspitze aus dem Blätterdach empor. Das finden auch manche Anwohner schade, die so den Anblick des Emmeringer Wahrzeichens nicht mehr genießen können.

Schloss Hirschbichl liegt auf einer bewaldeten Anhöhe und ist gut eingewachsen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Über den Anblick hinaus erfüllte das Schloss zudem verschiedene soziale Funktionen: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fungierte es unter der Leitung eines Münchner Arztes als Erholungsheim für Kinder, die im Ersten Weltkrieg Benachteiligungen erfahren hatten. Während des Zweiten Weltkriegs diente das herrschaftliche Anwesen dann als sogenanntes Reichsarbeitsdienstlager. Weibliche Arbeitskräfte waren dort untergebracht, die meist den landwirtschaftlichen Betrieben in der Umgebung helfen mussten. Nach Ende des Krieges fanden Flüchtlinge und Heimatvertriebene hier Unterschlupf. Zuletzt hatte der Kunstverein Ebersberg auf Schloss Hirschbichl sein Refugium.

Die letzte Hirschauer, die den Familiensitz bewohnte, Eva Katharina von Hirschau, hatte das Schloss 1722 an den damaligen Bürgermeister von München verkauft. Ihr Bruder, Johann Engelbert Hirschauer, war von Emmering nach München gezogen, um dort zu studieren. Da weder Eva Katharina Hirschau noch ihr Bruder Kinder hatten, endete die Linie der Emmeringer Hirschauer mit ihrem Tod. Und als ob ihre Mutter das Ende der eigenen Familienlinie schon geahnt hätte, ließ Barbara Hirschauer bereits 1665, nach dem Tod ihres Mannes, eine Gedenktafel für die "abgestorbenen Herrn von Hirschau zu Hirschberg" anfertigen, die heute gut erhalten in der Kirche von Emmering zu sehen ist.

© SZ vom 01.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: