SZ-Serie Kraftakt, Folge 6:Mann auf Station

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Immer wieder musste Janeck Rüschke sich anhören, ein Krankenpfleger würde "Hintern auswischen". Gestört hat ihn dieses Vorurteil nie. (Foto: Christian Endt)

Janeck Rüschke, 22, ist Krankenpfleger. Jetzt studiert er nebenher Gesundheitsmanagment, mit dem Ziel, die Pflegestrukturen zu verbessern

Aßling - Zusammen mit dem Hackbrett hat Janeck Rüschke als kleiner Junge seine Mutter hin und wieder ins Seniorenheim begleitet. Denn die arbeitete dort als Pflegerin und "wenn sonst keiner daheim war, hat sie mich halt mitgenommen", sagt Rüschke. Und dann hat er dort für die alten Leute Musik gespielt. Heute ist Rüschke 22 Jahre alt, spielt zwar nicht mehr Hackbrett, aber hat die Pflege zu seinem Beruf gemacht. Nicht in einem Seniorenheim, sondern im Krankenhaus.

Mit 16 Jahren hat er in der psychiatrischen Klinik in Haar seine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger angefangen. Mittlerweile arbeitet er seit mehr als einem Jahr in der Klinik in Vogtareuth. "Den Beruf konnte ich mir eigentlich immer schon vorstellen", sagt Rüschke. Vielleicht weil er ihn von seiner Mutter kannte, vielleicht aber auch, weil er nach der Schule erst einmal nicht studieren wollte und ihn die Arbeit mit Menschen interessierte.

Einiges an Kommentaren musste er sich damals anhören. "Nicht von meinen guten Freunden, aber von Leuten, die halt immer noch meinen, als Krankenpfleger würde man nur Hintern auswischen", sagt Rüschke. Er ist ein nicht besonders großer junger Mann, mit kurzen roten Haaren und Sommersprossen. Und auch wenn er darüber spricht, was problematisch ist an seinem Berufsfeld, tut er das in ruhigem, beinahe nachdenklichem Tonfall. Wirklich gestört hätten ihn derartige Bemerkungen nicht, die Leute wüssten eben nicht, worum es bei dem Beruf geht. Auf einer geschlossenen psychiatrischen Station mitzubekommen, wie ein psychotischer Patient mit Möbeln um sich wirft, das ist etwas anderes als "Hintern auswischen". Das sei hart gewesen. Da habe er sich schon manchmal gefragt, ob das wirklich das Richtige für ihn sein würde.

Während eines weiteren Praktikums in der Chirurgie, da hätten sich diese Zweifel zerstreut, denn bestärkend sei es, "wenn Patienten krank kommen und dann gesund wieder gehen", sagt Rüschke.

Im Moment ist er sehr zufrieden in Vogtareuth. Auch dort arbeitet er auf einer chirurgischen Station. "Das ist eine gute Klinik", sagt Rüschke. Relativ wenig bekomme er dort vom "Pflegenotstand" mit. Aber er weiß: "Natürlich nur, so lange die Zahlen stimmen." Die "Zahlen" und das "System hinter dem Krankenhaus" lernt Rüschke gerade von einer völlig anderen Seite kennen. Denn vor einem Jahr hat er beschlossen, doch noch zu studieren: "Management des Gesundheitswesens".

Das zweite Semester läuft gerade an, und bisher gelingt es ihm ganz gut, die Doppelbelastung aus Studium und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. "Mein Chef weiß das natürlich und deshalb kann ich Schichten immer so planen, dass sie mit den Vorlesungen zusammenpassen", sagt Rüschke. Viele Wochenenden, viele Nachtschichten übernimmt er. Das sei zwar schade, weil dann weniger Zeit für Freizeit und Freunde bleibe, aber mit den Arbeitszeiten an sich hat er kein Problem. Hart im Nehmen sei er, was Nachtdienste angeht. "Dann schlafe ich halt mal nur drei Stunden", sagt Rüschke, "beim Feiern muss das ja auch gehen." Da lacht er ein bisschen.

Wie es zu dem Sinneswandel kam, doch noch ein Studium abzuschließen? Rüschke zuckt ein wenig mit den Schultern. "Wahrscheinlich dann doch die Sache mit den Aufstiegschancen", sagt er. Als Krankenpfleger sei man der Letzte in der Hierarchie, wirklich verantwortungsvolle Arbeiten gebe es kaum noch. "Manchmal erzählen Kolleginnen, die das schon lange machen, wie sie früher gearbeitet haben", sagt Rüschke. Im Vergleich dazu sei man wirklich nur noch Arbeitskraft. Eine spezielle "Pain Nurse" müsse beispielsweise geholt werden, wenn ein Patient über Schmerzen klagt. Ein "Wund-Manager" kümmert sich um Verbände.

Vor allem am Anfang hat ihn außerdem beschäftigt, dass es immer wieder vorkommt, dass Angehörige ihre Sorgen und Frustrationen am Pflegepersonal auslassen. "Da bekommt man wirklich unfreundliche Kommentare zu hören", sagt Rüschke, "als wäre ich daran schuld, dass es einem Familienmitglied nicht gut geht". Ein bisschen mehr Achtung vor der Arbeit eines Pflegers wäre da schon schön. "Schließlich wollen wir ja auch, dass es den Leuten möglichst schnell besser geht", sagt er.

Bezahlung, das ist auch so ein Punkt, der für ein Studium sprach. "Es kommt tatsächlich nicht selten vor, dass Kolleginnen auf weniger als 100 Prozent reduzieren und dafür noch einen Nebenjob auf 450 Euro Basis annehmen", sagt Rüschke, weil sie damit mehr verdienen könnten, als wenn sie Vollzeit arbeiten würden. "Das ist auch schwierig für den Betrieb auf den Stationen", sagt Rüschke, "wenn keiner mehr durchgängig da ist, weiß eigentlich keiner mehr so wirklich Bescheid."

Auffallend ist, dass Rüschke im Gespräch meistens von "Kolleginnen" spricht. Denn ja, auf seiner Station ist er der einzige männliche Pfleger, und das sei auch sonst oft so gewesen. Ob ihn das nerve? Auch da zuckt er erst einmal die Schultern, dann lächelt er. "Na ja, das Kinderthema ist halt so eine Sache", sagt er, da könne er kaum mitreden. Dennoch geht Rüschke gerne in die Arbeit und das Studium sei ein guter Ausgleich. Er hofft, dass ein Hochschulabschluss nicht nur seine Chancen auf bessere Bezahlung erhöht, sondern vielleicht sogar die Möglichkeit in sich birgt, eines Tages etwas an den problematischen Strukturen der Pflege ändern zu können.

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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