SZ-Serie, Im Schilde geführt, Folge 21:Das Kloster und der Birkenhügel

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Das Wappen der Gemeinde Baiern versucht auf kreative Weise, die unterschiedlichen Gemeindeteile miteinander zu vereinen

Von Moritz Kasper

Mit Wissenslücken müssen sich nicht nur überforderte Schüler herumschlagen. Auch Historikern und Heimatforschern fehlt manchmal ein entscheidender Baustein, um das große Ganze zu verstehen. Und beim Baierer Gemeindewappen ist diese Lücke nicht unwesentlich. Denn obwohl das Zeichen keine 50 Jahre alt ist, fehlen der Autor und seine ursprüngliche Intention. Doch gerade diese Lücke scheint Heimatpfleger Günther Staudter und seine Kollegen beim bayerischen Staatsarchiv dazu ermutigt zu haben, eine besonders schlüssige und sorgfältige Deutung zu versuchen.

Wappen Baiern (Foto: N/A)

Sie stellten sich die Frage, was den damaligen Zeichner und die damaligen Gemeinderäte dazu bewogen haben könnte, ein Wappen mit zwei Rosen, einem Birkenzweig und drei runden Hügeln zu entwerfen, und ob ihr Gedankengang schlüssig war. Einen ersten Anhaltspunkt liefert der blau-weiße Hintergrund des Wappens. Dieser, so vermutet es die amtliche Wappengeschichte, spielt wohl auf die Zugehörigkeit zum Freistaat Bayern und den gleichlautenden Gemeindenamen an.

Die Gemeinde Baiern, hier der Ortsteil Antholing, liegt in hügeligem Gelände vor Bergpanorama, was die Hügel auf dem Wappen erklären könnte. Die Rosen auf der linken Seite des Wappenschilds sind wohl vom Kloster Weihenstephan geblieben, das in der Gegend Besitz hatte. (Foto: Christian Endt)

Bei den Rosen im linken Teil des Wappens ist man sich auch relativ sicher. Sie stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Wappen des Klosters Weihenstephan, dass vor der Säkularisierung größter Grundbesitzer in der Gemeinde war. Die Rosen müssen als amtliches Zeichen damals auch einfachen Bauern sehr präsent gewesen sein, denn sie befanden sich auf dem Siegel der damaligen Leibgedingbriefe, welche die Leibrente bei der Hofübergabe regelten. Doch die Auswahl des Klosterwappens ist gar nicht so schlüssig, wie es zunächst erscheint. So ist Staudter aufgefallen, dass sich die ehemaligen Weihenstephaner Besitztümer ausschließlich auf den südlichen Teil der heutigen Gemeinde konzentrieren. Und dass Weihenstephan mit 16 Höfen zwar der größte, aber längst nicht der einzige Hofbesitzer in Baiern war. Nicht weniger als 30 verschiedene Parteien hatten nach Staudters Rekonstruktion Güter innerhalb der jetzigen Gemeindegrenzen, darunter mit Fürstenfeld auch ein weiteres Kloster.

Die Birkenblätter verweisen auf die in der Umgebung weit verbreitete Baumart, aber auch auf den alten Namen von Berganger, das früher "Berk-Anger", also "Birkenanger" hieß. (Foto: Christian Endt)

Die Weihenstephaner Rosen sind also zumindest für den Großteil des Südens einigermaßen repräsentativ, doch was ist mit dem Norden? "Dieser war durch Sumpfgebiete und kleinere Überschwemmungen oft über längere Zeit vom Süden abgeschnitten", erklärt Staudter. Mehr noch, der Süden sei teilweise sogar komplett von der Außenwelt abgeschnitten gewesen - wohl ein Grund, warum sich dort eine besonders aktive Hausmusikszene entwickelte. Das Wappen könnte genau diese Trennung von Nord und Süd reflektieren. Für den Norden stünde dann der abgetrennte rechte Bereich mit den Birkenzweig. Vereint würden die beiden Gemeindeteile durch die drei Hügel im unteren Bereich, die in der heutigen Wappenbeschreibung als Anspielung auf die nacheiszeitliche Moränenlandschaft gedeutet werden. Doch was hat es mit dem Birkenzweig auf sich? Er verweist ziemlich eindeutig auf Berganger, den größten Ort im nördlichen Teil von Baiern und gleichzeitig die älteste Siedlung der Gemeinde. Bereits im Jahr 776 wird sie urkundlich erwähnt, allerdings unter dem Namen Perhhanga. Und das heißt übersetzt in die heutige Sprache nicht Berganger, sondern Birkenanger. "-anga ist im heutigen Wort Wange enthalten und meint eine gewölbte Wiesenfläche", erläutert Staudter. Es muss damals also Birken in den Hügeln um das heutige Berganger gegeben haben. Dass aus der Birke im Ortsnamen später ein Berg wurde, ist ihm zufolge auf das altbairische Wort für Birke, Berch, zurückzuführen. Es schliff sich wegen seiner Ähnlichkeit wohl zu "Berg" ab, so dass die ursprüngliche Bedeutung verloren ging. Außerdem sei es durchaus denkbar, dass der Birkenbestand schon relativ früh gefällt wurde, so dass für die Anwohner der Bezug zur hügeligen, bergigen Gegend mehr Sinn ergab als der zu den nicht mehr vorhandenen Bäumen.

In der Aufschrift auf einer Gedenktafel aus dem 17. Jahrhundert an der Schwedenkapelle, heißt der Ort "Berhanger", der Lautwechsel vom K zum G ist damals also noch nicht ganz vollzogen. (Foto: Christian Endt)

Heute bemüht sich die Gemeinde, die Verbindung zum alten Namen wieder herzustellen. Die Spur hierzu führt in das Neubaugebiet Berganger-West. Staudter weist den Weg durch die Birkenstraße an modernen Einfamilienhäusern vorbei bis zum Maibaum. An diesem ist das wohl älteste Wappenschild in der Gemeinde angebracht. Doch nicht nur das. Heute hat der Ort auch für den gut informierten Heimatforscher eine Überraschung parat, was man an seinen plötzlich aufleuchtenden Augen erkennt: Jemand hat eine Birke zwischen den Maibaum und die Birkenstraße gepflanzt und damit die Ursprünge des Ortsnamens wieder greifbar gemacht.

© SZ vom 16.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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