SZ-Serie, Folge 9:Ganz schön viel los

Lesezeit: 7 min

Der Zuzug in den Landkreis hat auch Auswirkungen auf die Infrastruktur. Der Verkehr auf den Straßen wird immer mehr, und auch die Wasser- und Abwasserversorgung muss stetig mitwachsen

Von Wieland Bögel

Die Straßen der Kreisstadt erinnern an manchen Tagen eher an eine Automobilausstellung als an einen Verkehrsweg. Stoßstange an Stoßstange stehen Autos und Lastwagen rund um das Rathaus, es geht allenfalls in Schrittgeschwindigkeit voran. Aber nicht nur in Ebersberg, auch anderswo im Landkreis kommt man als Autofahrer oftmals nur im Stop-and-Go-Tempo voran. Sei es am Grafinger Marktplatz, auf der B304 in Kirchseeon, in der Parsdorfer Ortsmitte, auf der Wasserburger Landstraße in Steinhöring - die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Denn auf den Straßen merkt man den Bevölkerungszuwachs relativ deutlich. Das Gefühl vieler Verkehrsteilnehmer, dass immer mehr Autos und Lastwagen im Landkreis unterwegs sind, lässt sich anhand der Statistiken des Staatlichen Bauamtes Rosenheim und des Planungsverbandes München belegen. Das Bauamt, so erklärt Frank Ruckdäschel, der dort für den Straßenbau im Landkreis Ebersberg zuständig ist, erstellt alle fünf Jahre eine neue Verkehrsstatistik. Derzeit stammen die aktuellsten Werte allerdings bereits aus dem Jahr 2010, man arbeitet an einem neuen Zahlenwerk, das noch heuer erscheinen wird. Doch selbst wenn die ganz aktuellen Daten noch nicht vorliegen, dass sie auch dieses Mal wieder ein "allgemeines Verkehrswachstum" für den Landkreis Ebersberg belegen dürften, ist für Ruckdäschel schon jetzt so gut wie sicher.

Denn dieser Aufwärtstrend zeigte sich schon seit Jahren, und zwar für alle Straßen und für alle Fahrzeuge. So waren im Jahr 2005 auf den Bundes-, Land- und Kreisstraßen im Landkreis täglich im Schnitt insgesamt 24 462 Fahrzeuge unterwegs, fünf Jahre später waren es bereits 24 806, also rund eineinhalb Prozent mehr. Auch der Anteil der Autobesitzer unter den Landkreisbürgern steigt stetig: Laut Planungsverband gab es 2008 noch 522 Autos mit Ebersberger Kennzeichen pro 1000 Einwohner, bei der jüngsten Erhebung im vorvergangenen Jahr waren es bereits 548.

Besonders der LKW-Verkehr hat, wie hier zwischen Ebersberg und Hohenlinden, stark zugenommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Trotzdem ist der Zuwachs beim Personenverkehr vergleichsweise bescheiden - wenngleich er in absoluten Zahlen am höchsten ausfällt. Waren 2005 täglich noch etwa 22 068 Personenautos auf den Straßen des Landkreises unterwegs, waren es 2010 zwar immerhin bereits 22 278 Pkw, was aber eine Steigerung von unter einem Prozent bedeutet. An der westlichen Landkreisgrenze ist der Zuwachs im Personenverkehr am deutlichsten: So nutzten 2005 noch täglich 28 565 Pkw die Wasserburger Landstraße zwischen Vaterstetten und Neukeferloh, 28 918 waren es fünf Jahre später. Auf der Kreisstraße zwischen Baldham Dorf und Weißenfeld nahm der Pkw-Verkehr im gleichen Zeitraum sogar um mehr als fünf Prozent von 3325 auf 3504 zu, beinahe sechs Prozent Zuwachs, von 49 762 auf 52 673 Personenautos pro Tag, gab es an der Autobahn 94 kurz vor der Einmündung ins Autobahnkreuz mit der A 99.

Aus diesen Zahlen lasse sich "ein geändertes Mobilitätsverhalten" ablesen, sagt Ruckdäschel. Daraus, dass der Verkehr eben nicht an allen Stellen gleich schnell zunehme, könne man schließen, dass es im Landkreis immer mehr Pendler gebe. "Der Anteil der Leute, die in Ebersberg wohnen aber in München arbeiten, hat zugenommen." Dies belegen auch die Statistiken des Planungsverbandes. Waren es 2003 noch 28 934 Ebersberger, die zum Arbeiten in einen Nachbarlandkreis fuhren, verzeichnet die Statistik für 2013 bereits 36 384 Auspendler. Gleichzeitig steige aber wohl auch die Anzahl der Durchpendler, sagt Ruckdäschel, "die Wege in die Arbeit werden länger". Auch das scheinen die Zahlen zu bestätigen, so hat zwischen 2005 und 2010 der Personenverkehr etwa auf der B12 bei Maitenbeth, östlich der Landkreisgrenze, von 15 680 Pkw pro Tag auf 17 474, oder um elfeinhalb Prozent zugenommen. Auf der B304 zwischen Steinhöring und der Kreisstadt waren es im gleichen Zeitraum rund 15 Prozent, hier stieg die Zahl der täglichen Pkw-Fahrten von 11 034 auf 12 721.

Noch deutlich mehr zugenommen hat im gleichen Zeitraum der Schwerverkehr. Im Jahr 2005 registrierte das Straßenbauamt noch 1744 Lkw pro Tag im Landkreis Ebersberg, fünf Jahre später waren es bereits 1914 Lastwagen, immerhin eine Zunahme von beinahe zehn Prozent. An manchen Stellen ist die Steigerung sogar noch höher. So fuhren 2005 noch täglich 785 Schwerlaster auf der Staatsstraße durch die Ebersberger Innenstadt, 2010 waren es schon 956, das sind gut 22 Prozent mehr. Auf der Staatsstraße in Hohenlinden stieg die Zahl der täglichen Lkw-Fahrten im gleichen Zeitraum sogar um 23 Prozent von 178 auf 219, in Forstinning um immerhin noch 13 Prozent von 751 auf 850 Lkw pro Tag. Auch auf den Kreisstraßen nimmt der Schwerverkehr zu, so zählte man 2005 täglich 218 Lkw zwischen Weißenfeld und Parsdorf, fünf Jahre später bereits 264, also rund 21 Prozent mehr. Mit knapp elf Prozent Zunahme im gleichen Zeitraum liegt die Bundesstraße zwischen Ebersberg und Steinhöring etwas über dem Landkreisschnitt. Hier stieg der Verkehr in fünf Jahren von 814 auf 898 Lastwagen pro Tag. Sehr deutlich zugenommen hat der Lkw-Verkehr auch auf der A 94. Im Berechnungszeitraum stiegen die täglichen Lkw-Fahrten östlich von Forstinning um 22 Prozent von 2698 auf 3294. Richtung München nimmt der Lkw-Verkehr ebenfalls stark zu, auf Höhe Anzing von 3035 auf 3931 oder um 29,5 Prozent, am Autobahnkreuz von 3952 auf 5072, was ein Plus von rund 28,5 Prozent in fünf Jahren bedeutet.

Nachrüsten müssen sie aber schon, die Kläranlage bei Finsing zum Beispiel wird 2016 erweitert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zu erwarten ist, dass die Straßen im Landkreis in den kommenden Jahren noch voller werden. Denn zwar wächst auch das Netz der überregionalen Verkehrswege, aber nur sehr langsam. So gab es im Jahr 2005 im Landkreis 286 Kilometer Bundes-, Land- und Kreisstraßen, bei der bislang letzten Erhebung vor fünf Jahren waren es vier Kilometer mehr. Derzeit sind im Landkreis drei größere Straßenprojekte in der Warteschleife, die Umgehungen von Kirchseeon, jene von Parsdorf und Weißenfeld, sowie in Schwaberwegen. Wann diese aber gebaut werden können, ist angesichts der schwierigen Finanzierung und des nicht unerheblichen Widerstandes von Anwohnern, Umweltschützern und auch Grundeigentümern unklar. Schneller könnte die Grafinger Ostumfahrung entstehen, hier könnte es schon im kommenden Jahr mit dem Bau losgehen. Allerdings ist der Nutzen dieser Straße umstritten, Gegner des Projekts verweisen gerne auf die Kreisstadt, wo es, trotz der vor fünf Jahren eröffneten Umgehungsstraße, im Zentrum oft nur im Schritttempo vorangeht.

Unstrittig ist, dass auch Umgehungsstraßen natürlich den Verkehr nicht vermindern, sondern nur verlagern - die Autos stehen dann eben außerhalb der Ortschaften im Stau, täglich gut zu beobachten auf der Zornedinger Umfahrung. Dennoch ist das Straßennetz im Landkreis laut Bauamt Rosenheim ausreichend und die Mobilität im Landkreis nicht gefährdet: "Einen Verkehrskollaps wird es sicher nicht geben", sagt Ruckdäschel. Gelegentliche und vielleicht auch etwas häufigere Staus sind allerdings nicht auszuschließen. Vor allem aber merkt man den gestiegenen Verkehr an den Unterhaltskosten für die Straßen: Besonders der steigende Lkw-Verkehr mache immer öfterer Reparaturen nötig, heißt es aus dem Straßenbauamt. Einmal in jeder Legislaturperiode melden die Straßenbauämter ihren Finanzbedarf beim Freistaat an, erklärt Ruckdäschel. Für den Landkreis Ebersberg ging dieser Bedarf in der Vergangenheit stetig nach oben.

Auch unter der Erde nimmt der Verkehr zu: nämlich jener in den Wasser- und Abwasserleitungen, weiß Guido Müller, Kaufmännischer Leiter der VE München Ost. Das Kommunalunternehmen ist der größte hiesige Wasserver- und -entsorger. Es wird von 13 Gemeinden getragen, im Landkreis Ebersberg gehören Anzing, Egmating, Kirchseeon, Oberpframmern, Pliening, Poing, Vaterstetten und Zorneding dazu. Noch im Jahr 1974 gab es in dem Gebiet, für das heute das 2009 aus der Zornedinger Gruppe und dem Abwasserzweckverband München Ost fusionierte Kommunalunternehmen zuständig ist, noch 51 089 Einwohner, die in Häusern mit Kanalanschluss wohnten. Im vorvergangenen Jahr, aus dem die aktuellsten Zahlen stammen, hatte das Kommunalunternehmen bereits die Abwässer von 107 752 Einwohnern aus 13 Gemeinden zu reinigen. Während sich die Zahl der Anschlüsse in den vergangenen vier Jahrzehnten also knapp verdoppelte, hat sich die Leistung der Kläranlage sogar mehr als verzehnfacht. 1974 fielen gerade einmal 565 922 Kubikmeter Klärschlamm an, zehn Jahre später waren es bereits fünf Mal so viel, im vorvergangenen Jahr dann schließlich 6 595 956 Kubikmeter. Für das Unternehmen kann der Verkehr unter der Erde aber in den kommenden Jahren gerne noch etwas wachsen, denn derzeit werde die Kläranlage des Kommunalunternehmens ausgebaut, erklärt Müller. Bis zum kommenden Jahr soll die Erweiterung fertig sein, dann wird die Kläranlage der VE in der Lage sein, die Abwässer von 175 000 Einwohnern zu reinigen. Damit, so Müller, reagiere man auf den Bevölkerungszuwachs im Münchner Osten.

Und auch beim Trinkwasser gibt es noch Luft nach oben: Derzeit versorgt die VE München Ost sieben Gemeinden, im Landkreis sind dies Pliening, Poing, Zorneding und Teile von Vaterstetten. Im vergangenen Jahr verbrauchten die Nutzer in allen sieben Gemeinden 4,3 Millionen Kubikmeter Frischwasser, das ist zwar deutlich mehr als vier Jahrzehnte zuvor, als es gerade einmal 1,7 Millionen Kubikmeter waren, aber etwas weniger als vor zehn Jahren. Da flossen noch 4,5 Millionen Kubikmeter Frischwasser aus den Leitungen. Maximal sechs Millionen könnten die Brunnen aber liefern, so Müller, "ein Bevölkerungszuwachs und damit die Zunahme des Verbrauchs kann also bewältigt werden".

Ähnlich ist die Situation auch bei den kleineren Versorgern: "So schnell kann Ebersberg gar nicht wachsen, dass es nicht mehr reicht", sagt Uli Proske, in der Kreisstadt zuständig für die Wasserversorgung. Das Frischwasser kommt aus zwei Brunnen, diese könnten bis zu 100 Liter pro Sekunde liefern. Mehr als 50 waren aber bislang noch nie nötig. Auch der Vorratsbehälter, der die Schwankungen im Verbrauch über den Tag ausgleicht, "ist auf mehr angelegt". Insgesamt 4000 Kubikmeter passen in den Hochbehälter, die größte tägliche Fluktuation liege aber bei 2600 Kubikmeter, so Proske. Auch sein Kollege Georg Daser, zuständig für die städtische Kläranlage, sieht dem Wachstum Ebersbergs gelassen entgegen. Obwohl die Zahl der Anschlüsse in den vergangenen Jahren auf 11 500 gestiegen ist - was nicht nur am Zuzug, sondern auch am Ausbau des Kanalnetzes liegt - könnte die Anlage durchaus mehr leisten. Die Abwässer von bis zu 18 000 Häusern, so Daser, könnten von der Kläranlage gereinigt werden. Dass die Anlage wohl auch in den kommenden Jahren nicht erweitert werden muss, hat im weiteren Sinne ebenfalls mit dem Zuzug zu tun. Denn in Ebersberg gibt es laut Daser zwar immer mehr Wohnhäuser, aber auch immer weniger Betriebe. Und einige davon, besonders die Brennerei aber auch mehrere Metzgereien mit eigener Schlachtung, waren "so wasserintensiv wie ein paar hundert Einwohner".

© SZ vom 09.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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