SZ-Serie: Der Ferienreporter, Folge 3:Süßes und Saures für die Bienen

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Die Honigernte ist vorbei, gerade Nachwuchsimker vergessen jetzt, sich weiter um ihre Völker zu kümmern. Fachleute mahnen, rechtzeitig an die Zufütterung und Behandlung gegen Milben zu denken

Von Jessica Schober, Ebersberg

Ein Brot mit selbstgeschleudertem Honig ist wohl die schönste Belohnung für all die Mühen des Imkerns, die das heiße Frühjahr heuer so mit sich brachte. Doch am Honigtopf sollte man es sich nicht zu gemütlich machen: Auch nach dem Schleudern des goldenen Guts bleiben einige wichtige Aufgaben für Bienenliebhaber.

Otto Hilpoltsteiner aus Baldham, der seit 50 Jahren mit den Insekten arbeitet, sieht eine Gefahr heraufziehen. Denn in den vergangenen Jahren hat die Zahl der Hobbyimker stark zugenommen, vor sieben Jahren waren es gerade mal 32 Mitglieder im Imkerverein "Münchner Osten Haar-Vaterstetten", heute sind es mehr als 160. Einerseits freut es die Imker, dass ihr Hobby - wohl auch durch die Berichterstattung über das Bienensterben - immer beliebter geworden ist. Gleichzeitig haben sie die Sorge, das die unerfahrenen Kollegen Fehler mit weitreichenden Folgen machen. So sei die Zeit Ende Juli und Anfang August besonders wichtig zur Bienenfütterung und Milbenvermeidung. "Wenn sich neue Hobbyimker jetzt nicht auskennen und sich nur über den frisch geschleuderten Honig freuen, dann verhungert ihnen bald das Volk", sagt Hilpoltsteiner.

Jetzt nach dem Schleudern sei die Zeit, um mit der Zufütterung von Sirup und der Bekämpfung der Varroa-Milbe zu beginnen. Sonst würden die Bienenvölker geschwächt in den Winter gehen und die kalte Jahreszeit nicht überleben. Viele Neu-Imker zeigten sich davon überrascht. "Manche schauen mich mit großen Augen an und fragen, wie die Bienen denn im Sommer verhungern könnten", erzählt Hilpoltsteiner. Doch sobald man den Honig aus dem Bienenstock entnommen habe und außer Efeu und wildem Wein kaum mehr Pflanzen blühten, fänden die Tiere eben nichts mehr zu fressen. Leider sei es ja mit vielen Haustieren so, ob nun Kanarienvögel oder Kaninchen, dass die erst begeisterten Neubesitzer auf lange Sicht das Interesse verlören. "Ich mache mich jetzt bestimmt nicht beliebt", sagt Hilpoltsteiner, "aber meiner Einschätzung nach wird das Bienensterben zu 90 Prozent verursacht von den Personen, die hinterm Bienenstock stehen".

Otto Hilpoltsteiner (Mitte) aus Baldham ist inzwischen Imker im Ruhestand. Gerne erklärt der 78-Jährige aber den Jungimkern Franz Rauch (18, links) und Martin Löbert (18), wie man Bienenvölker mit Ameisensäure gegen die Varroa-Milbe behandelt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Langzeitstudie "Deutsches Bienen-Monitoring" dagegen hat 2010 die Varroamilbe (Varroa destructor) als Hauptgrund für das Schwinden vieler Bienenvölker in den Wintermonaten identifiziert. Und damit ist auch Hilpoltsteiner bei seinem zweiten Anliegen, das ihm noch wichtiger ist: Genau jetzt müsse mit der Bekämpfung der Varroa-Milbe begonnen werden. Dies könne nur gelingen, wenn alle Imker an einem Strang zögen. Der Parasit lebt nämlich auf der Biene und nutzt sie wie ein Taxi, lässt sich von Blüte zu Blüte und so von Biene zu Biene bringen. Für verantwortungsvolle Imker beginnt nach dem Schleudern deshalb die Zeit der Milbenabwehr. Zunächst muss Ameisensäure in den Stock gebracht werden, in den folgenden Monaten muss das Volk mit Thymol und im Winter, in der brutfreien Zeit, mit Oxalsäure behandelt werden. Weil nicht alle die Schutzmaßnahme anwendeten, drohe immer wieder eine sogenannte "Reinvasion" der Milbe, klagt Hilpoltsteiner. "Wenn alle Imker sich an das dreistufige Prozedere halten würden, könnten wir den ganzen Landkreis von der Varroa-Milbe befreien."

Dafür hat sogar CSU-Landrat Robert Niedergesäß, ein reger Honigkäufer, die Tierarznei subventionieren lassen. Für zugelassene 60-prozentige Ameisensäure zahlt der Landkreis die Hälfte des Preises. Ein Kilo Ameisensäure koste immerhin knapp 20 Euro, erzählt Hilpoltsteiner. Zum Auftragen der Ameisensäure empfiehlt er, ganz banal ein Schwammtuch damit zu beträufeln und die Substanz im Bienenstock verdunsten zu lassen. Ob das richtige, dauerhaft warme "Varroa-Wetter" dafür herrsche, lasse sich leicht in einem Kalender auf der Internetseite der Landesanstalt für Bienenzucht ablesen.

Die Ameisensäure wird auf Schwammtüchern in den Bienenstock gelegt, was die Varroa-Milben ziemlich ätzend finden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Jungimker Martin Löbert macht das in diesem Jahr besonders gewissenhaft. Der 18-Jährige hat mit drei Freunden im vergangenen Jahr mit dem Hobby begonnen, über den Winter haben die Landwirtssöhne eines ihrer zwei Völker verloren, "vermutlich an die Milbe", wie Löbert sagt. "Wir sind bloß Laienimker, aber wir haben aus unseren Fehlern gelernt. Dieses Jahr wollen wir viel intensiver mit Ameisensäure behandeln", sagt der Eglhartinger. Seinem verbliebenen schwächelnden Volk im Garten brachte Imker-Experte Hilpoltsteiner dann im Frühjahr eine Wabe mit Königinnenbrutzellen vorbei. Immerhin zehn Kilo Honig konnten die vier Freunde so schleudern.

Da hat Hilpoltsteiner mit knapp zwei Tonnen Honig mehr eingefahren. Etwa 40 Kilo Honig pro Bienenstock hat der Baldhamer heuer geschleudert. Die Rekordernte vom Vorjahr konnte er nicht erreichen. Auch Peter Kippel vom Ebersberger Bienenzuchtverein resümiert, die Frühjahrsernte sei sehr gut gewesen, doch durch die lange Trockenheit "sieht es im Wald jetzt mau aus für die Bienen". Für Hilpoltsteiner, der nun in Rente noch 50 Bienenvölker pflegt und früher doppelt so viele Kästen hatte, bringt die neue Begeisterung für seine Lieblingstiere also nicht nur Freude, sondern auch Sorgen mit sich. Dass er sich nun statt des Bienensterbens ein Verschwinden der Imker herbeiwünsche, davon kann allerdings nicht die Rede sein.

Der nächste Stammtisch des Imkervereins Münchner Osten Vaterstetten-Haar findet am 14. September im Lindengarten in der Solalindenstraße 50 in Trudering statt.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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