Food-Sharing im Netz:Tauschen statt Wegwerfen

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Damit haltbare Lebensmittel nicht einfach weggeworfen werden, haben Janin Pion und Nathalie Poromka eine Online-Tauschbörse gegründet. (Foto: Christian Endt)

Zwei junge Frauen aus Steinhöring haben eine Online-Tauschbörse für Lebensmittel gegründet. Mit ihrer Facebook-Gruppe wollen sie auch ein Zeichen gegen Nahrungsmittelverschwendung setzen.

Von Katharina Behmer, Steinhöring

Ein Supermarkt im Landkreis. In den Regalen gefühlt 500 verschiedene Sorten Marmelade von zehn verschiedenen Herstellern. Gläser über Gläser. Überfluss in Reih und Glied. So zumindest erinnert sich Nathalie Porombka an ihren letzten Einkauf: "Ich finde es schade, dass wir unser Essen gar nicht mehr wertschätzen. Wir müssen uns bewusst werden, was Lebensmittel eigentlich wert sind!"

Die 24-jährige Heilerziehungspflegehelferin stellte erst vor Kurzem ihre eigene Ernährung auf "Low-Carb" um, isst also weniger Kohlenhydrate. Nur was anstellen mit all den Lebensmitteln, die nun nicht zu ihrem neuen Lebenswandel passten? Die Produkte waren ihr schlicht "zum Wegwerfen zu schade". Deshalb stellte die junge Frau eine Anfrage auf Facebook, ob sich nicht auch andere für "Foodsharing" interessieren. Das Teilen von überschüssigem Essen ist mittlerweile zu einem deutschlandweitem Trend geworden - nur im Landkreis fehlte noch eine Plattform. Zwar bieten lokale Geschäfte teilweise Produkte, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, vergünstigt an, doch auch in Privathaushalten verfallen Lebensmittel ungenutzt.

Getauscht werden alle haltbaren Lebensmittel - außer Alkohol

"Spontan", reagierte die 20-Jährige Janin Pion auf Nathalies Anliegen und gründete mit ein paar schnellen Mausklicks die Gruppe " Foodsharing LKR Ebersberg" in einem sozialen Netzwerk: "Facebook ist überall und fast jeder nutzt es. Nur schnell mal aufs Handy geschaut und schon weiß man, wo es etwas gibt." Auch ihr ist es wichtig, dass nichts verschwendet wird. Die beiden jungen Frauen kannten sich davor nicht - obwohl sie beide in Steinhöring wohnen. Nun betreuen sie das Projekt gemeinsam. Viel Arbeit mache das eigentlich nicht, sagen die beiden, die im Gegensatz zu anderen Online-Tauschbörsen für ihr Projekt keine Regeln formuliert haben. "Man muss auf den gesunden Menschenverstand vertrauen", erklärt Nathalie.

Nur Alkohol - den wollen sie in ihrer Gruppe nicht sehen. Das Alter der Abnehmer lässt sich schließlich nicht überprüfen. Und auch Alkoholiker sollten keinen Alkohol geschenkt bekommen. Trotzdem, "die Gruppe ist für alle!", betont Janin. Für alle, die sich über Essen freuen, das sonst wohl im Mülleimer landen würde. Für alle, die Essen haben, das sie gar nicht brauchen. Für alle, die bereit sind Lebensmittel zu verschenken. Denn der Grundgedanke des "sharens" ist, jemand anderem eine Freude zu machen, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Wer Geld für Lebensmittel ausgeben will, könnte ja auch "gleich einkaufen gehen."

Jetzt braucht das Projekt nur noch eines: mehr Teilnehmer

"Ohne eine Gegenleistung" bedeutet für Nathalie und Janin auch, dass jeder sich so oft beschenken lassen kann, wie er will, ohne selbst Essen in der Gruppe einstellen zu müssen: "Ziel ist nicht gerechtes Aufteilen, sondern, dass die Lebensmittel nicht weggeschmissen werden." Momentan ist die Resonanz auf die Gruppe noch überschaubar: 73 Mitglieder, fünf Essensangebote. Von einer prall gefüllten Tüte Backutensilien bis hin zu einer geöffneten Packung mit Kräuterteebeuteln. Letztere hat noch keinen Abnehmer gefunden. "Vielleicht ist die Hemmschwelle zu hoch und die Leute empfinden Scham, etwas geschenkt zu bekommen." Nathalie fallen einige Gründe für die Startschwierigkeiten ein: "Manchen ist es vielleicht auch nicht wert, wegen zwei Konservendosen extra wo hin zu fahren." Immerhin ist der Landkreis groß - die Orte weit verstreut.

Sie und Janin wünschen sich, dass mehr Menschen die Gruppe nutzen - gerne auch Flüchtlinge. "Wir hoffen auf Unterstützung aus dem Landkreis. Am Besten wären so drei Einträge am Tag". Dafür wollen sie weitere "Food-Sharer" gewinnen und ein Umdenken bewirken, was Lebensmittelverschwendung angeht. Vielleicht klingelt der ein oder andere demnächst für ein Ei nicht mehr beim Nachbarn, sondern findet es online. Quasi "Nachbarschaftshilfe 2.0", sagt Nathalie lachend. Oder der Weg führt nicht mehr direkt in den Supermarkt, sondern erst einmal in ihre Gruppe. Dort gab es vor Kurzem auch Marmelade. Zwar nur drei Sorten, dafür aber gratis, garantiert selbst gemacht und aus dem Landkreis.

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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