Standortsuche:Wohin mit der Berufsschule?

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Im Technopark an der B 304 befinden sich unter anderen die Zulassungsstelle und die Lego-Verwaltung - und vielleicht bald eine Berufsschule. (Foto: Angelika Bardehle)

Nach der Ankündigung des Landkreises München, beginnt die Suche nach einem Standort, womöglich an der Grenze zum Landkreis Ebersberg. Größe, Berufszweige und Trägerschaft sind noch völlig unklar - für Übergangsklassen gibt es hingegen bereits eine Idee

Von Stefan Galler und Iris Hilberth

München/Ebersberg - Mit seiner überraschenden Ankündigung, Bayerns Kultusministerium unterstütze eine neue Berufsschule im Münchner Osten, hat Landrat Christoph Göbel (CSU) die Parteien kalt erwischt. Während die Kommunalpolitiker im Umland noch rätseln, wo die neue Schule entstehen könnte, kristallisiert sich bereits ein Standort für Übergangsklassen heraus, in denen jugendliche Flüchtlinge fit für die Berufsschule gemacht werden sollen: ein leer stehendes Bürogebäude im Neukeferloher Technopark an der Grenze zum Landkreis Ebersberg.

Vor einer Woche hatte Göbel die Mitglieder des Kreistags mit der Nachricht geschockt, wonach es allein im Landkreis München rund tausend berufsschulpflichtige Flüchtlinge gebe. Um diese zu unterrichten, wäre der Neubau einer Schule mit 50 Klassen notwendig. Am Montag verkündete der Landrat dann im Kreistag, dass das Kultusministerium bereits Pläne für den Osten von München hege.

Darauf reagierten unter anderem Putzbrunns Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) und der frühere Ismaninger Rathauschef Michael Sedlmair (Freie Wähler) erstaunt bis ungehalten. Man habe im Vorraus nichts davon gehört, begrüße aber insgesamt die Überlegungen. Auch Göbels Ebersberger Kollege Robert Niedergesäß (CSU) ist weitestgehend blank: Wie eine Sprecherin des Ebersberger Landrats sagt, sei dieser erst am Abend vor der Kreistagssitzung von Göbel in einer kurzen Mail informiert worden. Bevor sich Niedergesäß äußere, wolle er erst mit Göbel sprechen.

Göbel zeigt Verständnis für die Reaktionen. Allerdings sei ihm keine Zeit geblieben, um die Kollegen vorzeitig ins Boot zu holen. "Das ist alles sehr frisch, die letzten Informationen kamen erst am Sonntag", so Göbel. "Ich sehe eine riesige Chance, eine neue Schule zu bekommen, deshalb habe ich das noch in die Sitzung mit reingepackt." In dieser ließ er sich durch einstimmiges Votum beauftragen, den Plan mit dem Ministerium und seinem Ebersberger Kollegen weiterzuentwickeln.

Das Gespräch mit Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hatte Göbel eigenen Angaben zufolge gesucht, nachdem er die Zahlen über die berufsschulpflichtigen Flüchtlinge erhalten habe. Diese hätten ihn beunruhigt. "Das werden 1300 bis 1500 sein, die in Übergangsklassen erst einmal auf die Berufsschule vorbereitet werden müssen, etwa durch Deutschkurse." Allerdings wolle das Kultusministerium ebenso wenig wie er selbst reine Integrationsschulen für Flüchtlinge. "Das wären reine Ghetto-Schulen." Deshalb sei man auf die Idee verfallen, eine "vollwertige Berufsschule" zu bauen. "Das ist kurios, weil normalerweise die Städte und Landkreise dem Freistaat wegen solcher Anliegen hinterherlaufen müssen", sagt Göbel. "Diesmal kam die Initiative vom Kultusministerium."

Als Standort hat man laut Göbel den Münchner Osten im Blick. Das Einzugsgebiet solle den östlichen Landkreis München, den Landkreis Ebersberg und auch die Landeshauptstadt umfassen. Details wie die Berufszweige, die an der künftigen Schule unterrichtet werden sollen, stehen noch nicht fest. "Ich gehe von einer Zeitdimension von drei bis fünf Jahren aus, bis eine solche Schule fertiggestellt sein kann. Da haben wir noch Zeit, all diese Fragen zu beantworten", sagt Göbel.

Zunächst gelte es, Standorte für die Übergangsklassen zu finden, in denen jugendliche Flüchtlinge für die Berufsschule fit gemacht werden. Denn es sei wichtig, dass Minderjährige eine tägliche Aufgabe bekommen. "Damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen." Der CSU-Politiker hat bereits Grundstücke in östlichen Gemeinden im Auge, allerdings sieht er wenig Chancen, diese "linear zu einer echten Berufsschule zu entwickeln". Das habe vor allem infrastrukturelle Gründe: "Wenn 2000 Schüler diese Berufsschule besuchen, kommen etwa 700 mit dem Auto. Das ist keineswegs überall möglich."

Wie das Ministerium bestätigt, soll bereits vom im Herbst beginnenden Schuljahr 2016/17 an zusätzlich zur bestehenden Berufsschule München-Land in Riem ein Standort in der Gemeinde Grasbrunn eingerichtet werden, an dem zunächst Berufsintegrationsklassen untergebracht werden. Nach SZ-Informationen handelt es sich dabei um ein seit längerem leer stehendes Gebäude gegenüber der Kfz-Zulassungsstelle in Neukeferloh. Ob die Berufsschule München-Land darüber hinaus erweitert wird und ob die Landkreise München und Ebersberg einen Zweckverband zum Betrieb einer neuen Berufsschule bilden, müsste zunächst in den kommunalen Gremien geklärt werden. Die endgültige Ausbaugröße müsste laut Kultusministerium zwischen dem Sachaufwandsträger und der Schulverwaltung anhand eines realistischen Ausbauszenariums und dem konkreten Bedarf festgelegt werden. Wo die Schule dann stehen wird, ist im Ministerium kein Thema. "Die Standortentscheidung obliegt dem Sachaufwandsträger, also dem Landkreis ober einem eventuellen Zweckverband", teilt das Ministerium mit.

Im Landkreis Ebersberg hatte die SPD 2013 einen Antrag für eine eigene Berufsschule gestellt. Landrat Niedergesäß hatte damals skeptisch reagiert: "Eine Berufsschule wäre wünschenswert, aber die Voraussetzungen sind ungünstig." Die berufliche Bildung spiele zwar eine "wichtige Rolle", sagte Niedergesäß damals, der Antrag passe grundsätzlich gut in die geplante Bildungsregion. Die Zahlen potenzieller Berufsschüler gingen vor drei Jahren allerdings zurück. In der Region gibt es 45 klassische Berufsschulen, davon 36 in München, neun weitere in den Landkreisen Erding, Rosenheim, Mühldorf, Dachau und Freising. In München-Riem werden angehende Landwirte, Pferdewirte und Hauswirtschafterinnen unterrichtet.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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