Stadtführung:Zeitreise durch Ebersberg

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Thomas Warg führt zum ersten Mal zu historisch bedeutsamen Häusern in der Kreisstadt. Dabei wird klar - nicht alles, was schützenswert ist, kann auch erhalten werden

Von Anna Horst

Es ist ein eiskalter Novembernachmittag. Vernünftige Menschen kuscheln sich bei solchen Temperaturen mit einer Tasse heißen Tee aufs Sofa und beginnen einen Serienmarathon. Nicht so die mehr als zehn tapferen Pioniere, die sich aufmachen, um bei der ersten Stadtführung mit dem Titel "Ebersberg unter Denkmalschutz" dabei zu sein. Mit Thomas Warg haben sie einen erfahrenen Stadtführer an ihrer Seite, der ihnen den Ort aus einer neuen Perspektive zeigt.

"Beim Buckl", Semptstraße 16. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Treffpunkt ist die Geschäftsstelle des Kreisbildungswerks an der Pfarrer-Bauer-Straße - nicht nur die erste Station des Rundgangs, sondern Ursprungsort der Idee für die neue Stadtführung. Jennifer Becker, die Geschäftsführerin des Kreisbildungswerks, erzählt: "Es sollte mal etwas Neues sein, und da unser eigenes Gebäude ja auch unter Denkmalschutz steht, war das eine super Möglichkeit das KBW mit einzubinden." Das Gebäude wurde im Jahr 1912 errichtet und diente zuerst als Schwesternwohnheim, später dann als Kinderbewahranstalt, ein Vorläufer der Kindergärten. Neben dem KBW ist heute noch eine Kita in dem Gebäude untergebracht.

"Sarreiterhaus", Sieghartstraße 14. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gleich zu Beginn der Führung stellt Warg klar: "Häuser unter Denkmalschutz müssen weder schön, noch gepflegt, noch gut erhalten sein." Wobei die Wandergruppe auf ihrem Weg dann aber bei so manchem Bauwerk vorbei kommt, das denkmalgeschützt ist und auch noch gut aussieht, so wie das ehemalige "Armenhaus" in der Lehrer-Schwab-Gasse 6 oder das "Sarreiterhaus" in der Sieghartgasse 14.

Generell werde erst einmal alles geschützt, was erhaltenswürdig ist, erklärt Warg. Doch ausgerechnet ein ziemlich original aussehendes Haus in der Sieghartstraße, vor dem die Truppe stehen bleibt, steht nicht unter Schutz, wie er verkündet. In der Gruppe ist verwundertes Gemurmel zu hören, schließlich kann man das taubenblaue Gebäude, an dessen Erker in Altdeutscher Schrift "Metzgerei" zu lesen ist, mit Recht zu den Schönsten in ganz Ebersberg zählen. Aber Warg erklärt: "In den fünfziger Jahren wurde ein großes Schaufenster zur Straße hin eingebaut. Das bedeutet, dass es offiziell schon nicht mehr möglich ist, das Haus in seinem originalen Zustand zu erhalten."

"Beim Türk", Richardisweg 4. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Denkmalschutzgesetz von 1973 schreibt vor: Wenn ein Gebäude dieses Siegel trägt, darf daran nichts mehr gravierend verändert werden. Dennoch ist der Eigentümer gesetzlich zum Erhalt verpflichtet. Allerdings muss er sämtliche Ausbesserungsarbeiten genauestens mit der Denkmalschutzbehörde absprechen, und es dürfen dafür nur historische Materialien verwendet werden. Für viele ist das ein zeitlicher und finanzieller Aufwand, den sie nicht leisten können, und der sich nicht lohnt - in der Folge verfällt das Denkmal.

"Armenhaus", Lehrer-Schwab-Gasse 6. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dieses Schicksal hat auch einen ehemaligen Bauerhof in der Eberhardstraße ereilt, der besonders an der straßenabgewandten Seite durch eine schöne Holzverkleidung und zahlreiche Verzierungen an der Außenwand besticht. "Die Menschen waren ja früher viel kleiner als wir. Logischerweise sind deshalb auch die alten Decken niedriger", sagt der Stadtführer. Deshalb biete sich keine Nutzung des alten Bauernhofes an, ein Umbau wäre kompliziert und kostspielig. Auch die Denkmalschutzbehörde kann gegen den Verfall des Hauses nichts machen. Den Eigentümer zur Sanierung zu zwingen, ist nur möglich, wenn akute Gefahr besteht, zum Beispiel durch herunterfallende Dachziegel.

Im Haus des KBW, vor dem sich die Teilnehmer treffen, war früher eine Kinderbewahranstalt untergebracht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Glücklicherweise gibt es aber auch einige glänzende Gegenbeispiele in Ebersberg. Das alte Kloster etwa oder der gesamte Marienplatz, dessen Gebäude samt Mariensäule unter Ensembleschutz stehen. Das Rathaus bot seit 1540 Platz für die Hoftaverne. Jetzt drängeln sich dort an heißen Tagen Gott und die Welt um die italienische Eistheke. Wo heute ein Restaurant und ein Schreibwarengeschäft untergebracht sind, gingen früher Kinder zur Schule und die Erwachsenen zum Bäcker. Als Warg schließlich einige alte Aufnahmen vom Anfang des 20. Jahrhunderts herumreicht, wird deutlich: Hier hat sich rein äußerlich im Grunde nichts verändert.

Zum Ende der Führung sind zwar die Füße sämtlicher Teilnehmer eingefroren, aber dem Charme der alten Gemäuer Ebersbergs ist trotz der unwirtlichen Temperaturen jeder Einzelne erlegen. Als sich die Gruppe schließlich in der bereits dunklen Klosterkirche versammelt, und ein Mitarbeiter fragt: "Wollen Sie Licht?", sind alle von der geheimnisvollen Atmosphäre so sehr gefangen, dass die klare Antwort lautet: "Nee, war doch eigentlich ganz cool so!"

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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