Stadtbibliothek Freising:Im Stil sozialistischer Propaganda

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Streit um die Wand an der Stadtbibliothek: Landschaftsarchitektin Anita Fischer findet den Vorschlag zur Bemalung "geschmacklos". Auch von anderen kommt Kritik.

S. Dannoura

"Ich habe lange überlegt, ob ich was sagen soll. Aber es hat in mir gebrodelt." Und Anita Fischer, die beim Neubau der Stadtbibliothek Freising für die Landschaftsarchitektur zuständig war, spricht Klartext. Als "Wandzeitung im Stile sozialistischer Propaganda" verspottet sie das Gemälde, das der Münchner Verein "Kultklecks" für die Betonmauer zwischen dem Anwesen Lindinger und dem Büchereihof vorgeschlagen hat. Herausragende Vertreter der deutschen Literatur, umrahmt von einer Familie, sollen in realistisch-naiver Manier abgebildet werden. Nicht nur Anita Fischer missfällt diese "Verschönerungsaktion".

Die blanke Mauer an der Freisinger Stadtbibliothek soll optisch ansprechender gestaltet werden. Das vorgeschlagene Wandgemälde mit den Konterfeis von Goethe, Schiller und Mann empfindet Landschaftsarchitektin Anita Fischer als "geschmacklos". (Foto: Marco Einfeldt)

Im November war das Projekt "Freisinger Leselust" dem Kulturausschuss des Stadtrats vorgestellt und grundsätzlich begrüßt worden. Allerdings gab es Kritik an dem Heile-Welt-Bild, das Vereinsvertreterin Bianca Nandzik vorgeschlagen hatte. Diskutiert wurde außerdem darüber, ob nicht gerade eine Wandbemalung zu unerwünschten Schmierereien anregen würde. Die Stadträte gaben Nandzik schließlich den Auftrag, noch Alternativen zu der konventionellen Darstellung zu unterbreiten.

Anita Fischer geht es nicht nur um das aus ihrer Sicht "geschmacklose" Bild, wobei sie in einem Brief an die Stadt ihre Assoziationen zur sozialistischem Propaganda darlegt: "Mit ein wenig Phantasie tauscht das Auge die Köpfe von Goethe, Schiller und Mann durch Marx, Lenin, Stalin... und man erhält ein Heile-Welt-Propagandabild erster Güte." Die Landschaftsplanerin insistiert: In Freising sei im Zuge der Innenstadtkonzeption vorgesehen, das Stadtbild "zu entmüllen".

Auch ein optisch ansprechendes Zentrum müsse eine derartige Gestaltung nicht aushalten, findet Fischer. Gerade dieses benötige ruhige Rückzugsorte wie den Innenhof der Bücherei. Die knallbunte Wandzeitung empfindet die Landschaftsarchitektin als "Halligalli". Vorstellbar hält sie eine Begrünung der Betonmauer. Die Stadtverwaltung hatte im Kulturausschuss berichtet, es sei ursprünglich ein Spalier mit Rankpflanzen geplant gewesen. Fischer begrüßt dies als schöne Ergänzung zu der Pflanzfläche im Innenhof.

Die Stadträte können bei der Gestaltung der Wand als Teil des öffentlichen Innenhofs zwar mitreden: Eigentümerin ist aber die Familie Lindinger. Und diese ist mit einer Bemalung "grundsätzlich einverstanden, sofern die Stadt diese genehmigt", sagt Elisabeth Lindinger. Sie kennt das vorgeschlagene Bild. Gefällt es ihr? "Ich muss es mir nicht anschauen, wir stellen nur die Fläche zur Verfügung", sagt sie.

Lindingers Architekt, Kai Krömer vom Freisinger Büro A 2, hat nur zufällig von dem geplanten Gemälde erfahren. "Wir sind überhaupt nicht gefragt worden", sagt Krömer. Und er stellt richtig: Eine Begrünung sei nicht vorgesehen: "Wir wollen eine Gliederung der Wand mit Holzlatten, das wurde offenbar als Rankgerüst aufgefasst."

Der Architekt ist von dem Projekt "Freisinger Leselust" alles andere als begeistert: "Ich kann mir dieses Bild da nicht vorstellen, das ist schon sehr plakativ."Außerdem befürchtet Krömer, dass eine Bemalung erst zu Schmierereien einladen werde. Oberbürgermeister Dieter Thalhammer (SPD), der am Montag im Hauptausschuss den Brief von Anita Fischer verlas, kündigte an, die Einwände mit der Eigentümerin zu besprechen und auch den Architekten zu hören.

© SZ vom 16.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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