Sport im Ort:In schwindelnder Höhe

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Spagat in den Strapaten: Die 13-jährige Maja Kachel turnt mit dicken Bändern durch die Luft. (Foto: Renate Schmidt)

Maja Kachel aus Landsham beeindruckt in der Luftakrobatik

Von Yvonne Münzberg, Erding/Landsham

"Das ist wirklich bequem!", ruft Maja von oben und grinst. Wie schwerelos hängt die 13-Jährige in knapp vier Metern Höhe, die langen braunen Haare zu einem Zopf geflochten, die Beine um schwarze Strapaten geschlungen. Strapaten, das sind dicke Bänder, teilweise mit Laschen versehen, die dicht unter der Decke befestigt sind. Man muss als Zuschauer den Kopf in den Nacken legen, um ihr beim Turnen zusehen zu können.

Luftakrobatik ist Maja Kachels Leidenschaft. Die Landshamerin trainiert im Verein Circus Imago, der aus einer Arbeitsgemeinschaft der Montessori-Schule in Erding entstand. Sie denkt zurück: "Schon in der ersten Klasse habe ich nach dem Unterricht immer die Akrobaten beobachtet und mir gedacht: Das will ich unbedingt machen." Inzwischen trainiert Maja seit knapp sechs Jahren - mit Erfolg. Gemeinsam mit ihrer elfjährigen Partnerin Emma Handt gewann sie bei einem Nachwuchswettbewerb des Münchner GOP-Theaters. Die beiden Mädchen durften daraufhin im vergangenen Herbst bei einer Showpremiere als Gäste auftreten. Das war Majas Glück: Durch den Auftritt wurde der bekannte Circus Krone auf sie aufmerksam. Bei einer Gala im Februar präsentierten Emma und sie dort erneut ihre Shownummer. "Ich wollte früher immer im Circus Krone auftreten", erzählt Majas Vater, Robert Kachel. Für ihn also eine Sensation, dass seine Tochter diesen Traum vollenden konnte. Majas Eltern sind begeistert davon, wie sich ihre Tochter entwickelt hat. "Wir begleiten sie auf ihrem Weg, damit sie sich entfalten kann", sagt Mutter Sabine Kachel. Auf keinen Fall würde man sie irgendwo hindrängen wollen. Die Eltern sind überzeugt: "Sie macht das nicht, um zu gewinnen. Sie macht es, weil es ihre große Freude ist."

Die Freude merkt man der Landshamerin an. Wenn es ans Training geht, bringt sie selbstständig die schweren Strapaten an, schiebt die große Matte darunter. Einmal in der Luft, schwingt sie herum, vollführt einen Spagat und andere akrobatische Spielereien, als wäre es nichts. Emma ist immer dabei. Die beiden passen gut zusammen. Bei einer Sportart wie der Zirkusakrobatik muss man sich aufeinander verlassen, sich vertrauen können. Wenn oben in der Luft einmal etwas schief läuft, ist der Fall buchstäblich tief. Deswegen ist auch der Verein für Maja so wichtig. "Hier kümmern wir uns umeinander, bringen dem anderen neue Übungen bei", schildert die 13-Jährige das wöchentliche Training. Im Zirkus gibt es eben keine Einzelkämpfer. "Eigentlich", sagt Maja, "sind wir eine riesige Familie." Geleitet wird diese "Familie" von den Zirkusartisten und Pädagogen Janina Seidel und Dominik Jobst. Die beiden setzen sich dafür ein, dass die Turnerinnen und Turner ihrer Leidenschaft nachgehen können. "Für die Kinder ist das ihr Verein, sie identifizieren sich damit", erzählt Jobst stolz. Natürlich gebe es auch immer mal wieder Gegenwehr; das Training sei schließlich sehr anstrengend, die jungen Artisten stoßen dabei teilweise an ihre Grenzen. "Aber besonders nach erfolgreichen Auftritten", sagt Jobst, "bekommen wir Trainer so viel zurück."

In der Turnhalle der Erdinger Montessori-Schule gibt es viele Möglichkeiten, sich artistisch auszuprobieren. Zwei Mädchen hieven sich am Quattro-Trapez, das ebenfalls in der Luft hängt, hoch, an der Pole-Stange werden bestimmte Figuren eingeübt, in der Ecke übt ein Mädchen einen akrobatischen Tanz mit mehreren Hula-Hoop-Reifen. "Wir probieren hier alles aus", erzählt Maja. Für die Auftritte werden dann verschiedene Gruppierungen zusammengestellt. Vor Zuschauern zu turnen, genießt Maja voll und ganz. "Sie hat keine Angst vor dem Publikum", erzählt ihr Vater. "Sie lebt die Rolle", sagt die Mutter.

Im aktuellen Programm, das sie auch im Circus Krone aufführten, stellen Maja und Emma das Kindermädchen Mary Poppins und ihren Zögling Jane dar. Die Nummer zu konzipieren, war aber nicht nur eine akrobatische Herausforderung für die Mädchen. Mit Hilfe der Eltern wurde viel überlegt, viel getüftelt, um am Ende die Strapaten so zu konstruieren, dass die Artistinnen sich problemlos drehen konnten. Außerdem musste ein bis zu zwanzigfacher Sicherheitsfaktor eingerechnet werden. Die Bänder können also knapp zwei Tonnen Gewicht halten. Immens mehr, als Maja und Emma wiegen. Doch das ist lebensnotwendig. Die Mädchen vollführen ihre artistischen Tricks ohne Netz und Absicherung.

Die Inszenierung selbst wäre ohne den Rückhalt der gesamten Truppe und ohne die Trainer nicht möglich gewesen. Besonders Seidel hat geholfen, Schauspiel und Artistik zu kombinieren. "Janina schafft es immer wieder, die Inszenierungen poetisch zu machen, das Schauspiel miteinzubringen", schwärmen Majas Eltern. Kein Wunder also, dass Maja später gerne Artistin oder Schauspielerin werden will. Die Bühne, ob nun auf Brettern oder in schwindelnder Höhe, ist ihre Welt.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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