Ebersberg:Die Sieghartsburg wird wachgeküsst

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Seitdem die Stadt den Alten Speicher nutzt, schien die Zukunft der Sieghartsburg ungewiss. Jetzt gibt es einen Pächter, der dem Saal neues Leben einhaucht.

Von Viktoria Spinrad, Ebersberg

Vorsichtig schleicht ein Pärchen Mitte 60 hinein, lässt die Blicke umherwandern, viele gemeinsame Tanzabende Revue passieren. "Wir sind aus Nostalgie hier", flüstert die Frau, mittellange blonde Haare, schwarzer Mantel, der Saal war einmal ihre Heimat, zwölf Jahre lang. "Das ist jetzt zwar nicht luxussaniert, aber mit vorher kann man es auch nicht vergleichen", resümiert sie, die seitdem anderswo tanzt, mit Blick über das mehrfach geschliffene Eichenparkett aus den 1960er Jahren, die geweißelten Wände, die mittlerweile schalldichten Fenster aus Panzerglas.

Während sie in der Vergangenheit schwelgt, erklärt Gerardo Padula ihrem Mann die Veränderungen im Saal, in den bisher 150 000 Euro investiert wurden seien. Es ist seine zweite Spontan-Führung durch die neu eröffnete "Siegharthalle" in Ebersberg an diesem Tag, in der bereits eine Hochzeit und eine Trauerfeier stattgefunden haben. Der 61-Jährige neue Pächter der Halle und Betreiber des anliegenden Restaurants, hellblaues Hemd, weiche, freundliche Gesichtszüge steht vor allem aus einer gesunden Portion optimistischem Unternehmertum hier. "Man muss auch mal etwas riskieren", hatte er zuvor bei seiner ersten Spontan-Führung in seinem wunderbaren italienischen Singsang erklärt.

Mut muss man dem neuen Betreiber der alten Wirkungsstätte der Stadt zugestehen, war die Halle nach Jahrzehnten von Faschingsbällen, Jugend-Discos, Tanzturnieren und quer fliegenden Bögen am Ende in wahrlich keinem guten Zustand. "Es musste umgedacht werden - Gott sei Dank!" schrieb ein erleichterter Ebersberger Bürgermeister Walter Brilmayer 2014 im Stadtmagazin, als man kurz davor stand, endlich in die lang ersehnte eigene Stätte nutzen zu können: den Alten Speicher. Damit zogen auch die Vereine aus der Siegburg aus, suchten sich neue Stätten. In den vergangenen Jahren sah der Saal keine der Konzerte und Festlichkeiten mehr, die junge und alte Ebersberger stets auf die 300 Quadratmeter große Fläche an der Sieghartstraße gezogen hatte.

Jetzt steht der selbsternannte Wiederbeleber im Saal und pickt mit dem Zeigefinger in den Schaumstoff der renovierten Holzstühle, die früher mal mit Stroh gefüttert waren. "Den hab ich selber schneiden lassen", berichtet Padula, genau wie das Hellgrau des Leders, das sich in den meterlangen Vorhängen an der Fensterfront wiederfindet, die braunen Samtvorhänge aus den 1980ern sind verschwunden.

Die Sieghartsburg diente bereits als Tanzboden. (Foto: Christian Endt)

Die Toiletten stanken bis zum Himmel

"Schaut nicht schlecht aus, oder?" fragt er mit einem Grinsen und schiebt hinterher: "Man muss sich nur zu helfen wissen." An der hohen Decke baumeln zwei ehemals schwarze und mittlerweile geweißelte Kronenleuchter, "das hat meine Tochter gemacht", erklärt Padula, und überhaupt scheint es, als sei die ganze Familie aus Designern und Malermeistern und Gastronomen an diesem Großprojekt beteiligt gewesen. "Wir sind es gewohnt, zu improvisieren", sagt Padula, es klingt sehr italienisch.

Nun erstrahlt die Sieghartsburg als Veranstaltungssaal in neuem Glanz. (Foto: Privat)

Tatsächlich gleichen viele der Arbeiten in dem Saal, der in den 1930er Jahren gebaut und zuletzt in den 1960er Jahren erweitert wurde, einer Komplettrenovierung. Neue Leitungen wurden verlegt, der Eingangsbereich mit einem hellgrauen Steinboden gefliest, die Lüftung ist neu. Auf den Treppen hinunter zu den Toiletten lugen noch die alten schwarz-weißen Fliesen hervor, die müsse man eben noch verputzen.

Hier unten stank es aus den sogenannten Sanitäranlagen in Schulklo-Manier bis zum Himmel, heute stehen hier präsentable Toiletten, von denen es blumig daherwabert. Ansonsten: Neuer Blitzschutz, feuerfeste Vorhänge, die alte Umkleidekabine rechts der Bühne ist jetzt eine Behindertentoilette, die links der Bühne ein kleiner Frischekühlraum, "um die Küche bei Veranstaltungen zu entlasten."

Wie er darauf gekommen sei, sich der alten Halle anzunehmen? An der Spitze einer der langen Banketttische ("die neuen sind noch nicht bestellt") beginnt er zu gestikulieren. "In München mussten wir den Leuten ständig absagen", erklärt er zu seinem Restaurant in der Landeshauptstadt, in das eben keine 350 Leute reinpassen. Dabei gebe es doch so viele Anfragen von Reisebüros, vor allem für italienische Reisegruppen. Er schaut zur Seite, zuckt mit den Schulter, er weiß wohl, auf was für ein Mammutprojekt er sich da eingelassen hat. Dann berichtet er von Anfragen für Firmen-Weihnachtsfeiern, für nächstes Jahr seien bereits drei italienische Hochzeiten geplant, "und wir haben noch gar keine Werbung geschaltet", so Padula.

Ein Pizzaofen für 20.000 Euro

Der Gesamteindruck ist vor allem: schlicht. "So können wir je nach Anlass mit anderen Farbkonzepten kommen", sagt Martin Otter, einer der Besitzer der Immobilie. Dass Padula neben dem Restaurant auch den Saal gepachtet hat, sieht er als ideale Lösung: "So sind Saal und Catering gleich in einer Hand." Den Vorteil sieht auch Padula. Er steht vor dem Durchgangsbereich zur Restaurantküche und malt Kreise in die Luft.

"Da kommt die Hitze von überall", erklärt er den neuen Pizzaofen, den er für 20 000 Euro bestellt habe, und denkt laut über ein wöchentliches Pizzaabendbuffet nach. Überhaupt sprüht er vor Ideen, eine Glas-Schiebetür, ein Wintergarten auf der Terrasse, eine mobile Bar, bemalte Trennwände, deren eher schlichte Vorreiter noch etwas verloren in der Halle stehen. Zu dem Mann, der jahrelange Erfahrung mit Großveranstaltungen habe, sagt Otter: "Er ist Profi. Er hat das drauf." Ob er erleichtert sei, einen neuen Pächter gefunden zu haben? "Natürlich. Wieder eine Baustelle weniger."

Und eine mehr für den geschäftstüchtigen Italiener, der jetzt vor einem der fünf hohen Olivenbäume an der Fensterseite steht. Woher die kommen? "Von meinem Gut in Süditalien", sagt er, "ich mag das mediterrane Flair." Dann legt er die Hand in die Hüfte und zeigt wieder dieses zuversichtliche, leicht verschmitzte Lächeln. Jetzt, im Herbst werden seine Olivenbäume noch von der Sonne angestrahlt, "im Winter installieren wir dann spezielle LED-Lampen", so Padula. Toskanisches Flair, wo man früher wählte, tanzte, sich auf Bürgerversammlungen aufregte - etwas Sentimentalität und Nostalgie begleiten also auch den Erwecker des alten Saals, der nun in neuem Gewand weiter unzählige Geschichten hütet.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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