Serie "A Ruah Is", Folge 1:Pause mit Panorama

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In einer Serie stellt die SZ während der Adventszeit ruhige Orte und besinnliche Veranstaltungen im Landkreis vor. Zum Auftakt geht es auf den Ebersberger Aussichtsturm

Von Jan Schwenkenbecher, Ebersberg

Dass die Adventszeit ursprünglich mal eine Fastenzeit war, ist angesichts zahlreicher mit Orangen, Plätzchen und Lebkuchen gut gedeckter Tische kaum vorstellbar. Doch genau wie das Verständnis des Advents hat sich das Fasten geändert - es muss nicht immer kulinarischer Verzicht sein. Digitales Fasten etwa - kein Smartphone, kein Notebook - löst immer häufiger den analogen Verzicht von Speisen ab. Sich dem Stress der Maschinen, der ständigen Erreichbarkeit entziehen - mal abschalten. Oft helfen statt einer wochenlangen Elektronik-Abstinenz aber auch schon kurze Verschnaufpausen im Alltag. Zum Beispiel in der Natur, mit Ruhe, etwas Sport und einer wunderschönen Aussicht. Zum Auftakt der Serie geht es zum und auf den Ebersberger Aussichtsturm. Der Weg in die kleine Auszeit beginnt gleich hinter dem Klostersee links. Nach einem ersten etwa 50 Meter langen knackigen Anstieg biegt man kurz rechts ab und steht mitten im Feld. Von hier aus ist der Aussichtsturm bereits ausgeschildert. Das ist allerdings gar nicht mehr nötig, denn sobald die letzte Häuserreihe im Rücken und das offene Feld vor einem liegt, erspäht man weit entfernt schon das Ausflugsziel, den Turm. Jetzt heißt es immer der Nase nach.

Leicht ansteigend führt der asphaltierte Weg neben einem Feld entlang, beidseitig gesäumt von den alten Linden der Heldenallee. An jedem Baum hängt eine Gedenktafel, die an einen ehemaligen Ebersberger Soldaten erinnert, der im Ersten Weltkrieg gefallen ist. Die nächste halbe Stunde - so lange dauert der Weg zum Turm etwa - können sich Spaziergänger nun besinnen, wie sie ihren 30. Geburtstag gefeiert haben oder feiern wollen, von den Soldaten haben nur wenige dieses Alter erreicht. Oder man kann sich fragen, ob der Name "Heldenallee" richtig gewählt ist für eine Straße, die an Menschen erinnert, die der sinnfreien Willkür einiger weniger zum Opfer fielen.

Ist nach etwa einem Kilometer das Gasthaus Ebersberger Alm erreicht, ist das Ziel schon sehr nahe. Hinter dem Wirtshaus geht es rechts vorbei, der Asphalt wird zu laubbedecktem Schotter und der Weg steigt nochmals steil an. Kurz vor dem Turm bietet sich eine gute Gelegenheit, Kräfte für den finalen Aufstieg zu sammeln: Eine Parkbank mit dem vielleicht schönsten Ausblick des Landkreises.

Dann wird es hart, 168 Stufen verbinden Boden und Turmspitze. Zwei Zwischenplattformen erleichtern allerdings den Aufstieg. Sind die 35 Meter in die Höhe schließlich bewältigt, verzeiht die Aussicht jeden zurückgelegten Meter. Im Norden bietet sich ein herrlicher Blick über den Ebersberger Forst - und weit darüber hinaus. Scheint die Sonne, ist sogar der Flughafen zu sehen. Für die perfekte Weitsicht steht aber auch ein Fernglas bereit. Im Westen schneiden allerdings hohe Baumkronen die Sicht schon nach 50 Metern ab. Dafür sieht man im Osten umso weiter. Doch das definitiv schönste Landschaftsbild zeichnet sich im Süden ab. Neben der Genugtuung, den zuvor marschierten Weg Meter für Meter mit dem Auge nachfahren zu können, eröffnet sich eine ungestörte Sicht auf Ebersberg. Lässt man den Blick über Felder, Häuser und Kirchturmspitze schweifen, bietet sich hinter der Kreisstadt ein atemberaubendes Alpenpanorama mit zu dieser Jahreszeit schneebedeckten Gipfeln. Auf kleinen stählernen Anzeigetafeln stehen die Namen von 144 Bergen, die mit dem bloßen Auge am Horizont zu erkennen sind, samt Höhe und Entfernung.

Die Geräusche der Straße sind zwar hochdroben noch zu hören. Doch das sonore Summen gepaart mit dem Wind, der durch die Äste der Bäume rauscht, lädt ein, den Gedanken ein paar Minuten freien Lauf zu lassen.

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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