Schwarzer Humor:Gottes Entschuldigung

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Roland Penzinger und Richard Blöchl, alias Kurt und Richie, versuchen im Wald von ihren Exfrauen loszukommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das österreichische Kabarettisten Duo BlöZinger stellt im Alten Kino die Beziehungsfrage

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Jeder von ihnen hat eine rote Clownsnase im Gesicht, als sie die Bühne im Alten Kino entern. Der eine, Robert Blöchl, sucht ganz offensichtlich nach seiner Katze. Die gibt es natürlich nicht, schließlich sind Blöchl und Penzinger, die gemeinsam als Duo BlöZinger auftreten, nicht nur Meister der Clownerie sondern auch der Pantomime. So ist die Bühnenausstattung minimalistisch, als Requisite reichen ein paar Stühle, die wahlweise als Auto, Wartebank, Zugabteil - oder Fruchtblase herhalten müssen. Ein bisschen Musik, bei Bedarf unauffällig mit einem Fuß aktiviert, gedämpftes Licht. Mehr Effekte brauchen die beiden Österreicher nicht für ihre "Vorzüglichen Betrachtungen", die sich vorzugsweise den Widrigkeiten verwandtschaftlicher Beziehungen widmen. Und in einem Nebensatz, noch in der Fruchtblase formuliert, dem später im Geburtskanal verloren gegangenen Zwilling gegenüber, finden diese Beziehungen ihre Quintessenz: "Freunde sind Gottes Entschuldigung für die Familie."

Also zurück zur Katze. Der eine sucht, der andere hat schwere Kopfhörer auf den Ohren und einen Staubsauger in der Hand. Wer Ludwig Hirschs "Geburtstagsgeschenk" noch im Kopf hat und sich erinnert, wie fatal die Sache für den Verschickten im Packerl ausgeht, der weiß auch, dass diese Szene für die Katze kein gutes Ende nehmen wird. Die beiden Wahlwiener Robert Blöchl und Roland Penzinger huldigen dem schwarzen Humor von ganzem Herzen und reihen sich damit in die lange Reihe österreichischer Liedermacher, Schauspieler und Kabarettisten, von Hirsch, Ambros, Fendrich, Danzer bis hin zu Goisern, STS oder Cornelius. Nur das mit dem Singen lassen sie zumal in diesem Programm meist bleiben - sie lassen singen. Als die Katze also schon im Rohr des Saugers ihren letzten Schrei tut, nimmt Penzinger die imaginären Hörer ab, und Puccinis berühmte Arie "Nessun dorma!" erklingt. "Vincero" singt der Prinz Kalaf in der Oper Turandot, "ich werde siegen".

Siegreich ist sonst in diesem Theater niemand. Das Duo, das seit 2004 miteinander auftritt und unter anderem mit dem Österreichischen Kabarettpreis 2013 und 2017, sowie dem Deutschen Kleinkunstpreis 2019 ausgezeichnet worden ist, schickt gern kleine Leute auf die Bühne, Alltagstypen mit Versagerbiografie, so wie "Richie" Richard Vogel, den Versicherungsmakler, der immer schon nach zwei Wochen Beziehung am Stockholm-Syndrom leidet und acht Freundinnen verschliss, bis er es geschafft hat, die Herr-der-Ringe-Trilogie durchzuschauen. Selbst den beiden Zwergen, denen Richie und sein Freund Kurt im Wald begegnen, versucht er noch eine Lebensversicherung anzudrehen, natürlich vergeblich. Seine Freundin machte per Facebook mit ihm Schluss, während sie neben ihm auf dem Sofa saß, und so geht es ihm auch nicht besser als dem Gefährten Kurt. Der laboriert an der Trennung von seiner Johanna, mit der es ein Jahr gut lief und elf ein "langsames Abschiednehmen" waren. Dass er sich währenddessen an einer im Suff Bewusstlosen vergangenen hat, gehört zu den manchmal etwas ekligen Abgründen, die bei BlöZinger ganz beiläufig daher kommen.

So ist Altenheimbewohner Franzi, der alle Klischees eines verbitterten Alten erfüllt - und von seinem dumm gekifften Pfleger "Frenzi" betitelt wird - eben jener Zwilling, der seinem Bruder im Mutterleib angedroht hatte, ihn mit der Nabelschnur zu erwürgen. Folgerichtig bleibt dem Misanthropen, überzeugend gemimt von Robert Blöchl, als einziger Freund der Tod. Ein etwas linkischer Geselle, der sich freut, endlich einen Menschen gefunden zu haben, der nicht schreiend vor ihm weg läuft, der keine Witze erzählen kann, aber kichernd von seinen lustigsten Todesfällen berichtet. Dann ist da das ungleiche Brüderpaar Simon und Jakob, weit gereist und selbstbewusst der eine, erfolglos und ein bisserl arm der andere. Gemeinsam mit der vom Tourette-Syndrom gebeutelten Tante Trudi und ihrem indischen Lachyoga-Guru Shanti bringen sie in Jakobs altem Fiat die Asche des Vaters zu ihrer letzten Ruhestätte. Klar, dass Trudis Gebiss beim Niesen in die Platzerldose fällt, in der die Asche transportiert wird, dass dem Auto, das nur von unzähligen Kaugummis zusammen gehalten wird, unten die Achse bricht, während oben im Auto der antike Rekorder das Band aus Jakobs Lieblingskassette zieht. Die beiden in Linz geborenen Schauspieler, die sich bei den CliniClowns in ihrer Heimatstadt kennen gelernt haben, schlüpfen in ihrem achten Programm, das ein "Best of" der Vorgängerprogramme ist, so mühelos von einer Rolle in die andere, dass an den Zuschauern manchmal die eine oder andere bissige Pointe vorbeischrammt, weil die noch Mühe haben, sich zu sortieren. Doch was ankommt, reicht aus, das Publikum im Alten Kino Ebersberg heftig zu begeistern und ihm eines klar zu machen: "Das Leben ist eine einzige Aneinanderreihung von Tagen, die man sich anders vorgestellt hat."

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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