Schlägerei am Bahnhof:Im Labyrinth der Aussagen

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Amtsgericht verurteilt zwei Männer wegen Körperverletzung

Von Amelie Hörger, Ebersberg

Fortsetzungen, das kennt man aus Literatur und Film, bringen nicht immer viel Neues. Dies gilt manchmal auch für Gerichtsverfahren, in Ebersberg wurde nun ein Prozess um eine Schlägerei am Bahnhof fortgesetzt - bei der vieles beim Alten blieb. Mit ebenso versteinerten Mienen wie vor einigen Wochen saßen die beiden Angeklagten auf ihren Stühlen, sogar die Klamotten der beiden Rosenheimer waren identisch. Und noch ein Aspekt blieb wie gehabt: Der Tathergang erwies sich weiterhin als unklar.

Laut Anklageschrift sollen die Angeklagten vor zirka einem Jahr alkoholisiert am Ebersberger Bahnhof drei junge Afghanen beleidigt und attackiert haben. Doch vor Gericht widersprachen sich die Geschädigten deutlich in ihren Aussagen. Einer der Zeugen sagte aus, beide Rosenheimer hätten Tritte und Schläge ausgeteilt, die anderen äußerten sich nur bezüglich eines Angreifers. Die Angeklagten im Alter von 34 und 28 Jahren machten während des gesamten Verfahrens keine Aussage.

Mehr Aufklärung versprach sich das Gericht nun von den Aussagen dreier Polizeibeamter, die entweder Aussagen der Betroffenen aufgenommen oder vor Ort eingegriffen hatten. Doch auch dadurch konnte der genaue Hergang der Tat nicht geklärt werden. Naturgemäß seien solche Delikte schwer aufzuklären, befand Richterin Vera Hörauf, denn meist stünde es Aussage gegen Aussage.

Grund genug, dass die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der beiden Verteidiger deutlich voneinander abwichen. Die Staatsanwaltschaft beantragte für den 34-Jährigen, welcher den Streit und die mutmaßliche Schlägerei vom Zaun gebrochen haben soll, eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Bewährung. Zu Gute hielt sie ihm, dass durch einen erhöhten Alkoholspiegel von 2,21 Promille, seine "Hemmschwelle herabgesetzt" gewesen sei, zu Lasten zu legen sei ihm jedoch eine bereits bestehende Vorstrafe, ebenfalls eine Körperverletzung. Darüber hinaus habe er sich, dies konnte durch die Zeugenaussage eines Ebersberger Polizeibeamten bestätigt werden, durch nationalsozialistische Äußerungen am Tatort strafbar gemacht. Der Mitangeklagten hatte sich nach Ansicht der Staatsanwältin ebenfalls an der Tat beteiligt, die Anklagevertreterin forderte zehn Monate auf Bewährung, sowie für beide Angeklagte eine Geldstrafe von 2000 Euro.

"Sie werden es erwartet haben, aber ich komme zu einem anderen Ergebnis", begann Rechtsanwalt Titus Boerschmann sein Plädoyer. Er verglich das Gewirr der Zeugenaussagen mit einem Labyrinth, bestehend aus Tausenden von Möglichkeiten, wie der Tatabend tatsächlich verlaufen sei. Mit großer Gestik und viel Körpereinsatz versuchte er die Unschuld seines Mandanten zu beteuern, nur von seiner These, die Parole "Sieg Heil" sei in diesem Fall nicht im klassischen Sinne zu werten, schien er selbst nicht ganz überzeugt. Beide Verteidiger beantragten Freispruch, eine Forderung, der die Richterin nach langer Denkpause jedoch nicht nachkam.

Trotz stark abweichender Aussagen befand sie den Hauptgeschädigten als glaubwürdig und sah eine gefährliche Körperverletzung als erwiesen an. Dennoch bewege sich die Tat "am unteren Rand des Strafrahmens", die Verletzungen des Zeugen seien zwar im Kreisklinikum behandelt worden - aber nur mit Globuli. Der 34-jährige Rosenheimer bekam eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, der 28-Jährige sieben Monate, welche zur Bewährung ausgesetzt wurden. Darüber hinaus müssen beide jeweils 1500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen und tragen die Kosten des Verfahrens.

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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