Rehe machen sich rar:Abschussquote verfehlt

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Rehrückenkrise an Weihnachten: Weil das Wild in diesem Winter den Jägern zu selten vor die Flinte läuft, will die Ebersberger Forstverwaltung die Schonzeit verschieben

Inga Rahmsdorf

Das Wild hatte in diesem Herbst und Winter ein recht beschauliches Leben in den Ebersberger Wäldern - während manch ein Jäger erfolglos und frustriert auf seinem Hochsitz ausharrte. Kaum Schnee und Frost, das war keine günstige Witterung, um die Tiere vor die Flinte zu bekommen. Im Wildpark des Ebersberger Forsts haben die Jäger gerade einmal 60 Prozent der angestrebten Rehwildquote geschossen. Nun bleibt ihnen nur noch bis Sonntag Zeit. Am 15. Januar beginnt die Schonzeit und damit herrscht Jagdverbot für weibliches Rehwild und deren Nachwuchs. Gute Zeiten für das Wild, schlechte Zeiten für die Jäger - damit hat sich die Sache erledigt und Waidmannsheil bis nächsten Herbst. Doch ganz so einfach ist es nicht. Und das Thema betrifft durchaus nicht nur die Jäger. Es geht dabei auch um den Schutz des Forstes, um das Zusammenleben von Wild und Wald, um die Rehrückenkrise an Weihnachten - und auch um den Klimawandel. Es geht um ein vernünftiges Verhältnis zwischen Wald und Wild", sagt Heinz Utschig, Leiter des Forstbetriebs Wasserburg, das zu den Bayerischen Staatsforsten gehört und für drei der fünf staatlichen Jagdreviere im Landkreis zuständig ist. Die Ausgewogenheit sieht Utschig in diesem Jahr gefährdet, wenn zu viel Wild im Wald bleibt. Denn der wiederum wächst besser und schneller nach, wenn der Verbiss nicht zu hoch ist, also nicht zu viele Knospen, Zweige und Pflanzen gefressen werden. Das Problem ist, dass das Rehwild sich diese Jagdsaison einfach nicht bewegt habe, sagt Utschig. An Weihnachten habe das sogar zu "einer bayernweiten Rehrückenkrise" geführt, so der Forstwirt. Manch einer musste beim Festessen auf das Wild verzichten. Und das hängt irgendwie auch mit dem Klimawandel zusammen, und nicht nur damit, dass es bisher kaum Schnee gab. "Der Klimawandel verändert die Waldstruktur, sagt Utschig. Das wärmere Klima führe zu früherer und häufigere Fruktifikation. Hängen an den Buchen und Eichen wiederum mehr Früchte, muss das Rehwild auf seiner Suche nach Fressen nicht so viel umherstreifen und lässt sich beim Jäger weniger blicken. Die Bayerischen Staatsforste würden den Jägern nun in einigen Revieren gerne zwei Wochen länger Zeit geben, um noch bis zum 31. Januar Rehwild und Kitze schießen dürfen, so auch im Jagdrevier im Ebersberger Forst. Der Bayerische Jagdverband ist empört darüber und spricht von zusätzlichem Stress für das Wild. Jürgen Vocke, Präsident des Bayerischen Jagdverbandes (BJV), lehnt eine Verschiebung der Schonzeit vehement ab. "Die Staatsforste haben zwischen viereinhalb und achteinhalb Monaten Zeit gehabt, ihren Abschuss von weiblichem Rehwild zu erfüllen. Möglicherweise haben sie sich mit zu hohen, unrealistischen Abschussplänen selbst unter Erfolgszwang gesetzt", sagt er. Alle drei Jahre werden die Jagd- und Schonzeiten überprüft und neu bestimmt. Wie lange die Jäger Zeit haben, und wie viele Tiere sie schießen sollen, ist nicht einfach beliebig festgelegt, sondern wird so errechnet, dass die Regelung möglichst einen vernünftigen Bestand des Wildes garantiert und gleichzeitig den Wald schützt. Es gehe nicht nur um die Staatsforsten, wendet Utschig gegen die Kritik des Jagdverbandes ein. Auch private Jagdreviere hätten Anträge gestellt, die Schonzeit nach hinten zu verlegen. Zudem gehe es nicht um eine flächendeckende Kampagne, bei der pauschal gefordert werde, die Schonzeit aufzuheben, betont er. Das Landratsamt Ebersberg hat für das hiesige Jagdrevier das letzte Wort zu sprechen - und es hat den Antrag abgelehnt. Die Untere Jagdbehörde sieht trotz der geringen Abschussquote keine Gefahr für die Ausgewogenheit im Wildpark des Ebersberger Forsts. Eine Verschiebung der Schonzeit mache Sinn bei übermäßigem Wildverbiss und wenn Wildseuchen drohen, sagt Norbert Neugebauer vom Landratsamt. Beides liege aber nicht vor. Für die anderen Jagdreviere im Landkreis habe es auch keine Anträge gegeben. Auch Wilhelm Seerieder, Leiter der staatlichen Forstbetriebe München, befürchtet in diesem Jahr keine übermäßigen Wildschäden. In den beiden Ebersberger Jagdrevieren, für die seine Behörde zuständig ist, lag die Abschussquote Mitte dieser Woche bei 80 Prozent. Das sei noch "einigermaßen im grünen Bereich", so Seerieder. Die Schonzeit sei wichtig, weil im Winter der Biorhythmus der Tiere umgestellt werde und um den Nachwuchs zu schützen, sagt Martin Otter, der Ebersberger Kreisvorsitzende des Landesjagdverbandes Bayern. "Aber es kann schon Situationen geben, in denen es sinnvoll und notwendig ist, die Schonzeit nach hinten zu verlegen. Das muss aber immer im Einzelfall entschieden werden." Oft sei es nicht einfach, ein ausgewogenes Verhältnis zu erreichen, so Otter. Das liege nicht nur an der Jagd, sondern zunehmend auch am Freizeitdruck - freilaufende Hunde oder Geocatching, Schnitzeljagd mit GPS-Geräten, könnten besonders nachts das Wild stören und das Gleichgewicht durcheinanderbringen. "Es ist schon frustrierend, wenn man rausgeht und kein Wild sieht", sagt der Jäger.

© SZ vom 13.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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