Prügelei in S-Bahn:Hat der Wachmann weggeschaut?

Lesezeit: 2 min

Gewalt in der S-Bahn: Ein Unbekannter prügelt auf eine Gruppe ein. Die beschweren sich nun beim Verkehrsverbund - weil das Sicherheitspersonal nicht reagiert hat.

Rita Baedeker

Der Albtraum dauerte nur wenige Minuten, den vier jungen Leuten in der S4 aber kam es vor wie eine Ewigkeit. Es war Sonntag früh um kurz vor eins, als auf einmal ein junger, offenbar betrunkener Mann aufgetaucht sei und aus heiterem Himmel auf einen in der Gruppe eingeschlagen habe. "Er ging sofort auf mich los, ich habe noch nie so einen hasserfüllten Menschen gesehen", erzählt der Angegriffene, ein 23-jähriger, aus Ebersberg stammender Student, der in Begleitung eines Freundes und zweier junger Frauen auf dem Heimweg von Ebersberg nach München war. Im Waggon saßen zahlreiche andere Jugendliche, die vom Weinfest kamen.

In der S4 ist ein betrunkener Mann gewalttätig geworden. Doch ein Sicherheitsmann hat offenbar weggeschaut. (Foto: region.ebe)

Seine Stimme zittert bei der Erinnerung an diesen Moment. "Es war klar, dass der nur prügeln wollte, wir kannten ihn nicht, haben ihm nichts getan, hatten keinen Blickkontakt." Zwar kamen die Studenten mit dem Schrecken und etlichen blauen Flecken davon. Außerdem tauchte noch ein weiterer junger Mann auf, der den Betrunkenen offenbar kannte und den aggressiven Fahrgast am Bahnhof Eglharting "mit Gewalt" aus dem Zug warf.

Das eigentlich Schlimme an diesem Albtraum ist jedoch, dass sich diese Schlägerei unter den Augen des Bahnpersonals abgespielt haben soll. Auf der Strecke zwischen Grafing-Bahnhof und Kirchseeon, so die Studenten, sei ein Mann mit DB-Schild auf der Uniform durch den Waggon gegangen, habe aber nicht eingegriffen. "Der Mann war einen Kopf größer als wir, er wurde von dem Angreifer angepöbelt, lief aber weiter, als wäre nichts", erzählt der Student, der die meisten Schläge abgekriegt hat. "Wenn man an Dominik Brunner denkt, ist so ein Verhalten erschreckend."

Beschwerdebrief an MVV

Der Mann, berichten die Freunde übereinstimmend, habe das Gerangel mitbekommen, auch wenn der Angreifer in diesem Moment kurz von seinem Opfer abgelassen habe. Man habe den Mann von der Bahn mit dem Ruf "Ah, da kommt ja jemand" indirekt auch angesprochen. Er aber sei einfach weitergegangen.

Die jungen Leute waren über die gleichgültige Reaktion des Mannes so empört, dass sie einen Brief an den Verkehrsverbund MVV geschrieben haben, in dem sie den Vorfall schildern und fragen, ob man aus dem Fall Brunner keine Konsequenzen gezogen habe. Das Verhalten erfülle den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung, heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt.

Offenbar hat der MVV das Schreiben bisher nicht an die Bahn weitergeleitet. "Laut uns vorliegenden Informationen ist der Vorfall weder bei der Sicherheitsbehörde noch bei uns aktenkundig", erklärte eine Bahnsprecherin. "Bei Streifengängen unseres Sicherheitsdienstes werden generell zwei Mitarbeiter eingesetzt und nicht Einzelpersonen, wie in dem Fall geschildert. Ob es sich bei der beschriebenen Person um einen DB-Mitarbeiter handelte und um wen, können wir leider so nicht nachvollziehen."

© SZ vom 15.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: