Prozess vor dem Amtsgericht Ebersberg:Ein besonders grüner Daumen

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46-Jährige wegen Anbau und Besitz von Cannabis verurteilt

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Alles begann, als ihr Kind vor einigen Jahren schwer erkrankte. "Ich habe das abends, wenn ich das Krankenhaus verlassen habe und nach Hause bin, einfach gebraucht", erklärte eine 46-jährige Angeklagte Richter Markus Nikol und zwei Schöffen. Um "runterzukommen", wie sie es nannte, rauchte sie vor dem Zubettgehen zwei bis drei Töpfe einer Durchzugspfeife mit Cannabis, das sie selbst anbaute. Vor dem Ebersberger Amtsgericht war sie deshalb wegen Anbau von Cannabis sowie wegen des Besitzes und Handels von Marihuana angeklagt.

Als die Polizei vor knapp einem Jahr mit einem Durchsuchungsbeschluss vor dem Haus der Angeklagten stand, sollte es eigentlich gar nicht um sie und ihren illegalen Kräutergarten gehen. Die Beamten hatten ein Auge auf ihren Mann geworfen, der unerlaubterweise Waffen im Haus aufbewahrt haben soll. Der 56-jährige Polizist, der bei dem Einsatz dabei war und als Zeuge aussagte, sprach von einem "Zufallsfund". Und der fiel nicht zu knapp aus: Acht Cannabispflanzen mit einem Reingewicht von etwas mehr als 540 Gramm, knapp 145 Gramm Marihuana und einige Gramm Cannabissamen. Das macht: Über 600 Gramm "weiche Drogen", wie es Richter Nikol nannte.

Trotz der großen Menge wehrte sich die Angeklagte vehement gegen die Beschuldigung der Staatsanwältin, mit den Drogen gehandelt zu haben. "Ich habe noch nie in meinem Leben damit Handel betrieben", sagte sie. Die schwere Krankheit ihres Kindes sei der Grund, weshalb sie begann, zur Entspannung Marihuana zu rauchen. Zunächst besorgte sie sich die Droge von jemandem. Schon bald baute sie die Pflanzen aber selbst an. "Ich hatte keine Zeit und Energie in der Gegend rumzufahren und mir das Zeug zu besorgen - ich musste mich um mein Kind kümmern!" Erst recht habe sie deshalb kein Interesse daran gehabt, das Marihuana unter Leute zu bringen.

Richter Nikol zeigte sich zunächst skeptisch: "600 Gramm - das würde ja für drei Jahre reichen", sagte er, nachdem die 46-Jährige erklärt hatte, sie habe die Pflanzen immer so angebaut, dass sie mit der Ernte ein Jahr lang für ihren Konsum versorgt war. "Dass es jetzt so viel geworden ist, war keine Absicht", erklärte sie. Sie sei nun einmal Pflanzenliebhaberin und habe sie deshalb nicht wegwerfen können. Das sei auch der Grund, weshalb sie sich mit dem Anbau der Cannabispflanzen so gut auskenne, erklärte die Angeklagte dem Gericht: Kräuterkunde liege bei ihr in der Familie, schon seit Generationen. Seitdem die Polizei bei ihr gewesen war, habe sie aber selbstverständlich keine weiteren illegalen Pflanzen angebaut. Die Frage, ob sie dennoch weiterhin Marihuana konsumiere, wollte sie jedoch nicht beantworten.

Für die Version der Angeklagten sprach nicht nur, dass sie sich vor Gericht geständig zeigte, sondern auch, dass sie sich bereits bei der Hausdurchsuchung absolut kooperativ verhielt. "Sie sagte zu uns, dass hier und dort noch etwas wäre, und das war es dann auch", erinnerte sich der am Einsatz beteiligte Polizist. Außerdem fanden die Beamten nirgends im Haus Verpackungsmaterial oder Schuldnerlisten, die auf einen Handel schließen ließen. "Das ist alles frei herumgestanden, da war nichts versteckt."

Der Meinung war auch die Staatsanwältin, die in ihrem Plädoyer die Beschuldigung des Handels mit Marihuana fallen ließ. Richter Nikol und die beiden Schöffen schlossen sich mit ihrem Urteil grundsätzlich der Ansicht der Staatsanwältin an, blieben beim Strafmaß aber fünf Monate unter deren Forderung: Die Angeklagte wurde zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die auf Bewährung ausgesetzt wird. Außerdem muss die 46-Jährige eine Geldstrafe von 3000 Euro zahlen und an zehn Sitzungen einer ambulanten Suchtberatung teilnehmen.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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