Prozess vor dem Amtsgericht:Beim Geld hört die Freundschaft auf

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Bewährungsstrafe für 39-Jährigen, der seine Schulden nicht zahlen kann

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Hoffnungsloser Optimist oder rücksichtsloser Schnorrer, darum ging es nun vor dem Ebersberger Amtsgericht. Ein 39-Jähriger hatte sich von einem Freund 12 000 Euro geliehen, aber nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzahlen können. Die Frage war nun, ob der 39-Jährige dies von Anfang an wusste oder bei seinen geschäftlichen Unternehmungen nur Pech hatte.

Besonders vom Glück verfolgt war der Angeklagte Ende 2015 nicht, als er seinen Freund um einen Überbrückungskredit bat. Er hatte seinen gut dotierten Job in der Versicherungsbranche wegen eines Burn-out-Syndroms aufgeben müssen. Dies, so schilderten es der Angeklagte und sein Verteidiger, habe den 39-Jährigen in arge finanzielle Nöte gestürzt, da er zu der Zeit Kredite für sein neues Haus abzuzahlen hatte. Auch in der Familie kriselte es, seine Lebensgefährtin habe ihn "in einer Nacht-und-Nebel-Aktion" verlassen und dabei nicht nur die Kinder sondern auch Möbel und Wertsachen mitgenommen.

Im Dezember 2015 bat er einen guten Freund, Teilhaber einer Marketingfirma, um ein Darlehen von 12 000 Euro. Die, versicherte der Angeklagte damals, werde er binnen dreier Monate zurückzahlen, er habe einen neuen und gut bezahlten Job bei einer Vermögensverwaltung in Aussicht.

Dass es diesen Job möglicherweise nie gegeben habe, legte die Aussage des Geschädigten nahe. Er habe Anfang 2016 einen geschäftlichen Termin bei eben jener Vermögensverwaltungsfirma gehabt. Dabei sei man auch auf den Angeklagten zu sprechen gekommen, der angeblich dort gar nicht arbeitete, "da sind natürlich die Alarmglocken losgegangen". Noch mehr, weil der Angeklagte immer schwieriger zu erreichen gewesen sei. Gelegentlich habe er noch berichtet, wie gut das neue Geschäft laufe, irgendwann habe er aber nichts mehr von seinem Freund gehört, so der Zeuge. Als das Geld zum vereinbarten Zeitpunkt nicht zurückbezahlt wurde, habe er dann Strafanzeige gestellt.

Der Angeklagte beharrte darauf, dass er sehr wohl für die fragliche Firma tätig gewesen sei - was sich ausgerechnet durch einen weiteren Anklagepunkt zu bestätigen schien. Er hatte nämlich für seine Ex-Freundin eine Altersversorgung abgeschlossen und dafür eine Provision von 3500 Euro kassiert. Allerdings hatte der Angeklagte im Namen seiner Verflossenen unterschrieben, was ihm eine Anklage wegen Urkundenfälschung einbrachte.

Dies gab er sofort zu, allerdings sei es auf ausdrücklichen Wunsch der ehemaligen Lebensgefährtin erfolgt. Sie habe einige Monate nach der Trennung geklagt, dass sie keine Absicherung fürs Alter habe. Sogar ihre Ausweisdaten habe sie ihm aufs Handy geschickt und er habe die Gebühren bezahlt - jedenfalls so lange er konnte. Als die Police dann gekündigt wurde, habe die Ex-Freundin ihn angezeigt.

Warum er denn überhaupt den Vertrag unterschrieben hatte, konnte der Angeklagte nicht schlüssig beantworten. Laut seinem Verteidiger sei dem 39-Jährigen damals einfach "alles über den Kopf gewachsen", er habe einfach nur seiner Lebensgefährtin helfen wollen, so schnell wie möglich, und dabei die Unterschrift geleistet. Überhaupt habe er zeitweise die Kontrolle über sein Leben verloren, so der Angeklagte, "manchmal kam so viel", dass er nicht mehr weiterwusste. Dies sei auch der Fall gewesen bei einem weiteren angeklagten Vorfall: der Unterschlagung von zwei Paar Schuhen, Gesamtwert 220 Euro. Die habe er sich nur zur Anprobe ausleihen wollen, dann vergessen, sie am nächsten Tag zurückzubringen und schließlich "habe ich mich geschämt", so dass er die Schuhe einfach behalten und der Schuhladen Anzeige erstattet hatte.

Mittlerweile habe er die Fußbekleidung aber bezahlt und sich bei den Geschädigten entschuldigt, was die Geschäftsführerin des Schuhladens bestätigte. "Für mich ist die Sache erledigt", sagte sie, daran, dass der Angeklagte dafür noch verurteilt werde, sei sie nicht interessiert. Ähnlich äußerte sich der andere Zeuge, auf die Frage, warum er den Angeklagten angezeigt habe: "Mein Anliegen war nur, dass das Geld wieder zurückbezahlt wird."

Dies ist zum größten Teil passiert, das Darlehen samt Verzugszinsen und Anwaltskosten des Gläubigers hat der Angeklagte zu etwa zwei Dritteln beglichen. Auch seine "anderen Baustellen" - der 39-Jährige hat nach eigenen Aussagen Schulden im sechsstelligen Bereich - gehe er an. Als nächstes werde der Angeklagte eine Privatinsolvenz beantragen, sagte der Anwalt, ohnehin sei das ganze Verfahren eher zivilrechtlicher als strafrechtlicher Natur. Er regte daher eine Einstellung gegen Auflagen an.

Dem wollten sich Staatsanwalt und Richterin indes nicht anschließen. Der Angeklagte habe zumindest billigend in Kauf genommen, seine Schulden nicht zahlen zu können. In einem Rechtsgespräch bot das Gericht eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten an, wenn der Angeklagte alle Vorwürfe einräumt, was dieser auch prompt tat. Außerdem muss er die restlichen Schulden aus dem Darlehen und der Provision zurückzahlen. Der Verurteilte zeigte sich mit dem Urteil zufrieden: "Ich will nur, dass nach drei schrecklichen Jahren endlich Ruhe ist."

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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