Porträt:Kunst hat viele Sprachen

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Die Farbe Rot spielt eine wichtige Rolle in Bakary Sarrs Leben und Schaffen. Unter anderem steht sie für die Wärme und Kultur Afrikas. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Maler Bakary Sarr ist neues Jury-Mitglied für den Jugendkulturpreis 2016. Der Senegalese ist ein Ausnahme-Talent mit viel Gespür für Menschen

Von Sandra Langmann, Ebersberg

Die dunkelbraunen Augen von Bakary Sarr leuchten, wenn er von der Kunst spricht. Sie leuchten so hell und freundlich wie das rote T-Shirt, das er trägt. Die Kunst ist sein Leben, seine Leidenschaft, seine Zukunft. "Kunst ist Therapie für mich", verrät Sarr. 2014 kam er als Flüchtling vom Senegal zuerst nach München und dann nach Ebersberg - vor zwei Wochen wurde sein Asylantrag angenommen. Er fühlt sich wohl in Ebersberg, sagt er, auch gut integriert hat er sich schon. Im Speicher des Rathauses hat er sein eigenes Atelier, was er Antje Berberich, der Archivarin und Galeristin der Stadt Ebersberg, zu verdanken hat. "Sie ist meine Schwester und meine Mumi" - seine zweite Mutter, die ihn seit seiner Ankunft in Ebersberg unterstützt und ihm zur Seite steht.

Seine leibliche Mutter hat er nie kennengelernt, sie starb, als Sarr drei Monate alt war. So wuchs er zuerst bei seiner Tante und seiner Cousine in Dakar, der Hauptstadt Senegals auf, bevor er mit 15, 16 Jahren zu seinem Onkel, einem Professor der Philosophie, nach Tauba zog. Als einziger Künstler einer Lehrer-Familie hatte es Sarr nicht immer leicht. Auch er sollte Lehrer werden. Doch die Kunst hatte es ihm schon als Kind angetan, als er Skulpturen aus Sand anfertigte. Jedoch erst nach seinem Abitur in Mathematik konnte er seinen Traum vom Künstler verwirklichen. An der staatlichen Kunsthochschule in Senegal widmete er sich nicht nur der Malerei, sondern auch dem Marionetten- und Schattenschauspiel, das er mit einem Diplom abschloss. Durch ein Stipendium verschlug es ihn 2008 nach Belgien, wo er sich mit Kinoanimation und Forschung in den Bereichen Grafik und Zeichentrickfilm beschäftigte. Seine Ausstellungen führten den heute 33-Jährigen nach Italien, Spanien, Frankreich und Portugal - weshalb er diese Sprachen auch fließend beherrscht.

Seine Kunstwerke spiegeln Aktuelles und Reales wieder und erinnern stark an die Wärme und die Kultur Afrikas. Unter dem Künstlernamen "Criba" setzt Sarr überwiegend auf warme Farben. Vor allem die Farbe Rot spielt eine wichtige Rolle in seinem Leben und daher auch in seinen Werken. Diese Farbe hat neben Schwarz und Weiß viele Bedeutungen in der afrikanischen Kultur und verkörpert sowohl Positives als auch Negatives. So steht Rot für die Identität von Menschen, für Religion und Glauben. Aber auch für das Opfern und das Blutvergießen im Krieg.

Bakary Sarr senkt verlegen den Blick, wenn er an seine Familie denkt, die er in Afrika zurückgelassen hat. Wenn es um seine Flucht nach Deutschland geht, hüllt er sich in Schweigen - nur so viel sei verraten: Er ist mit dem Flugzeug angereist. Die Flucht ist häufig auch ein zentrales Thema in seiner Kunst. Stoffe, die Segel der Flüchtlingsboote darstellen, werden auf Leinwänden befestigt. Überhaupt sind seine Techniken und die Materialen, die er verwendet, sein Markenzeichen. Neben Papier und Leinen kommen auch Schnüre, Kartons und Servietten zum Einsatz. Vereinzelt sind Worte in verschiedenen Sprachen und Zahlen zwischen den bunten Farben zu finden.

Bis zur Fertigstellung eines Bildes benötigt Sarr ein bis zwei Monate, da er immer wieder Neues erlebt, was er in seinen Bildern verarbeitet. Ein Bild besteht daher meist aus mehreren Schichten. Für ihn ist Kunst Therapie - nicht nur für sich, sondern auch für andere. Als Kunst-Therapeut möchte er seine Geschichte erzählen und anderen damit helfen. So hat er bereits mit Senioren und mit Kindern gearbeitet, eine Erfahrung, die ihn auch als Jury-Mitglied für den Jugendkulturpreis 2016 auszeichnet.

Kunst heißt für ihn auch Kontakt. Daher freut er sich darauf, sich bei dieser Gelegenheit mit anderen auszutauschen, zu diskutieren und andere Kunstwerke zu interpretieren. Das sei auch ein wichtiger Teil seiner Integration, erklärt er. Der Jugendkulturpreis steht unter dem Motto "wachsen" - und das bedeutet für ihn Zukunft. Etwas bewegt sich von Innen heraus und wird größer. "Wachsen ist für mich Leben", wozu auch das geistige Wachstum gehöre. Kunst ist für Sarr etwas Persönliches, die Frage nach seinem Lieblingsbild kann er daher nur schwer beantworten. "Meine Bilder sind wie Kinder für mich und ein Teil von mir." Am liebsten würde er sie alle, die jetzt in Europa verteilt sind, bei sich haben und in sein Atelier holen. Antje Berberich beschreibt Sarr als warmherzigen und lebensnahen Menschen, der als Bollwerk für seine Nation steht. Und woran Bakary Sarr denkt, wenn er seine zweite Mutter betrachtet? Natürlich an die Farbe Rot.

Arbeiten zum Thema "Wachsen", dem Motto des Jugendkulturpreises des Kreisjugendrings 2016, können noch bis Dienstag, 18. Oktober, 18 Uhr, in der Geschäftsstelle des Kreisjugendrings in der Bahnhofstraße 12 in Ebersberg eingereicht werden. Preisverleihung ist am 28. Oktober, 19 Uhr, im Klosterbauhof, Studio an der Rampe.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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