Porträt einer Gemeinde:Farbexplosion statt Grau in Grau

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Der international erfolgreiche Künstler Daniel Man hat sich mit einem imposanten Großgraffito verewigt

Von Clara Lipkowski

Daniel Man, ein Künstler, der leuchtende Farben liebt, steht am Montagmorgen vor einem trist-grauen Parkhaus an der Poinger Friedensstraße. Neben ihm: Bürgermeister Albert Hingerl, Kulturreferentin Birgitta Nagel und Jörg Höllrigl, lokaler Kunstfreund. Sie recken ihre Köpfe gen Parkhauswand. Vor ihnen zeigt sich Mans Liebe zur Farbe - und den Gesichtsausdrücken nach zu urteilen, finden hier alle, dass das Ergebnis, das Man abgeliefert hat, ziemlich gut geworden ist. Der Graffitikünstler hat Poing einen eigenen Stern, ähnlich dem im Wappen, geschenkt, nur eben wesentlich bunter, mit sich auftürmenden runden und eckigen Formen, und in Großformat auf knapp 140 Quadratmetern. Intensiv strahlt der "Poing Star" in mehrere Richtungen von der Wand der sonst so grauen Einfahrt.

Eigentlich sei es ja "entmystifizierend", ein Bild zu erklären, sagt der Künstler. Anerkennendes Nicken in der Runde. Und sein Werk sei bewusst offen gestaltet, damit sich jeder seine eigenen Gedanken dazu machen könne. Zustimmendes "Mhmm". Aber natürlich weiß Man auch, dass sein Poing Star für den Betrachter abstrakt ist und er sich nicht jedem als Abbild der Gemeinde erschließt. Also erklärt er seine Kunst doch.

An Daniel Mans Poinger Werk stechen die gegensätzlichen Formen ins Auge: Weich gezeichnete Kreise stehen hier unmittelbar neben scharfkantigen Zacken. "Antithesisches Arbeiten" nennt Man das, damit kreiere er Heterogenität. Ein Bild, das zu "slick" sei, zu glatt, widerstrebe ihm. Daran angelehnt ist auch die Diagonale, die das Bild zerteilt - Mans Symbol für die Bahntrasse, die durch den Ort führt. Oben links wölben sich düster ausgemalte Kreise, hier und rechts davon habe er eher "alte" Farbtöne verwendet, die in den 60er bis 90er Jahren in waren, sagt der Künstler. Die Kreise stellen die vielen Jahrhunderte der Gemeindegeschichte dar. Nach unten spielt Man mit modernen Farben, Violett neben Moosgrün. Mit kristallartigen Zacken verbildlicht er das Gegenwärtige und Künftige. Rechts davon verlaufen farbige, klar definierte Streifen vertikal - für Man die Neubauten von Poing. Häuser der Investment-Architektur, die oft kastig und lieblos-kühl aussehen. Aber Daniel Man zeichnet diese Linien bunt, denn sie stehen bei ihm auch für die Zukunft - und in die schaue er immer optimistisch.

Hingerl schaut derweil ganz beseelt und sagt, ganz in Bürgermeistermanier, Poing könne "stolz" auf das Werk sein. Höllrigl lobt die interessanten Perspektiven, die das Bild je nach Sonneneinstrahlung preisgebe. "Jetzt ist es die Spiegelung in den Fenstern", sagt er. Der Poinger hat seinen Museumsklappsitz mitgebracht, denn im Alter denke es sich besser, wenn man sitze, sagt er, und die Runde lacht. Aber noch steht er, denn er will ja nicht verpassen, was der Künstler sagt.

Der 49-Jährige verrät jetzt auch, dass er bewusst auf einen Rahmen verzichtet hat. "Das macht das Bild nach oben hin offen", grenzt Poing nicht ab. Im Mittelpunkt stehe auch das Zentrum Poings, weichere Formen, die in Bewegung sind. Auch ein paar Reminiszenzen an Gebäude im Ort hat Man versteckt: Rechts unten findet sich eine rund-eckige grau-schwarz-braune Fläche, die an die Fassade der Rupert-Mayer-Kirche erinnern soll, und mittig-links das wie gestempelt aussehende Muster des Turms der evangelischen Kirche.

Damit hat sich der gebürtige Londoner nach etlichen Arbeiten an Hauswänden in Europa und Südamerika nun auch in Poing verewigt. Bereits als Kind kam Man mit seinen Eltern, die aus Hongkong stammen, nach Deutschland. Er nennt sie lachend "Klischee-Chinesen", denn in den 80er Jahren eröffneten sie ein chinesisches Restaurant in ihrer neuen Heimat. Daniel Man aber studierte Kunst und ist heute international erfolgreich - zurzeit stellt er im Münchner Lenbachhaus aus. Auch in Poing bewegt er sich bereits wie ein Altbekannter, der nun nach getaner Arbeit sein Stammcafé neben dem Parkhaus betritt. Dabei war die Arbeit am Graffito vergleichsweise kurz: Etwa zwei Tage hat Man an dem Entwurf gearbeitet, eine Woche hat dann das Auftragen der Lackfarben auf die riesige Wand gedauert. Als abgeschlossen betrachtet Man sein Werk indes nicht: Da es auch eine Chronologie der Gemeinde Poing sei, könne man in fünf bis zehn Jahren, wenn Wind und Wetter ersten Spuren an der Kunst hinterlassen haben, die Gelegenheit nutzen, und es im Sinne der neuesten Entwicklungen weiterführen. Und vielleicht dabei um die dann modernen Farben ergänzen.

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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