Porträt:Die Suche nach dem idealen Klang

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Die deutsch-finnische Geigerin Nina Karmon lotet die Tiefen der Musik aus. Am Freitag gibt die Neu-Ebersbergerin mit Oliver Triendl ihr Einstandskonzert im Alten Kino

Von Rita Baedeker

Nina Karmon hat sich früh für ein Leben als Musikerin entschieden. Allenfalls wäre noch Medizin in Frage gekommen, erzählt sie. "Medizin hat mich immer interessiert." Es gebe da eine enge Verbindung: Auffallend viele Ärzte seien musikalisch aktiv, sagt sie. Ein Grund ist vielleicht, dass beide Künste auf Physik und einer guten Portion Magie gründen.

Nina Karmon wohnt seit einem Jahr in Ebersberg. Gemeinsam mit ihrem Partner, dem Pianisten und künstlerischen Leiter des Kulturvereins Zorneding-Baldham, Oliver Triendl, wird sie am Freitag, 11. Mai, das wegen Krankheit verschobene Kammerkonzert vom 18. Februar im Alten Kino Ebersberg nachholen.

Karmon kommt ursprünglich aus Stuttgart. Ihre Mutter, eine finnische Cellistin, und ihr Vater, damals Konzertmeister des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart, haben ihrer Karriere als Geigerin den Boden bereitet, ohne Druck auszuüben. "Bei mir ging das alles sehr spielerisch", erzählt sie. Ihren ersten Instrumentalunterricht erhielt sie von ihrem Vater, das regelmäßige Üben, für Kinder oft eine ungeliebte Pflicht, wurde ihr nie lästig. "Ich habe immer gerne geübt, für mich ist es ein Prozess der Annäherung und Vertiefung, die Suche nach dem klanglichen und interpretatorischen Ideal. Habe ich aus irgendwelchen Gründen ein paar Tage keine Gelegenheit zum Üben, dann fühle ich mich hungrig." Nebenbei, so berichtet Karmon lachend, habe sie ihr Fleiß als Kind von ungeliebten Pflichten befreit. "Wenn ich im Haushalt helfen sollte, habe ich einfach gesagt: Tut mir leid, ich muss unbedingt noch üben. Das wurde akzeptiert."

Ihre Ausbildung erhielt Nina Karmon unter anderem an der Musikhochschule Hanns Eisler Berlin und bei Pinchas Zukermann in New York. Sie konzertierte mit Größen wie Gerhard Oppitz und Zubin Mehta. Der SZ-Musikkritiker Harald Eggebrecht nahm sie in sein Buch "Große Geiger" auf. Die Suche nach dem Klangideal höre nie auf, sagt sie, doch mit den Jahren verändere sich auch manches. "Man entwickelt sich als Mensch und Musiker weiter, alle Erfahrungen und Facetten des musikalischen Lebens fließen in eine Interpretation mit ein." Als Beispiel nennt sie das Violinkonzert von Jean Sibelius, mit dem sie schon "sehr lange und sehr innig lebt".

Im Kosmos der Musikstile, die heute alle nebeneinander bestehen, von der historischen Aufführungspraxis bis zu zeitgenössischen Klangfacetten, hat Nina Karmon ihre Position gefunden. "Ich bin vom Typ her in gesanglichen Klangvorstellungen zuhause." Nicht Spieltechnik um der Virtuosität willen stellt diese Geigerin in den Vordergrund ihrer Interpretation, sondern den Ausdruck. Nicht die bloße "Fliegerei", wie sie es nennt, sondern Tiefe und Struktur. Einen Notentext auskosten, erforschen, ausmalen, nicht herunterrattern, darum geht es.

Ihr Klangideal, das sie als voll, rund, warm und licht bezeichnet - so klingt übrigens auch ihre Stimme - hat viel mit ihrer Liebe zur Natur zu tun. "Das starke Gefühl für die Natur, das ist meine finnische Seite", sagt die dunkelhaarige junge Frau mit einem warmen Lächeln. "Das Licht dort, die Wälder, das Wasser - ich habe in den Ferien viel Zeit in Finnland verbracht." Zuletzt hat sie mit Oliver Triendl eine (noch nicht erschienene) CD mit der hochromantischen Violinsonate von Toivo Kuula, der 1918 starb, aufgenommen, die auch im Zentrum des Ebersberger Konzerts am Freitag stehen wird.

Es sei ihr aber auch wichtig, sich der neuen Musik zu öffnen, fügt sie hinzu, denn "sie ist die Sprache unserer Zeit." Ungewohntes entdecken, die Komfortzone verlassen, die Musikkultur anderer Völker kennenlernen, sich Herausforderungen stellen, all das macht für Nina Karmon das Faszinosum eines Musikerlebens aus. Voraussetzung ist dabei jedoch immer, dass sie einen emotionalen Zugang zum Werk findet: "Egal ob tonal oder atonal, die Musik muss mich ansprechen."

Etwa zwei Jahre lang hat die Geigerin Kung-Fu betrieben, die symbolische Kampfkunst der chinesischen Shaolin-Mönche. Aber nicht, um der Aggression, sondern um der Geisteshaltung willen. "Ich war früher eher introvertiert und scheu und wollte endlich lernen, auf die Dinge zuzugehen", sagt Karmon. Die durch Schattenboxen verbesserte Körperbeherrschung helfe, auch in der Musik die Haltung des Kriegers einzunehmen, der den Willen und das Bewusstsein besitzt, eine Herausforderung zu meistern. Zum Beispiel, als Karmon vor genau zehn Jahren ein eigenes Kammermusikfestival gründete, auf Burg Schaubeck bei Stuttgart. "Ich wollte etwas auf die Beine stellen. Und hatte Erfolg: Vom ersten Jahr an hat das Publikum die Konzerte gut angenommen."

Eine nicht ganz so große, dafür aber sehr schöne Herausforderung sind auch die Stunden, die Karmon zusammen mit Triendl in der Küche verbringt - auf der Suche nach dem besten Rezept, dem idealen Geschmack. Unter Ärzten mag es viele gute Musiker geben. Gute Musiker wiederum sind nicht selten auch hervorragende Köche.

Duokonzert des Kulturvereins Zorneding-Baldham mit der Geigerin Nina Karmon und dem Pianisten Oliver Triendl am Freitag, 11. Mai, im Alten Kino in Ebersberg, Beginn um 19 Uhr. Aufgeführt werden die Violinsonate von Toivo Kuula, die Sonate in G-Dur KV 379 von Wolfgang A. Mozart und Miniaturen von Josef Suk mit Elementen böhmischer Volksmusik. Karten gibt es unter (08106) 221 54 oder per Mail an heide.schneider@casa-di-heide.de

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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