Mandatsträger unterwegs:Flexible Flitzer statt dicker Schlitten

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Wenn es um Dienstwagen geht, geben sich Bayerns Politiker gerne pompös. Im Landkreis halten sich die meisten dagegen eher zurück

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Der Philosoph Manfred Hinrich behauptete einmal, dass der Führerschein den Autofahrer "zur Umweltverschmutzung" berechtige. Einer juristischen Prüfung würde diese Deutung zwar kaum standhalten, ganz verkehrt ist sie jedoch nicht, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Anfang Mai in einer Erhebung festgestellt hat. Demnach neigen vor allem autofahrende Politiker aus Bayern zur Nutzung regelrechter CO₂-Schleudern. Das ist zwar nicht verboten, der Staatsregierung brachte es im bundesweiten Dienstwagen-Ranking der DUH jedoch den zweifelhaften Ruhm des ersten Platzes beim CO₂-Ausstoß ein. Die SZ Ebersberg hat dies zum Anlass für eine lokale Bestandsaufnahme genommen - mit dem Ergebnis, dass die Ebersberger Politiker für die Staatsregierung keine ernstzunehmende Konkurrenz wären. Bis auf wenige Ausnahmen.

Spitzenreiter beim Spritverbrauch sind der Landrat und die Bürgermeister aus Ebersberg und Vaterstetten

Eine der größten CO₂-Schleudern der Landkreis-Politiker steuert der Landrat höchstpersönlich. Robert Niedergesäß (CSU) fährt laut Landratsamt seit Anfang 2016 einen Siebener BMW, Typ 730d xDrive. Nach Herstellerangaben verbraucht das Diesel-Fahrzeug auf hundert Kilometer 5,1 Liter und hat einen CO₂-Ausstoß von 137 Gramm pro Kilometer. Der Wagen des Landrats liegt damit zwar deutlich unter den Kutschen der elf bayerischen Politiker aus der DUH-Studie, die es im Schnitt auf 162 g/km bringen (ohne die Autos von Ministerpräsident Horst Seehofer, der die Angaben verweigerte). Im landkreisweiten CO₂-Ranking der Dienstwagen liegt Niedergesäß' BMW jedoch an vorderster Front - hauchdünn vor Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsbergers (Freie Wähler) Einser BMW (Typ X1 sDrive 18d, Diesel) mit 136 g/km. Spitzenreiter ist das Dienstauto der Stadt Eberberg: Walter Brilmayer (CSU) fährt meist einen sieben Jahre alten Audi A6, CO₂-Ausstoß: 177 g/km.

Umweltfreundlich und werbewirksam: Seit einem Jahr fährt Grafings Grüne Bürgermeisterin Angelika Obermayr dienstlich ein Elektroauto. (Foto: Christian Endt)

Nun wäre es unredlich, den Landrat oder den Ebersberger Rathauschef deshalb als Umweltfrevler hinzustellen. Allein am CO₂-Ausstoß eines Dienstwagens lässt sich die Haltung in Umweltfragen wohl kaum seriös bewerten. Und doch gibt es Politiker, die umweltverträglichere Autos fahren, sei es aus persönlicher oder fraktionsinterner Überzeugung. Die Grafinger Bürgermeisterin Angelika Obermayr nutzt etwa seit einem Jahr ein Elektroauto, verbraucht also Strom - und ist damit umweltfreundlich, was die Grünen-Politikerin Obermayr werbewirksam einzusetzen weiß. Die Stadt Grafing nutzt aber nach wie vor auch einen fast sieben Jahre alten Benziner, der mit 138 g/km CO₂-Ausstoß sogar die Landratslimousine toppt.

Die Bundestags- und Landtagsabgeordneten haben gar keine Dienstwagen

Die Ebersberger Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz (CSU) und Ewald Schurer (SPD) sowie die Landtagsmitglieder Doris Rauscher (SPD) und Thomas Huber (CSU) nutzen hingegen Privatwagen oder öffentliche Verkehrsmittel, wie sie auf SZ-Anfrage mitteilen. Einen Dienstwagen besitzen alle vier nicht. Ähnlich ist es beim Großteil der Rathauschefs im Landkreis. In Poing, Oberpframmern, Pliening, Moosach, Bruck und Forstinning nutzen die Bürgermeister jeweils Privatautos. Er sei dadurch flexibler, gibt Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) an. In den meisten Gemeinden werden zudem Wirtschaftlichkeit und Umweltbewusstsein als Motive angeführt.

Wenn nötig, nutzt Markt Schwabens Rathauschef Georg Hohmann ein Carsharing-Modell. Die meisten Termine erledigt er aber lieber zu Fuß. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In Markt Schwaben würde sich ein Dienstwagen für den Bürgermeister nicht rentieren, "weder finanziell noch für die Umwelt", sagt Rathauschef Georg Hohmann selbst. "Die meisten Termine erledige ich zu Fuß", sagt der SPD-Politiker. Statt eines Privatautos nutze er bei Bedarf ein sogenanntes Carsharing-Modell, teilt sich also öffentlich nutzbare Fahrzeuge mit anderen. Vor dem Rathaus sind für die Carsharer Parkplätze reserviert. Drei bis vier mal pro Woche greife er auf eines der Autos der "Carsharing Union Markt Schwaben" zurück, so Hohmann. Etwa wenn er von der flächenmäßig kleinsten Landkreis-Gemeinde ins Landratsamt oder zur vierteljährlichen Kreistagssitzung muss.

Was vorbildlich klingt, wäre für einen Landrat wohl schwer umsetzbar - allein schon wegen der weiten Wege. So überrascht es nicht, dass Dienstwagen bei Bayerns Landräten praktisch obligatorisch sind. Dachaus Landrat Stefan Löwl (CSU) fährt etwa wie Niedergesäß einen Siebener BMW (Typ 740Ld x Drive) mit Dieselmotor, der auf 100 Kilometer 5,2 bis 5,4 Liter verbraucht und einen CO₂-Ausstoß von 137 bis 142 g/km hat. Er gleicht also Niedergesäß' BMW. Freisings Landrat Josef Hauner (CSU) kommt mit seinem Audi A8 (Typ 3.0 TDI Quattro Lang) auf 6,0 Liter pro 100 Kilometer und einen CO₂-Ausstoß von 159 g/km (kombiniert), liegt also beim CO₂-Ausstoß über dem Ebersberger Wert.

Unter Firmenchefs gilt der Dienstwagen bis heute oft als Statussymbol, ganz nach dem Prinzip: Je dicker die Kutsche, desto größer der Einfluss. Politiker müssen sich hingegen unbequeme Fragen und Anfragen gefallen lassen, gerade wenn es um die Abgaswerte geht. Für einen Fototermin mit Auto hatte Landrat Niedergesäß vor seinem Urlaub in der zweiten Pfingstferienwoche etwa keine Zeit mehr - aus Termingründen, wie das Landratsamt mitteilt. Allerdings, so heißt es, wolle sich der Landrat ein umweltfreundlicheres Auto anschaffen. "Geplant ist die Umstellung auf ein Hybrid-Fahrzeug, sobald der Hersteller diese Variante anbietet", erklärt eine Sprecherin. "Vermutlich 2017".

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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