Poing:Von Biedermännern und Brandstiftern

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Eine Podiumsdiskussion mehrerer SPD-Ortsvereine beleuchtet Hintergründe rechter Strömungen und Gegenmaßnahmen

Von Johanna Feckl, Poing

"Mit Omar und Soliana darf mein Kind aber nicht spielen; mit Stefan und Anna schon." Wie reagiert man als Erziehungskraft, wenn Eltern ihre Kinder mit solchen Anweisungen in den Kindergarten bringen? Nicola Hieke ist die Leiterin der Landeskoordinierungsstelle (LKS) des Bayerischen Jugendrings "Demokratie leben! Bayern gegen Rechtsextremismus" und hört so etwas häufig. "Die Problemlage hat sich seit September 2015 verändert", sagte sie. In diesem Jahr bekam die LKS 198 Anfragen für Beratungsangebote oder Vorträge. Ein Jahr später, 2016, waren es 348. Aus diesem Grund haben die SPD Ortsvereine Forstinning, Poing, Markt Schwaben und Kirchheim am Freitagabend zu einer Podiumsdiskussion unter dem Titel "Gegen Rechtspopulismus" nach Poing geladen. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Vorsitzenden des SPD-Kreisverbandes Ebersberg Thomas Vogt.

Vor der eigentlichen Diskussion mit Nicola Hieke, dem SPD-Bundestagskandidaten für den Landkreis Rosenheim Abuzar Erdogan und dem Journalisten und Experten für Rechtsextremismus Thomas Witzgall sprach der Poinger Omid Atai in seiner Funktion als SPD-Gemeinderat und Jugendbeauftragter. Er erzählte von fremdenfeindlichen und rassistischen Stickern, die im Frühjahr 2015 an öffentlichen Plätzen in Poing aufgetaucht waren. Atai betonte, es sei ihm schon damals wichtig gewesen, dass die Gemeinde niemals ein Negativvorbild für rechtsextreme Bewegungen werden sollte. Deshalb seien er und ein Team aus einigen Gleichgesinnten täglich unterwegs gewesen, um die Sticker wieder zu entfernen. "Rechtspopulismus ist der Beginn, um zu einem Rechtsextremismus zu kommen", da ist er sich sicher.

Dem stimmte Nicola Hieke zu. Sie sieht keine klare Trennlinie zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. "Die Grenzen sind fließend." Ein Unterscheidungskriterium könne, wenn überhaupt, der Umgang mit der Demokratie sein: Während Rechtspopulisten klassischerweise mehr Demokratie durch mehr Bürger- und Volksentscheide fordern, lehnen Rechtsextremisten eine demokratische Staatsform gänzlich ab. Der Rechtspopulismus sei damit anschlussfähiger an die Gesellschaftsmitte, sagte Thomas Witzgall. Trotzdem seien beide Lager anfällig für Volksverhetzungen, weil sie eine große Gemeinsamkeit eine: "Beide denken in Kollektiven und homogenen Gesellschaftskonstrukten", erklärte Witzgall. Von Gedanken wie "wir sind die Guten; ihr seid die Bösen" sei es bis zur strafrechtlichen Volksverhetzung nicht mehr weit.

Aber was macht den Rechtspopulismus so attraktiv, dass er immer mehr Zulauf findet? Die Konfrontation mit geflüchteten Menschen im Alltag könne es nicht sein, sagte Abuzar Erdogan. Er erinnerte zum Beispiel an die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern im vorigen Jahr, bei der mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen an die rechtspopulistische AfD gingen. Und das, obwohl dort im Jahr 2015 weniger als zwei Prozent aller Geflüchteten in Deutschland lebten. Für ihn liegt die Anziehungskraft daher in den einfachen Antworten, die Rechtspopulisten auf gesellschaftliche Probleme geben.

Trotz der vereinfachenden Strategie seien nicht Menschen mit geringerem Bildungsstand die Hauptzielgruppe, betonte Thomas Witzgall. "Das ist ein Problem, das alle Gesellschaftsschichten betrifft." Das bestätigte Nicola Hieke. So sei eine typische Forderung von Rechtspopulisten etwa auch die härtere Sanktionierung und Bestrafung von Langzeitarbeitslosen.

Die drei Diskutierenden waren sich einig darüber, dass soziale Medien nicht pauschal als verstärkender Faktor für rechtspopulistische Gesinnungen zu bewerten seien. "Das Internet ist entscheidend, aber das gilt gleichermaßen für alle Parteien und Bewegungen", differenzierte Hieke. Ausschlaggebend sei daher eher, wer die digitalen Medien besser für seine Zwecke zu nutzen wisse. Es gehe aber auch darum, dass die Nutzenden Kompetenzen erwerben, um Informationen, die sie über diesen Kanal erreichen, richtig einordnen zu können. Als Stichwort nannte Hieke hier die sogenannten "Fake-News".

Für Hieke fängt die Arbeit gegen Rechtspopulismus bei der Prävention an. "Das ist in Bayern immer noch zu wenig!" Auch wenn sie betonte, dass hier in der Jugendarbeit viel passiert, zum Beispiel in Schulen. Aber es sei "fatal", rechtspopulistische Bewegungen immer nur als Jugendproblem zu sehen. SPD-Bundestagskandidat Abuzar Erdogan möchte "bei aller Selbstkritik" unterstreichen, dass die SPD viel getan habe, um sich gegen Rechtspopulismus zu positionieren. "Uns muss bewusst sein, dass es Menschen gibt, die klar Flagge gegen solche Strömungen zeigen, und dass diese Gruppe die Mehrheit ausmacht."

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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