Poing:Stipendien für angehende Erzieher

Lesezeit: 3 min

Das Kinderland Plus zahlt Schülern an Fachakademien 150 Euro im Monat, wenn sie sich drei Jahre an den Poinger Träger binden. Die Konkurrenz steht dem Vorstoß gelassen gegenüber.

Von Anja Blum, Poing

Gerade im Münchner Umland ist der Erziehermangel eklatant. Alle Träger im Landkreis haben Mühe, Personal für ihre Kindertagesstätten zu finden, teils können Betreuungsplätze deshalb nicht mehr angeboten werden. Dabei ist der Bedarf hoch, weil unter anderem die Lebenshaltungskosten viele Mütter zur schnellen Rückkehr in den Beruf zwingen. Der Träger Kinderland Plus hat sich nun ein Modell aus der freien Wirtschaft abgeschaut, um dem Problem zu begegnen: Das gemeinnützige Unternehmen mit Sitz in Poing bietet Stipendien für angehende Erzieherinnen an. "Viele Firmen gehen an die Hochschulen und werben dort junge Menschen an - da dachte ich: Wieso sollen wir das nicht auch machen?", sagt Geschäftsführerin Maria Boge-Diecker.

Das Angebot richtet sich an Studierende an Fachakademien im zweiten Schuljahr, die im September 2017 mit ihrem Berufspraktikum beginnen. Wer das Stipendium erhält, bekommt von Kinderland Plus im zweiten Ausbildungshalbjahr monatlich 150 Euro - ein kleiner Zuschuss zum Schülerdasein ohne Einkommen. Im Gegenzug soll vereinbart werden, dass der Stipendiat sein Berufsanerkennungsjahr bei Kinderland Plus absolviert und zwei weitere Jahre dort arbeitet. Begleitend bietet der Träger Fortbildungen in offener Pädagogik, persönliches Coaching und Unterstützung bei den Prüfungsvorbereitungen an.

"Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Berufsanfänger mit offener Arbeit meist nicht so viel anfangen können, weil das in der Ausbildung zu kurz kommt", sagt Boge-Diecker. Deswegen wolle man gerade dafür spezielle Weiterbildungen anbieten. Dieses Konzept nämlich - bei dem sich der Tagesablauf vor allem an den individuellen Bedürfnissen der Kinder orientiert - erfordere vom Personal ein hohes Maß an Struktur und zugleich Sensibilität.

Die Kinderland Plus gGmbH ist Träger von 16 Kindertagesstätten in den Landkreisen Ebersberg und Erding und beschäftigt derzeit mehr als 200 Mitarbeiter. Ihr Portfolio reicht von Kinderhäusern aus Krippe, Kindergarten und Hort bis hin zu Angeboten wie Ferienbetreuung. Als gemeinnütziges Unternehmen sei man zwar "nicht gewinnorientiert", so Boge-Diecker, "allerdings braucht es eine gewisse Größe, um wirtschaftlich arbeiten zu können und sowohl den Familien als auch den Mitarbeitern Sicherheit bieten zu können". Zum Beispiel ermögliche es erst eine gewisse Zahl von Fachkräften, unvorhersehbare Ausfälle zu kompensieren. Die Stipendiaten können sich für eine der bestehenden Einrichtungen entscheiden oder aber Erfahrungen beim Aufbau neuer Kindertagesstätten in Vaterstetten und Poing sammeln.

Noch kein Überblick, wie viele Bewerbungen eingehen werden

Wie viele Stipendien vergeben werden, haben die Verantwortlichen noch nicht entschieden. "Wir wissen ja gar nicht, wie viele Bewerbungen eingehen werden, wir lassen uns von den Reaktionen einfach überraschen", sagt die Geschäftsführerin. "Aber Bedarf haben wir immer". Allerdings sei das neue Modell nicht dafür angelegt, akute Löcher in der Personaldecke zu stopfen, vielmehr solle es zu einer langfristig tragfähigen Personalsituation beitragen.

"Wir wollen gute Leute finden und an uns binden, wollen ihre Lust am Mitgestalten wecken und ihnen eine berufliche Heimat bieten." Mit der Bewerbung eingereicht werden sollen zwar auch Zeugnisse, doch laut Boge-Diecker kommt es nicht so sehr auf gute Noten an: "Entscheidend ist die Persönlichkeit, welche Erfahrungen, welches Engagement jemand mitbringt."

Ganz entspannt steht die Konkurrenz, also die anderen Kita-Träger im Landkreis, dem Vorstoß von Kinderland Plus gegenüber. "Die Lage ist so angespannt, da darf man gerne kreativ sein", sagt Gabriele Pfanzelt, beim Awo-Kreisverband für den Bereich Kinder und Jugend zuständig, und ihr Kollege Christian Althoff vom BRK sagt: "Jeder nutzt seine Möglichkeiten, und das ist auch okay so." Konkurrenzgefühle kämen bei ihm jedenfalls nicht auf, dafür sei das BRK "zu stark und zu autark".

Klar könnten finanzielle Anreize einen Anbieter attraktiver machen als den anderen, deswegen stimmten die Träger ihre Löhne miteinander ab, doch Geld allein sei auch nicht alles: "Wichtig sind auch die Arbeitsbedingungen, genügend Personal, oder die Atmosphäre in der Einrichtung", sagt Althoff. Dementsprechend erlebe er oft, dass junge Menschen, die sich während ihrer Anfänge beim BRK, zum Beispiel bei einem Praktikum, dort wohlfühlten, später gerne wiederkämen und dem Träger oftmals auch lange erhalten blieben.

Für Pfanzelt liegt das Problem generell nicht beim Geld, die pädagogischen Berufe seien gar nicht mehr so schlecht bezahlt, sagt sie. Personalmangel entstehe vielmehr, weil der Ausbildungsbetrieb mit dem Ausbau der Kinderbetreuung nicht mehr Schritt halte - gerade im Münchner Umland. "Die Einrichtungen schießen seit Jahren wie Pilze aus dem Boden." Insofern setzt Pfanzelt an einem anderen Punkt an: "Eine Fachakademie im Landkreis, das wäre auf jeden Fall eine sinnvolle Investition", sagt sie, denn müssten die jungen Ebersberger nicht mehr nach München pendeln, mache das die Ausbildung gleich attraktiver. "Ja, da wäre viel gewonnen", sagt auch Boge-Diecker. Schließlich eint die Träger das gleiche Ziel: Die Situation zu verbessern.

Wer sich für ein Stipendium bewerben möchte, kann dies bis zum 31. Januar unter stipendium@kinderland-plus.de tun. Einzureichen sind ein Motivationsanschreiben, die Beurteilung aus dem letzten SPS-Jahr sowie das Jahreszeugnis 2015/16. Einzelheiten unter www.kinderland-plus.de.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: