Poing:Rad weg vom Radweg

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Die Gemeinde ändert ihre Verkehrsregeln

Von Jan Schwenkenbecher, Poing

Als die Fahrradfahrerin sich samt Kinderanhänger auf dem Gehweg an der Kirchheimer Allee nähert, muss Poings Bürgermeister Albert Hingerl zur Seite treten. Mit den Stiefeln in den Schnee, der Weg ist nicht groß genug für beide. In Zukunft soll das nicht mehr passieren - die "Gemeinde setzt die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht um", wie sie auf der Webseite schon Anfang November in feinstem Behördensprech ankündigte. Zu deutsch: Radler müssen auf die Straße - Rad weg, vom Radweg.

Irgendwann in den Weihnachtsferien ist es passiert, da änderte die Gemeinde die Verkehrsregeln für Fahrradfahrer. Außer in der Kirchheimer Allee passierte das noch in der Bergfeldstraße, Am Hanselbrunn und in der Friedensstraße. Vor den Ferien waren dort noch diese blauen Schilder, auf denen sowohl ein Radler als auch Fußgänger zu sehen waren und die beiden erlaubten, den Weg gemeinsam zu nutzen. Gleichzeitig bedeutete das für die Radler aber auch, dass sie dort fahren mussten, die Straße war tabu.

Nun sind die Schilder weg. Die Pflicht, den Radweg zu benutzen ist aufgehoben. In der Kirchheimer Allee, der Friedensstraße und Am Hanselbrunn ist es sogar verboten, da ist der Gehweg nur für das Fußvolk freigegeben. Und für Kinder bis acht Jahre, die müssen auf dem Gehweg fahren. Bis zehn Jahre können sie es sich aussuchen, Ältere jedoch dürfen dort nur in Begleitung ihrer Kinder fahren, der Rest muss auf die Straße.

Warum aber die Änderung? "Über 90 Prozent der Unfälle mit Radfahrern geschehen, wenn Autofahrer abbiegen und die Radler nicht sehen", sagt Jürgen Rappold, der Poinger Fachbereichsleiter für Sicherheit und Ordnung. Besonders in der Kirchheimer Allee, wo der Radweg in beide Richtungen führte, sei dies ein Problem gewesen. Auf der Straße würden sie von den Autofahrern besser wahrgenommen. "Man fühlt sich zwar auf der Fahrbahn zunächst etwas unsicher", sagt Rappold, faktisch sei es aber sicherer. "Das Rad gehört auf den Radweg - das ist ein Irrglaube", so Rappold, "der natürliche Raum des Fahrrads ist die Straße."

"Das ist uns nicht selbst eingefallen", ergänzt Bürgermeister Hingerl noch ganz offen, "ich dachte auch immer, dass Radwege sicherer wären. Das hat sich jetzt durch aktuelle Gutachten geändert." Gegen das mulmige Gefühl auf der Fahrbahn hat Jürgen Rappold einen Tipp: "Das Landratsamt empfiehlt, ruhig etwas weiter auf der Straße zu fahren." Das sei für Autofahrer und Radler angenehmer. Wie angenehm es für die eingangs erwähnte Radfahrerin tatsächlich ist, sich mit ihrem Kinderanhänger von einem Lkw überholen zu lassen - und ob es wirklich sicherer ist - das wird sich zeigen.

© SZ vom 10.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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