Poing:In der Druckkammer

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Bei einer Veranstaltung in Poing zum zunehmenden Fluglärm in der Region erfahren die Gäste, dass sie nur mit anhaltendem Protest gehört werden

Von Viktoria Spinrad, Poing

Brauchen wir noch mehr Flugverkehr? Was Weltenbummler und wirtschaftlich Denkende oftmals bejahen, ist für die Fluglärmgegner des Bürgervereins Freising eine hypothetische Frage. Rund 30 Gäste trafen sich am Mittwochabend zum Sommergespräch in der Poinger Einkehr, zu dem der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer geladen hatte. "Der Flughafen als betriebswirtschaftlicher Faktor ist ein Erfolg", betonte Schurer zu Beginn. Der nördliche Landkreis Ebersberg zähle mittlerweile voll und ganz zur Flughafenregion. Was das bedeutet, erklärten Reinhard Kendlbacher und Oswald Rottmann vom Bürgerverein Freising.

Was würde eine dritte Startbahn bedeuten? "375 Hektar würden versiegelt", sagte Kendlbacher, zudem würden 4500 Hektar geschlossenes Vogelschutzgebiet zerstört. Der Hauptkritikpunkt des Bürgervereins: "Die Basis von allem sind Prognosen von Intraplan - und die sind falsch." Intraplan ist ein Beratungsunternehmen für Verkehrsplanung. Dass es wirklich einen Bedarf für mehr Flüge gibt, bezweifelt Kendlbacher: "Denn die Flugzeuge werden immer größer und enger, um die Sitzplätze billiger zu machen. Wie kann ein anerkanntes Institut nur so falsch liegen?", fragte er in die Runde.

Seine Präsentation zeigte, dass statt 105 Passagiere in Zukunft rund 115 in einer Maschine untergebracht würden. "Der Flughafen kalkuliert mit zu wenigen Passagieren pro Flugzeug", so die Kritik. Die Aussage, dass man die vielen Passagiere nicht mehr bewältigen könne, sei also "schlichtweg falsch". Der seiner Ansicht nach nächste Fehler in der Rechnung derjenigen, die eine dritte Startbahn befürworten: "Veränderungen in der Branche werden überhaupt nicht berücksichtigt." Als Beispiel führt er die Schieflage von Air Berlin an, auch Easyjet habe große Probleme. "Es herrscht ein gewaltiger Konkurrenzdruck, die Airlines bekämpfen sich auf's Blut", so Kendlbachers Einschätzung.

Das zentrale Thema des Abends widmete sich allerdings dem Fluglärm. Kendlbacher zitierte ein Gutachten, nachdem schon 45 Dezibel krank machten. Aber erst 55 Dezibel müssten Flughafen für Lärmschutzmaßnahmen wie etwa schalldichte Fenster der Anwohner aufkommen. "Im Prinzip ist das kein Lärmschutzgesetz, sondern ein Lärmgestattungsgesetz", monierte er. Oswald Rottmann zitierte eine Studie, nach der Schlafstörungen sogar schon ab 40 Dezibel auftreten. Außerdem lenkte er den Blick auf die "unsichtbare Gefahr": Ultrafeinstaub, der sich nicht wiegen lasse, aber 90 bis 95 Prozent vom Staub aus den Fliegern ausmache. Sein Bürgerverein habe ein Messgerät angeschafft, mit dem er eigene Messungen im Landkreis vornimmt. Demnach weist die unmittelbare Region um den Flughafen das zehnfache der Grundbelastung auf, im Radius von sechs Kilometern das sechsfache. Die Quintessenz sei, den Flugverkehr zu zähmen, schließlich gebe es bei Flugzeugen keine Dieselfilter.

Ein Zuhörer fragte, warum sich die Staatsregierung "so mit dem Projekt einer dritten Startbahn verheiratet". Kendlbacher vermutete, dass Finanzminister Markus Söder (CSU) die treibende Kraft sei. "Söder sagt immer: Der Flughafen ist für Bayern das Tor zur Welt. Mit dem Ausbau von Flughäfen in Asien verliere er allerdings zunehmend seine Bedeutung als Drehkreuz.

Eine Poingerin sprach das Funkfeuer oberhalb von Ottersberg am Rande von Poing an, das zur Flugsicherung im südbayerischen Raum bis nach Österreich genutzt wird. Kendlbacher betonte, dass sich das Funkfeuer nicht eben umstellen lasse. Allerdings seien die vielen Kurzstreckenflüge ein Problem: Von München aus würden 30 Prozent Kurzstrecke, also Distanzen von bis zu 500 Kilometern geflogen.

Zum Schluss fragte eine Plieningerin, was die betroffenen Gemeinden eigentlich davon abhalte, sich im Protest zusammenzutun. Ewald Schurer betonte, es sei wichtig, schriftliche Beschwerden an die Rathäuser zu senden. Rottmann fügte eilig hinzu: "Erst müssen die Bürger zum Bürgermeister und die dann zum Landrat. Dann erscheinen die Landräte in der Staatskanzlei. Wolle man sich gegen den zunehmenden Fluglärm wehren, müsse man Druck aufbauen.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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