Poing:Im Namen der Menschlichkeit

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Dieter Knautz will Kindern in den verseuchten Gebieten helfen

Von sebastian Hartinger, Poing

"Heute denke ich nicht darüber nach, sonst würde ich mich erschießen". Das sagte ein Betroffener aus dem Gebiet Gomel im Gespräch mit Dieter Knautz. Knautz organisiert mit seiner 1994 gegründeten Initiative "Gomel Hilfe Poing" Hilfstransporte in die verseuchten Gebiete Weißrusslands. Für seine Verdienste erhielt er unter anderem das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, sowie ein Dankschreiben vom weißrussischen Präsidenten Aleksandr Lukaschenko.

Weißrussland war und ist von der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl im April 1986 am stärksten betroffen. "Die Menschen in dieser Region sind verdammt, sich selbst zu versorgen", erklärt Knautz. Pilze gehören bei ihnen zum Grundnahrungsmittel. Was sie hier sammeln, wird größtenteils verkauft, ohne auf Radioaktivität untersucht zu werden, erklärt er. "Sie wissen von der Problematik, aber keiner weist sie auf die Folgen hin. Dort drüben wird alles gegessen, was ins Geschäft kommt." Die Cäsiumbelastung soll laut der staatlichen Einrichtung für Waldschutz und Monitoring "Belesosastschita" bei knapp 42 Prozent der untersuchten Waldpilze deutlich über dem Richtwert liegen. Zahlen der offiziellen Statistiksammlung "Gesundheitswesen Belarus" führen das Gebiet um Gomel Gebiet auf Platz eins in der Krebsstatistik.

Deutschland habe aus der Reaktorkatastrophe gute Schlüsse gezogen. Weißrussland hingegen betreibe, sagt Knautz, eine nicht nachvollziehbare Politik. Besonders empört ist er vor allem über den Bau eines neuen Atomkraftwerks mit dem die wirtschaftliche Lage im Land verbessert werden soll. Einen Kredit in Milliardenhöhe hat das Land in Russland aufgenommen. Das Atomkraftwerk entsteht nahe der Ortschaft Ostrowets, und soll 2018 fertiggestellt werden.

"Lukaschenkos wichtigstes Argument ist, dass sie unabhängig vom russischen Erdöl und Erdgas werden wollen", sagt er. "Auf meine Frage, wohin der Atommüll gebracht wird, wurde mir gesagt, dass die Russen diesen für sehr viel Geld nehmen würden." Dass sich das Land damit in die nächste Abhängigkeit begeben, mache für ihn überhaupt keinen Sinn. "Das Thema dürfe er aber drüben gar nicht ansprechen." Gomel gehöre zu den Städten mit einer der weltweit höchsten Krankheitsraten und einer ebenfalls hohen Arbeitslosigkeit. Aus politischen Gründen werde dies aber geschönt, sagt Knautz. Er wolle dem nicht tatenlos zusehen. "Kinder sterben früher, dass lasse ich nicht zu. Ich möchte einer der Gerechten sein."

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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