Poing:Hindernisse an allen Ecken und Enden

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Der SPD-Ortsverein Poing testet mit einem Alterssimulationsanzug, wie barrierefrei der Weg in der Ortsmitte ist. Vor allem die Stufen zum S-Bahnhof stellen eine große Schwierigkeit dar

Von Sophia Kleiner, Poing

An der Ecke zwischen der Hauptstraße und der Plieninger Straße wirft sich ein Stuntman in Montur. Am ganzen Körper werden Applikationen aufgesetzt. Eine überdimensionale Brille und Kopfhörer machen das Bild perfekt. Doch der vermeintliche Schutz ist eine schwere Last: Die Aufsätze wiegen insgesamt 31,5 Kilogramm. Der Anzug soll die körperliche Verfassung eines 75-jährigen mit Gelenkproblemen simulieren, erklärt Peter Maier, SPD-Fraktionssprecher im Gemeinderat und Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Poing. Der Ortsverein der Sozialdemokraten nimmt an der Kampagne der SPD-Landtagsfraktion "Bayern barrierefrei" teil und testet, wie es um die Barrierefreiheit in Poing bestellt ist. Gemeinderat und Jugendbeauftragter Omid Atai dient dabei als Versuchskaninchen und soll in einem Alterssimulationsanzug den Weg bis zur Ortsmitte bewältigen.

Atai geht behäbig auf die Umstehenden zu. "Jetzt bin ich ein bisschen schwerer", sagt der Jugendbeauftragte. "Warum redest du so laut?", zieht ihn Maier auf. Durch die Kopfhörer höre er weder die Stimme des anderen noch seine eigene deutlich, rechtfertigt sich der junge Mann. Außerdem ziehe ihn das Gewicht runter, sein Sichtfeld sei stark eingeschränkt. Die Poingerin Ilse Mayr scheint dagegen noch wesentlich fitter zu sein, obwohl sie von Atai sicherlich einige Jahrzehnte trennen. Sie führt mit dem Jugendbeauftragten den Zug an. Die erste Hürde stellt eine Ampel dar. Atai kann lediglich ein rotes Schimmern wahrnehmen. Bis die Gruppe die Straßenseite überquert hat, ist die Ampel schon wieder rot.

Ein Alien? Nein, nur Jugendbeauftragter Omid Atai. Er trägt eine Brille, die ihn seine Umwelt nur verschwommen wahrnehmen lässt. (Foto: Christian Endt)

Immer wieder wird der Zug von Passanten überholt. Nach dem Ausgang des Parkhauses kommt für Atai der erste Lichtblick: eine Bank. Diese wurde auf Anregung der Arbeiterwohlfahrt Poing hin aufgestellt, sodass sich die Leute nach dem beschwerlichen Weg ausruhen können, erklärt Maier. "Jetzt kommt unsere erste Pause, weil unser älterer Herr nicht mehr kann", sagt Bürgermeister Albert Hingerl. Doch Maier bleibt hartnäckig: "Keine Pause. Bewegung, Bewegung, Bewegung." Die Umstehenden müssen lachen. Für Atai heißt es: tief Luft holen, Schweiß abwischen und vorwärts. "Eigentlich müsste ich das ja von der Feuerwehr her kennen. Wenn ich die Atemmaske aufhabe, fällt das Atmen auch schwer, aber das hier ist einfach unglaublich anstrengend", sagt Atai. Und dabei hat Atai die größte Hürde noch vor sich: die Treppen von der Ortsmitte hoch zur S-Bahn. Diese seien verschoben und machen es so unnötig schwer, nach oben zu kommen, sagt Maier. Atai stößt immer wieder gegen die Stufen. Er könne durch seine Aufsätze die Füße nicht richtig abrollen und auch nicht so gut sehen, wo die eine Stufe aufhört und die andere anfängt, erklärt Atai.

Als er endlich oben angekommen ist, fährt eine S-Bahn ein. "Da steigst du lieber nicht ein, sonst kommst du nicht wieder rechtzeitig raus", bremst Maier den Jugendbeauftragten. Atai hat ohnehin anderes im Kopf. "Gibt es hier keine Bank?", fragt er. Ilse Mayr stellt ihm ihren Rollator zur Verfügung. Die Vorsitzende des SPD-Ortsvereins, Cornelia Gütlich, muss Atai jedoch festhalten, damit er nicht durch die schweren Gewichte an seinem Rücken nach vorne kippt. Vor dem Citycenter möchte Atai ein kleines Mädchen begrüßen. Doch die Kleine versteckt sich schnell hinter ihrer Mutter. "Ich hoffe, es kommen jetzt keine Meldungen über Aliens", sagt einer der Umstehenden und lacht.

Gemeinsam mit Seniorin Ilse Mayr und dem SPD-Ortsverein (rechts Bürgermeister Albert Hingerl) geht Atai Richtung Ortsmitte. (Foto: Christian Endt)

Die Strapazen - vor allem die Treppen zur S-Bahn - haben Atai sichtlich zu schaffen gemacht. "Man sieht, wie dringend wir die neue Unterführung brauchen", sagt Peter Maier. Der Weg von Poing-Süd nach Poing-Nord sei bisher nur durch Hilfswege gewährleistet, erklärt Maier. Auch der Bürgermeister sieht dringenden Handlungsbedarf. Der Platz zwischen S-Bahn und Citycenter sei extra für eine barrierefreie Unterführung frei gelassen worden. Jetzt müsse der Freistaat auch dafür aufkommen, dass jeder sicher zur anderen Seite kommt, sagt Hingerl.

© SZ vom 26.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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