Poing:Flüssige Bakterien

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Statt Chemie benutzt eine Poinger Firma Kompost, aus dem Mikroorganismen gewonnen werden

Von Max Nahrhaft, Poing

Auf den meisten Feldern und Anbauflächen in Deutschland werden chemische Mittel eingesetzt. Ziel ist es, dass Pflanzen mehr Ertrag abwerfen, schneller wachsen oder resistent gegen Schädlinge werden. Allerdings laugen bei einem solchen exzessiven Einsatz von Chemie die Böden aus und verlieren ihre Festigkeit. Dagegen will Georg Boehm vorgehen und hat eine biologische Alternative entwickelt: Zusammen mit seinen Kollegen hat er einen Weg gefunden, aus Kompost Mikroorganismen in flüssiger Form zu gewinnen. Diese Flüssigkeit wird dann versprüht, um das Feld und die Pflanzen zu regenerieren. Das ist eine umweltschonende Methode, die den Boden nicht belastet. "Man könnte die Flüssigkeit sogar trinken, wenn man will", sagt Boehm und lacht.

Vor 15 Jahren hat der Poinger, der früher Sportanlagen plante, sich erstmals Gedanken über das Thema gemacht, bis er dann im Jahr 2008 bei einer Messe einen Kollegen traf, der ein Vorläuferprodukt präsentierte. Seitdem arbeiten die beiden Herren - inzwischen im Seniorenalter - an einer Verbesserung des Produkts. Da die Mikroorganismen nur bei einer bestimmten Temperatur überlebensfähig sind, benötigten sie zum Beispiel eine Heiz- und Kühlungsanlage, um die Idealtemperatur halten zu können. "Dafür mussten wir auf computergesteuerte Kläranlagentechnik zurückgreifen", sagt Boehm.

Da die insgesamt zehn engagierten Mitstreiter die Entwicklung nicht alleine leisten konnten, baten sie verschiedene Universitäten um Mithilfe. Inzwischen haben sie gemeinsam mit der TU, der Humboldt-Universität und vielen anderen Hochschulen Forschung betrieben und ihr Produkt modifiziert. Schon heute wird das fertige Erzeugnis in kleinen Mengen auf der ganzen Welt angewandt. Auf Feldern in Spanien, Chile, aber auch im Landkreis kommt die Flüssigkeit mit dem Namen "Life Essence" im Testbetrieb zum Einsatz.

Was noch fehlt, ist eine eigenes Unternehmen und ein Standort für eine größere Produktion. Da das Projekt bisher unter dem Namen einer anderen Firma lief, wollen Boehm und Co. nun ein eigenes Gewerbe für ihre Musterproduktion anmelden. Zudem sind sie momentan auf der Suche nach einer geeigneten Produktionsstätte. "Weil wir uns selbst sehr hohen hygienischen Standards verschreiben, schauen wir gerade nach einer leeren Molkerei im Umkreis. Dort würden Rahmenbedingungen herrschen, die wir für unsere Herstellung bräuchten", erklärt Boehm.

Wenn es dann soweit ist, soll die Flüssigkeit auf landwirtschaftlich genutzten Feldern und auf Pflanzen versprüht werden. Die Mikroorganismen sind nämlich nicht nur in der Lage, Böden zu regenerieren, sondern können auch Pflanzen vorbeugend gegen Blattkrankheiten schützen.

Georg Boehm und seine Kollegen entsprechen nicht dem typischen Bild junger Gründer - vielmehr sind sie bodenständige Visionäre, die sich gegen die Lobby der Chemie zur Wehr setzen wollen. Sie sind nicht auf persönliche Bereicherung aus, sondern denken langfristiger: Das Unternehmen soll später einmal den Kindern übergeben werden, damit diese sich auch in Zukunft für Natürlichkeit stark machen können.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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