Poing:Ethik und Sachzwänge

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Bürgermeister Albert Hingerl bei der gut besuchten Podiumsdiskussion im Poinger Bürgerhaus. (Foto: Christian Endt)

In Poing unterhalten sich Religionsvertreter über Integration

Von Max Nahrhaft, Poing

Besonders jene Menschen, die keinen Kontakt zu Ausländern haben, haben häufig Angst vor dem Fremden. Um solchen Mechanismen entgegenzuwirken, ist auch die Wortwahl sehr wichtig. Warum sagt man zum Beispiel Flüchtling und nicht Schutzsuchender? "Man muss die Perspektive wechseln und sich in die Menschen hineinversetzen, die nach Deutschland kommen und Schutz suchen", sagte Mahmut Yavuz, der stellvertretende Vorsitzende des Vereins Ditib Ulu Moschee. Zusammen mit Izzet Tüymen hat er die moslemische Gemeinde Markt Schwaben auf einem Vortragsabend zur Flüchtlingsdebatte im Poinger Bürgerhaus vertreten. Geladen waren außerdem der evangelische Pfarrer Michael Simonsen und sein katholischer Kollege Michael Holzner. Geleitet wurde die Diskussion von Poings Bürgermeister Albert Hingerl, Veranstalter des Abends war schließlich die Gemeinde. Ihrer Einladung ins Bürgerhaus gefolgt waren etwa 80 Gäste.

Im Laufe des Dialogs auf dem Podium wurde schnell klar, dass die verschiedenen Religionen in wichtigen Punkten gar nicht so unterschiedlich sind, wie mancher vielleicht glaubt. Alle Vertreter bestätigten, dass die moralischen Werte ihrer Religionen fast gleich seien. Überall hätten die Menschlichkeit und die Gastfreundschaft einen sehr hohen Stellenwert und an diesen dürfe auch nicht gerüttelt werden. Pfarrer Holzner ging sogar noch weiter: "Wir brauchen nicht nur Gastfreundschaft, sondern auch Herzlichkeit. Wichtig ist, dass wir die Menschen nicht nur bei uns aufnehmen, sondern dass wir auch von ihnen lernen."

Alle Religionsgemeinschaften engagieren sich auch vor Ort, um die Schutzsuchenden bestmöglich in die Gesellschaft aufzunehmen. "Unsere Kirche hat transparente Mauern, in denen wir Hilfe unabhängig vom Glauben gewähren", so Simonsen. Er verwies auf die evangelische Diakonie, die Asylsozialberatung anbiete und vor allem auf bürgerliches Engagement setze. Auch die katholische Kirche beteiligt sich an der Integration: "Wir haben in Anzing eine Immobilie zu Verfügung gestellt, in der jetzt Flüchtlinge untergebracht sind. Außerdem versuchen wir weiterzuhelfen, wenn es rechtliche Probleme oder Missverständnisse mit den Ämtern gibt", sagte Holzner. Die moslemische Gemeinde in Markt Schwaben bietet den Flüchtlingen offenes Wlan an, damit sie zu ihren Verwandten Kontakt aufnehmen und online Deutsch lernen können. "Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg", so Yavuz.

"Wir schaffen das!" - Dieses Zitat der Bundeskanzlerin Angela Merkel, das seit Monaten im ganzen Land kontrovers diskutiert wird, war auch Thema in Poing. "Natürlich gibt es politische Sachzwänge, aber wenn wir uns alle die religiösen Werte ins Gedächtnis rufen, dann wissen wir, wie wir mit der Situation umzugehen haben", sagte Simonsen. Und Holzner assistierte: "Populistische Rufe nach einer Obergrenze haben nichts mit christlichen Werten zu tun und sind in der Praxis nicht umsetzbar." Der katholische Geistliche distanzierte sich auch ganz klar von Organisationen wie Pegida, die das Christentum instrumentalisierten, um unbegründete Ängste zu schüren. "Eine solche Pseudo-Religiosität ist nichts anderes als Meinungsmache."

Yavuz sieht die Situation ganz pragmatisch: "In Ländern wie Jordanien oder dem Libanon leben mehr Flüchtlinge als Staatsbürger, und die schaffen das auch. Ich sehe da in Deutschland kein Problem, solange wir die Menschen integrieren." Die Religionen könnten dabei ein Ansatzpunkt sein, um sich in einem fremden Land zurecht zu finden.

Am Ende des Abends beschlossen die vier Religionsvertreter auf dem Podium, weiterhin in Kontakt bleiben zu wollen, um "gemeinsam den Menschen zu dienen". "Sehen Sie, da hat sich der Abend schon gelohnt, wenn wir mit einem solchen Beschluss nach Hause gehen können", sagte Bürgermeister Hingerl hoch erfreut.

© SZ vom 25.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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