Poing:"Die Hälfte der Afghanen darf bleiben"

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Beim Blaulichtempfang der Ebersberger Kreis-CSU sprach Minister Thomas de Maizière vor 120 Gästen und stellte sich anschließend deren Fragen. (Foto: Christian Endt)

Beim Besuch des Innenministers werden Forderungen nach einem Politikwechsel laut

Von Anselm Schindler, Poing

Überlastung von Ehrenamtlichen, Terrorabwehr und ertrinkende Flüchtlinge - die Diskussion, der sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei seinem Besuch am Donnerstagabend in Poing stellen musste, hatte es in sich. "Das ist schon schwere Kost hier", sagte de Maizière. Nachdem er im Feuerwehrhaus zunächst über den Wert ehrenamtlichen Engagements referiert hatte, blieb etwa eine Dreiviertelstunde Zeit für Fragen und Ideen der Gäste. Diese nutzten die Gelegenheit, den Minister mit Unbequemem zu konfrontieren.

Während nur wenige hundert Meter vom Feuerwehrhaus entfernt 300 Menschen gegen Abschiebungen nach Afghanistan - und damit auch gegen den Kurs de Maizières - demonstrierten, bestimmte auch im Feuerwehrhaus die Flüchtlingsdebatte die Diskussion: Elisabeth Stanglmeier aus Anzing machte die Bundesregierung für die 7600 ertrunkenen Flüchtlinge mitverantwortlich, die im vergangenen Jahr im Mittelmeer starben. Auch die Situation der Schutzsuchenden, die bei eisigen Temperaturen gerade auf der Balkan-Route feststecken, sprach Stanglmeier an. "Wenn eine Partei das C im Namen trägt, dann hat sie auch die Aufgabe, so was zu verhindern", sagte die Anzingerin, die seit dem Jugoslawienkrieg Flüchtlinge unterstützt.

De Maizière wirkte angesichts der Vorwürfe stellenweise brüskiert. "Ich verstehe mich als Christ, das treibt mich um." Die Toten seien nicht Schuld der europäischen oder deutschen Politik, sondern der Schlepperbanden, welche die Flucht erst ermöglichten.

Elisabeth Stanglmeier warb bei der Diskussion auch für einen effektiveren Familiennachzug, gerade für junge Geflüchtete biete die Familie Stabilität. Zudem betonten ehrenamtlich Engagierte, dass die Regierung die Integration sabotiere, wenn sie es Asylbewerbern erschwere, Arbeit zu finden. Sie sehe es auch nicht ein, erklärte Stanglmeier, dass Bewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsländern zur Untätigkeit verdammt seien.

Gerade vom Poinger Helferkreis gab es in der Vergangenheit Denkanstöße in diese Richtung. Götz Kirchhoff, der die ehrenamtliche Arbeit bei den Poinger Flüchtlingshelfern koordiniert, hat pünktlich zum Besuch des Ministers einen offenen Brief geschrieben, der die Forderung nach einem erleichterten Arbeitsmarktzugang enthält. In einer Wortmeldung wandte er sich direkt an de Maizière: "Nehmen Sie die Chance wahr, die Helferkreise sind bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten".

Und dann ging es natürlich auch um Afghanistan: Ein wunderschönes Land, wie de Maizière sagt, "von der Landschaft her, eine uralte Kulturnation übrigens. Ich war bereits 13 Mal dort, so oft wie kein anderer deutscher Politiker". Jahrhundertelang hätten die verschiedenen Religionsgemeinschaften in Afghanistan friedlich zusammengelebt, berichtete der Innenminister. Leider sei es mit dem Frieden heute vorbei. "Die Sicherheitslage ist sehr volatil. Aber es gibt auch Gegenden, die deutlich sicherer sind. Und die Taliban-Angriffe richten sich gegen Repräsentanten des Systems und nicht gegen normale Leute." De Maizière nannte Zahlen: Die Anerkennungsquote bei afghanischen Staatsbürgern liege bei 50 Prozent, "die Hälfte darf also hier bleiben".

Für die, deren Asylantrag abgelehnt werde, sieht der Innenminister "keinen Grund, dass sie hier bleiben". Behutsam solle man bei den Abschiebungen vorgehen, "die nicht einfach dort auskippen". Aber auch Entschlossenheit gehöre zu seinem Kurs, so de Maizière. Am Ende ging es kurz um die innere Sicherheit. Aus dem Publikum forderte jemand, mehr Polizisten mit Maschinengewehren auszurüsten und wurde prompt von einer Ehrenamtlichen ausgebremst, die diesen Vorschlag "furchtbar" findet. Wenn es um islamistischen Terror gehe, seien größere Bemühungen in der Integration die beste Prävention.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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