Pläne nach der Reifeprüfung:Raus ins Leben

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Die Abiturienten bekommen an diesem Freitag ihre Noten. Sie freuen sich auf Dinge, die sie wegen der Schule versäumten

Von Camille Scherer (Texte) und Peter Hinz-Rosin (fotos)

So stressig wie die einzelnen Tage und Prüfungen waren, so unterhaltsam ist es nun, sich darüber auszutauschen. Und auch darüber, was nun kommt. Nach dem Abitur. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Aufforderung "wenn möglich, bitte wenden", von der süßen Stimme eines Navigationssystems kennt fast jeder. Im Auto ist sie nicht weiter verwunderlich. Für Verwirrung sorgte dieser Befehl allerdings bei den diesjährigen Abiturienten in Kirchseeon, denn dass während der Matheprüfung eine Aufforderung zum kollektiven Blattwenden kommen würde, darauf hatte sie keiner der Lehrer vorbereitet. Einer dieser Lehrer hatte vor einer der schriftlichen Prüfungen vergessen, seine Handynavigation auszuschalten und so erklang das "bitte wenden", im Prüfungssaal.

Nachdem dieses Missverständnis geklärt worden war, bemerkten die nervösen Abiturienten, dass die Vorlagen für die Matheaufgaben "irgendwie ranzig und schlampig zusammengetackert" aussahen. So erzählen das Marco Porriciello und Nikolas Ikonomou aus Kirchseeon ein paar Wochen nach den Prüfungen, und kurz vor der Notenbekanntgabe an diesem Freitag. In einer Runde aus jungen Männern und Frauen, die an den Gymnasien Kirchseeon, Grafing und Markt Schwaben Abitur geschrieben haben, sind sich alle einig: So stressig wie die einzelnen Tage und Prüfungen waren, so unterhaltsam ist es nun, sich darüber auszutauschen. Und auch darüber, was nun kommt. Nach dem Abitur.

Die einen starten mit mehr, die anderen mit weniger Wehmut in ihr neues Leben. Marco Porriciello vom Gymnasium Kirchseeon erzählt, dass er große Erleichterung verspüre: "Endlich ist das Lernen vorbei, und ich kann mich wieder anderen Dingen widmen. Natürlich werde ich die Schule auch ein bisschen vermissen; aber weniger den Unterricht, sondern mehr die gemeinsamen Projekte."

Vergiftet ins Klassenzimmer

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Marco Porriciello, 17 Jahre, Gymnasium Kirchseeon Abi-Mantra: e° ist auch 1. Frühstück am Abi-Morgen: Schweizer Zopf mit Honig. Song am Abi-Morgen: "Toxicity" von System of a Down. Bester Motivationsspruch: Pessimistischer Lehrer: "Das wirst du ohnehin nie erreichen, aber träumen darfst du ja!" "Marco, Angst ist auch nur ein Gefühl".

Mit Elvis zur Prüfung

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Jana Behnke, 18 Jahre, Gymnasium Markt Schwaben Abi-Mantra: Einfach leer. Frühstück am Abi-Morgen: Nichts - oder zumindest nicht vor der Abiprüfung sondern währenddessen. Song am Abi-Morgen: "Hound dog" von Elvis Presley natürlich. Bester Motivationsspruch: "Der Führerschein ist doch viel schwerer" und, "Politiker haben auch nicht unbedingt den erfolgreichsten Bildungsweg".

Nichts als Stille

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nicolas Zanner, 17 Jahre, Gymnasium Markt Schwaben Abi-Mantra: Gleich ist es vorbei. Frühstück am Abi-Morgen: Nichts, ich hab' erst im Abi ausgiebig gefrühstückt. Song am Abi-Morgen: Keines, ich habe an diesem Tag alles ausgemacht. Bester Motivationsspruch: Keine Sorge, danach kannst du endlich machen was du willst.

Müsli mit Seelsorger

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sonja Block, 18 Jahre, Gymnasium Kirchseeon Abi-Mantra: Jetzt noch schnell Abi schreiben und dann ab nach Peru! Frühstück am Abi-Morgen: Müsli und ganz viel Kaffee. Song am Abi-Morgen: "Can't stop this feeling" von Justin Timberlake. Bester Motivationsspruch: "Du siehst aber auch immer so aus, als hättest du Spaß im Abi." Ein Bekannter gab mir die Nummer von einem Seelsorger.

Hand in Hand mit Gott

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Julian Latussek, 17 Jahre, Gymnasium Markt Schwaben Abi-Mantra: Wirklich, danach ist es vorbei. Frühstück am Abi-Morgen: Semmeln. Song am Abi-Morgen: "God's Plan" von Drake, allein schon wegen dem Titel. Bester Motivationsspruch: "Du schaffst das schon" (haha, vielen Dank) und "wir sind stolz auf dich", "du bist gut vorbereitet" und "Danach hast du es ja dann geschafft".

Verträumt und verschlafen

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Fabian Hoppmann, 18 Jahre, Gymnasium Grafing Abi-Mantra: Irgendwas wird schon richtig sein! Frühstück am Abi-Morgen: Viel Kaffee und ein Marmeladentoast Song am Abi-Morgen: "Dreamer" von Ozzy Osbourne, das hat mich beim Lernen vor dem Einschlafen gerettet. Bester Motivationsspruch: "Wenn du das Abi hast, dann kannst du alles studieren...aber nur wenn es gut wird!" "Immer dran denken, in X Wochen ist euer Abitur!"

Abba ich will hier raus

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Christina Görisch, 18 Jahre, Gymnasium Grafing Abi-Mantra: Oh Gott, was mach ich hier? Vergiss die Rückseite von der Angabe nicht! Durchhalten, gleich ist es vorbei! Frühstück am Abi-Morgen: Marmeladentoast. Song am Abi-Morgen: Wahrscheinlich einer von Abba, das weiß ich aber nicht mehr so genau, ist schon so lang her. Bester Motivationsspruch: In der Pause beim Abi: "Christina, Sie sehen so verängstigt aus!". Nerviger Standard wie: "Viel Glück beim Abitur" und natürlich die Lehrer, die schon seit der fünften Klasse und in jeder Stunde sagen: "Das braucht ihr alles fürs Abitur."

Fabian Hoppmann, der in Grafing Abitur geschrieben hat, ist jetzt eher ein wenig überfordert mit all der freien Zeit, die er nach den Prüfungen hat: "Ich habe keine wirkliche Aufgabe, das fällt mir schwer. Man ist so an den täglichen Ablauf gewöhnt. Schule, Freunde waren in den letzten Jahren mit die wichtigsten Teile in meinem Leben."

Nikolas Ikonomou aus Kirchseeon schildert: "Früher dachte ich immer, die Schule ist so eine große Welt. Jetzt ist es die Welt selber, die so groß geworden ist."

Auf die Frage, ob es denn während einer der Prüfungen die ein oder andere Panikattacke gegeben hat, antwortet Nikolas Ikonomou mit einem breiten Grinsen: "Panikattacke? Nee. Ich hatte zwischendrin immer mal wieder Kreativitätspausen. Da hab' ich mich gefragt: Wie soll ich den Hauptteil einleiten? Dann hab ich was gegessen und schon ging es wieder." Fabian Hoppmann hätte ihm in der Situation vielleicht geraten, auf die Toilette zu gehen, denn: "Auf dem Klo fallen einem die kreativsten Sachen ein."

Nicolas Zanner vom Gymnasium Kirchseeon hatte während des Matheabiturs ein kurzzeitiges Blackout, die Berechnung einer Tangente wollte ihm einfach nicht mehr einfallen, "eine Viertelstunde vor Schluss ist es mir aber doch eingefallen, und ich konnte noch ein paar Aufgaben lösen". Philip Eimer vom Gymnasium Grafing habe sich während der Prüfungen ziemlich locker gefühlt, der junge Mann erzählt mit fröhlicher Miene: "Ich war viel entspannter, als ich gedacht habe. Meine Schwester hat vor drei Jahren Abi gemacht, da dachte ich noch: Oh shit, bald bin ich auch dran! Dabei war es sehr viel weniger einschüchternd, als es dann soweit war".

Wie es jetzt weiter geht, wissen eigentlich schon alle, manche schon länger als andere: Jana Behnke vom Franz-Marc-Gymnasium in Markt Schwaben möchte bereits seit der fünften Klasse Soldatin werden. Sieben Monate will sie bei der Bundeswehr einen Freiwilligendienst absolvieren, um danach Jura zu studieren. Peter Gratz vom Gymnasium Kirchseeon wiederum hat seinen Kindheitstraum vom Bäckermeister aufgegeben. Stattdessen möchte er Wirtschaftsingenieurwesen studieren - nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in den USA. Damit ist er nicht allein, auch Fabian Hoppmann geht für ein paar Monate in die Vereinigten Staaten - allerdings als Au Pair, weil er Kinder schon immer super fand. Glaubt man allerdings seinen Freunden, wird er danach vermutlich als Bundeskanzler regieren.

Ebenfalls ins Ausland geht Sonja Beck vom Kirchseeoner Gymnasium. Fröhlich wippt sie auf ihrem Stuhl und erzählt vom geplanten Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Waisenhaus in Peru. Auch Nicolas Zanner strahlt bei der Frage nach der Zukunft, denn er wird endlich seinem Kindheitstraum nachgehen und sich ganz und gar der Musik widmen, "ich habe jetzt das erste Mal Zeit und werde versuchen, alles was ich wegen der Schule versäumt habe, nachzuholen".

Zwar hat Nikolas Ikonomou nicht das Gefühl, wegen der Schule etwas versäumt zu haben, dennoch findet er, dass das Gelernte oftmals keinen Nutzen, "keinen Mehrwert für die Gesellschaft" hat. Ein wenig Kritik hat auch Marco Porriciello: Die Lehrer stünden oftmals nicht so hinter einem, wie sie es sollten. Sonja Beck wiederum erzählt begeistert von ihren Musikprojekten mit der Schule und der Unterstützung der Lehrer. Julian Latussek vom Gymnasium Markt Schwaben stimmt zu, "in der Oberstufe baut man ein ganz neues Verhältnis zu den Lehrern auf. Ich habe viel Hilfe von ihnen erfahren und bin sehr dankbar dafür".

Dankbar sind sie alle, dass sie nicht noch einmal wenden müssen, dass sie nun geradewegs in eine vielversprechende Zukunft starten können.

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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