Nikolaus geht in Ruhestand:Stabwechsel

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Auch ein Nikolaus muss sich einmal zur Ruhe setzen, findet der 82-jährige Berthold Schäfer aus Frauenneuharting. Nun ist er froh, dass er sein Amt guten Gewissens an Hans Bodmeier übergeben kann.

Von Jessica Morof, Frauenneuharting

Der Nikolaus und sein Nachfolger: 25 Jahre lang hat Berthold Schäfer (links) das Amt ausgeübt. Nun übergibt er den Bischofs-Stab an Hans-Bodmeier. (Foto: Christian Endt)

Die Erleuchtung kam Berthold Schäfer passenderweise in der Kirche. Und zwar, als er Hans Bodmeier mit seinem roten Gewand, dem wallenden Bart und der spitz zulaufenden Mütze den Mittelgang entlangschreiten sah. Das war der Moment, als dem amtierenden Nikolaus-Meister von Frauenneuharting klar wurde, dass er sein Amt und seine Kunden ruhigen Gewissens dem jüngeren, dort so ehrwürdig auftretenden Nikolaus anvertrauen kann.

Denn es ist kein einfaches Amt, von dem sich Berthold Schäfer nach 25 Dienstjahren trennen wird: Die Anforderungen sind hoch, die historische Verantwortung prägend, die Verdienstmöglichkeiten gewöhnungsbedürftig.

In all den Jahren als Stamm-Nikolaus der Schulen in Frauenneuharting und Oberndorf sowie vieler Familien in der Umgebung hat Schäfer mit großem Engagement unzähligen Kindern Freude geschenkt. Nun aber hat er sein gelbes Gewand an den Nagel gehängt. Nur die Suche nach einem geeigneten Nachfolger fiel ihm nicht leicht.

Denn wie in so vielen Branchen herrscht auch bei den Nikoläusen ein Fachkräftemangel. "Es gibt nicht viele, die das machen", erklärt der 82-Jährige, aber dafür einige "rote Hampelmänner", die die Traditionen nicht richtig pflegen. Zum Glück hat er Hans Bodmeier gefunden - einen qualifizierten Nachfolger für diese Aufgabe.

Eigentlich hat Schäfer schon im vergangenen Jahr mit dem Gedanken gespielt, sein Amt niederzulegen. Die Augen sehen in der Dunkelheit nicht mehr so gut und erschweren die Anreise; das Lesen in seinem goldenen Buch wurde immer schwieriger. Doch damals habe er noch nicht an Bodmeier gedacht, erklärt er, und deshalb noch mal ein Jahr als Nikolaus drangehängt.

So eine Geschäftsaufgabe ist schließlich eine emotionale Sache und der Nachfolger will wohl gewählt sein. Nicht jeder bringt die nötigen Eigenschaften mit: Man muss sich Zeit nehmen, braucht Liebe zu den Kindern, soll sich in die Kleinen und ihre Familien hineinversetzen und auf alles mögliche gefasst sein. "Manche Situationen gehen unter die Haut", sagt Schäfer und erzählt von einem Jungen, der wissen wollte, ob der Nikolaus seinen Vater im Himmel kenne und wie es diesem gehe. "Sicher ohne zu lügen, habe ich sagen können: Es geht ihm gut."

So etwas lernt man nicht an einer Nikolaus-Akademie, es muss einem einfach liegen: so wie dem pensionierten Lehrer Schäfer, und so wie dem Heilerziehungspfleger Bodmeier. "Wenn man selbst positiv hineingeht, überträgt sich das an die Atmosphäre", erklärt der. Um in die Fußstapfen des Meisters zu treten, ist der 62-Jährige genau der Richtige, da auch er seit Jahren als Nikolaus arbeitet. Doch die Kinder, die er besuchte, sind inzwischen aus dem Alter herausgewachsen und Bodmeier wäre sozusagen arbeitslos gewesen. Schäfers Anfrage kam also gerade recht. "Jetzt beginnt für mich etwas ganz Neues."

Gerade die Aufgaben in der Schule werden eine Herausforderung sein, sagt Bodmeier, denn bislang hat er nur Familien besucht. Deshalb sprechen Alt- und Neu-Nikolaus offen über das nötige Handwerkszeug und Schäfer gibt den ein oder anderen Tipp. Beide sind sich einig: "Der Nikolaus soll nicht der sein, der schimpfen kommt", erklärt Schäfer. Auch nicht bei frechen Schulkindern. Da müsse man immer ruhig bleiben und auf die Gefühle der Kinder eingehen, um sie positiv zu beeinflussen.

Zum Glück ist das für Bodmeier als Heilerziehungspfleger schon lange Praxis. "Meist zeigt es ja eine Schwäche des Kindes und keine Stärke", erklärt er. Auf diese Schüler müsse man besonders vorsichtig zugehen. Deshalb geht es immer darum, zu loben. Bei Schlawinern lautet der Tipp des bisherigen Nikolauses, sie Besserung geloben und sich dabei die Hand geben zu lassen. "Versprichst du dem Nikolaus, dass du dich besser verhalten wirst?", fragte er und schaute dann in die Runde. "Gell, ihr habt es alle gehört." Nur auslachen sei verboten. Eine gute Idee, stimmt Bodmeier zu und nickt grinsend.

Wichtig ist Schäfer auch, dass der Nachfolger die Handwerks-Traditionen pflegt, also die historische Person des Bischof Nikolaus verkörpert und nicht den neumodischen Weihnachtsmann. Außerdem sollte er sich mit dem Werkzeug auskennen. Da kann der neue Stamm-Nikolaus direkt einen Tipp gebrauchen: "Ein Problem ist, aus dem Sack die richtigen Geschenke rauszufinden", sagt er. "Und wenn er umkippt, liegen die ganzen Süßigkeiten durcheinander." "Dann haben die Eltern sie schlecht eingepackt", beruhigt ihn Schäfer. "Da kann man sich an den Vater oder die Mutter wenden und fragen, ob sie beim Raussuchen helfen."

Und auch über ein anderes Werkzeug klärt Schäfer auf: "Übrigens war die Rute nie als Strafinstrument gedacht", sagt er. "Nein?", fragt Bodmeier überrascht. "Nein. Es war ein grüner Zweig, mit dem man die Kinder berührt hat." Eine Art Lebensrute, die ihnen Glück und Kraft und Gesundheit spenden sollte. Da die Menschen das heutzutage aber nicht mehr wissen, verzichtete Schäfer immer auf die Rute - genauso wie Bodmeier: "Es soll ja ein positives Erlebnis sein."

Ob sich die Tipps des Alt-Nikolauses für Bodmeier bewähren, kann nur die Praxis zeigen. Denn jeder Nikolaus hat eine eigene Technik. So wird der anstehende Generationenwechsel für Schäfers Kundschaft sicherlich auch ein oder zwei Überraschungen bereit halten. Wenn die Kinder nicht selbst singen oder Gedichte vortragen, übernimmt das beispielsweise von nun an der Nikolaus. "Das macht mir einfach Spaß", sagt Bodmeier.

Und singen gehöre zum Nikolausbesuch dazu. "Da habe ich gar nichts dagegen", betont Schäfer. "Neue Ideen sind immer etwas Schönes." Anders als vielen Meistern, die ihre Aufgabe schweren Herzens an die nächste Generation abgeben und sich weiter einmischen, wird es ihm nicht schwerfallen, den Nikolaus-Stab weiterzureichen. Der Neue wird es gut machen, ist er sich sicher, denn "er macht's gern".

Eine Sache will Hans Bodmeier aber genau so beibehalten wie Berthold Schäfer sie gehandhabt hat: Die Entlohnung. Das bedeutet: Über den Preis entscheiden die Kunden; die Währung bleiben Wein und Schokolade. Denn der wichtigste Lohn ist ohnehin nicht verhandelbar: Die tollen Momente mit den Kindern, die fröhlichen Gesichter und "ein ganzer Stoß wunderbarer Zeichnungen", schwärmt Schäfer. "Es waren schöne Jahre", sagt er so auch über sein Vierteljahrhundert als Nikolaus. Aber nun wird er sich beruhigt und wohlverdient zur Ruhe setzen. "Ich habe volles Vertrauen in meinen Nachfolger."

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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