Neufarner Berg:Ganz weit draußen

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In einem kleinen rebellischen Dorf herrscht eine ganz besondere Rechtsauffassung

Von Wieland Bögel

Ignorantia legis non excusat", also dass die Unkenntnis der Gesetze keine Entschuldigung sei, wussten bereits die alten Römer. Sie machten den Satz, der auch gerne mit "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht" übersetzt wird, zu einem Grundpfeiler ihres Rechts, der bis heute nahezu in jedem Rechtsstaat Geltung besitzt. In jedem? Nein, weit weg von Rom gibt es ein rebellisches Dörfchen, das dem Gesetz hartnäckig Widerstand leistet. Hier erinnert in Rechtsdingen ein Grundsatz aus der Bergpredigt: "beati pauperes spiritu", selig sind die geistig Armen, oder anders formuliert, Unwissenheit schützt sehr wohl vor Strafe, so lange sie nur groß genug ist und laut genug geäußert wird.

Konkret geht es um einen Fall, der weder besonders schwierig noch einzigartig ist. Jemand kauft ein Wohnhaus im Außenbereich, das dort eigentlich gar nicht stehen dürfte, aber geduldet ist. Bei dem Versuch der Sanierung allerdings geht etwas schief. Damit ist die Duldung verwirkt und das Haus oder dessen Reste müssten weg.

So geschehen auch in Vaterstetten mit einem über 100 Jahre alten Häuschen auf dem Neufarner Berg. Dieses wurde bei der Sanierung so weit beschädigt, dass die Gemeinde im vergangenen Jahr den Abriss verfügte. Nachdem sich die Besitzerin aber an den Petitionsausschuss des Landtages wandte, mit dem Argument, sie sei nicht verantwortlich für den Grund, dass das Haus nun abgerissen werden müsse, empfahl der Ausschuss der Gemeinde, den Wiederaufbau zu erlauben - gegen jedes Recht und Gesetz. Der Bauausschuss der Gemeinde folgte dem nun nahezu ohne Debatte. So entsteht der Eindruck, die Mehrzahl der Bauausschussmitglieder, wie wohl auch der Petitionsausschuss, könnte das populistische Momentum einer solch rechtswidrigen Ausnahme nutzen wollen. Was um so mehr verwundert, da im Bauausschuss Gemeinderäte sitzen, die sonst um jede kleine Unregelmäßigkeit Aufsichtsbeschwerden oder Disziplinarverfahren gegen die Verwaltung anstrengen.

Das neue alte Haus wird in doppelter Hinsicht ganz weit draußen stehen: außerhalb der Ortschaft und noch viel weiter außerhalb des Rechts.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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