Neues Hilfsangebot der Caritas:Falsche Vorbilder

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Das Projekt "Kinderleicht" unterstützt Kinder alkoholkranker und psychisch labiler Eltern, damit sie später einmal nicht mit ähnlichen Problemen kämpfen. Am Donnerstag können sich Interessierte über das Projekt informieren

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Kinder haben feine Antennen. Da ist sich Peter Donhauser von der Beratungsstelle für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien der Ebersberger Caritas sicher. Sie würden merken, wenn ein Elternteil psychische Probleme, wie etwa einen bedenklichen Alkoholkonsum oder eine Depression entwickele - am Blick, am Verhalten, an der Stimme. Und oftmals belastet das die Kleinen sehr. Mit dem Projekt "Kinderleicht" möchte die Caritas Kindern, die von einer solchen Situation betroffen sind, helfen, damit umzugehen. Am Donnerstag informiert die Caritas über das Projekt im Alten Speicher in Ebersberg. Daneben wird das Thema Kinder suchtkranker und psychisch labiler Eltern auch von medizinischer Perspektive und aus Sicht zweier Betroffener, die heute erwachsen sind, präsentiert.

"Eltern denken meistens, ihre Kinder bekommen von alldem nichts mit", sagt Donhauser. Ein Irrtum. Im schlimmsten Falle sogar einer mit fatalen Auswirkungen. Allgemein hätten Kinder, die mit einem psychisch erkrankten - darunter zählen auch Suchterkrankungen - Elternteil aufwachsen, ein bis zu achtfach erhöhtes Risiko, in ihrem Leben selbst einmal ähnliche Schwierigkeiten zu entwickeln, erklärt Donhauser.

Konkret bedeutet das: Etwa ein Drittel werde vorübergehende psychische Probleme haben, die sich meistens mit einer Therapie dauerhaft beheben lassen. Bei dem zweiten Drittel jedoch werden diese Probleme spätestens im Erwachsenenalter zum ständigen Begleiter: Die Betroffenen entwickeln beispielsweise ebenso wie ein Elternteil eine Suchterkrankung, die sie immer wieder in ihren Bann zieht. Nur das letzte Drittel wird völlig unbeschadet eine Kindheit überstehen, wenn im eigenen Elternhaus psychische Schwierigkeiten herrschten.

Deren Zahl soll wachsen. Das ist das Ziel von "Kinderleicht". Seit dem Start des Projektes zu Beginn des Jahres 2017 haben 15 Kinder daran teilgenommen. Aktuell sind es vier, alle im Grundschulalter. Das seien wenig, wenn man bedenke, dass viel mehr Familien betroffen sind, sagt Donhauser: Die Vermutung liegt nahe, dass eine große Dunkelziffer existiert. "Es ist einfach ein riesen Tabuthema - leider!", erklärt Donhauser mit Nachdruck. Die Veranstaltung am 5. Juli startet, nach einigen Grußworten, mit einem Vortrag von Albert Lenz. Der gebürtige Bayer lehrt als Professor an der Katholischen Hochschule in Nordrhein-Westfalen und forscht über Kinder psychisch kranker Eltern. Er wird die grundlegenden Risiken und Belastungen für solche Kinder erklären, aber auch darauf eingehen, was ihnen konkret helfen kann. Mit diesen Hintergrundinformationen werden im Anschluss Peter Donhauser und seine Kollegin Lena Müller-Lorenz von der Fachambulanz für Suchterkrankungen das Projekt "Kinderleicht" vorstellen und erklären, was teilnehmende Kinder erwartet.

Die praktische Seite des Themas decken zwei Frauen ab, die von ihren persönlichen Kindheitserfahrungen und deren Auswirkungen auf ihr späteres Leben berichten werden: Cécile Koch wuchs mit einer alkoholkranken und medikamentenabhängigen Mutter und einem gewalttätigen Stiefvater auf, Rita Wüst mit einer Mutter, die an Schizophrenie erkrankt war. In einem abschließenden Podiumsgespräch mit allen Beteiligten werden die Ergebnisse resümiert.

Einen Aspekt kehrt Donhauser bereits vor der Veranstaltung heraus: Es gibt einen großen Graubereich. Keinesfalls müsse ein Elternteil in stationärer Behandlung sein, damit beim Kind eine psychische Belastung entsteht. Auch eine Trennung beispielsweise löst bei vielen Eltern zeitweise eine depressive Stimmung aus, die oftmals auf das Kind überschwappt. Auch in solchen Situationen könne "Kinderleicht" eine unterstützende Funktion für die Kleinen sein, um sich in die ungewohnte Situation einzufinden. "Man kann anhand des Verhaltens der Kinder nicht darauf schließen, wie es ihnen tatsächlich geht", betont Donhauser. Manche Kinder seien verschüchtert und ziehen sich zurück, andere hingegen eignen sich eine extrovertierte Art an und "geben gerne den Clown", wie es Donhauser ausdrückt. Trotz dieser großen Diversität: "Kinderleicht" könnte ihnen allen helfen.

Die Auftaktveranstaltung zum Projekt "Kinderleicht" findet am 5. Juli ab 16 Uhr im Alten Speicher in Ebersberg statt. Der Eintritt ist kostenlos. Weitere Informationen unter www.https://www.caritas-nah-am-naechsten.de/caritas-zentrum-ebersberg

© SZ vom 03.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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