Musik-Comedy-Duo kommt nach Ebersberg:"Nur Mut, liebe Menschen!"

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Ariane Müller und Julia Gámez Martin wollen sich auf der Bühne nicht den Mund verbieten lassen. Sie reden über alles, was ihnen in den Sinn kommt. Da kann es auch mal deftiger werden. (Foto: Veranstalter)

Julia Gámez Martin und Ariane Müller nehmen als Duo "Suchtpotenzial" kein Blatt vor den Mund. Was die Männer dürfen, dürfen wir auch, so ihr Credo

Interview von Alexandra Leuthner

So ein bisschen süchtig ist doch jeder - den einen drängt's zur Schokolade, den anderen an die Gummibärchen oder gar an den Schrank mit den alkoholischen Getränken. Julia Gámez Martin hat einen ausgeprägten Hang zu Grillfleisch - unter anderem. Das erste Programm das die Berliner Musical-Darstellerin gemeinsam mit ihrer schwäbischen Duo-Partnerin, der Pianistin und Liedermacherin Ariane Müller im Sommer 2013 auf die Bühne brachte, trug den Titel "100 Prozent Alko-Pop". Als Musik-Comedy-Duo Suchtpotenzial, das bereits mit etlichen Kleinkunstpreisen ausgezeichnet wurde, sind die Musikerinnen am Freitag, 3. Mai, im Alten Kino zu sehen, vor ein paar Tagen haben sie gemeinsam mit dem Kabarettisten Maxi Schafroth Radiospitzen für den Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet. "Eskalatiooon!" heißt ihr aktuelles Programm. Julia Gámez Martin spricht im Interview über ihre Berufung.

SZ: Frau Gámez Martin, wo sind Sie jetzt gerade?

Julia Gámez Martin: Ich bin wieder in Berlin, wir waren aber eine Woche in Spanien - mein Vater ist Spanier -, um an unserem nächsten Programm zu schreiben. Am Freitag geht's dann auf Tour, wir freuen uns schon auf Bayern.

Sie waren ja gerade erst hier.

Ja in Dorfen. Ein schönes Dörfchen ist das, mit einer ehemaligen Brauerei.

Orte, die Dorfen heißen, gibt's hier unten jede Menge.

Oh, das wusste ich gar nicht. Bei uns ist das so: Ariane setzt sich ans Steuer, ich auf den Beifahrersitz. Und wenn ich dann angekommen bin, dann singe ich.

Wie haben Sie beide sich denn gefunden, Sie kommen aus Berlin, Ariane Müller ist in Ulm geboren.

Wir haben uns 2011 am Ulmer Theater kennen gelernt. Ich war da als Darstellerin für zwei Musicalproduktionen, die "Rocky Horror Show" und zwei Jahre später "Hair". Ariane war die musikalische Leiterin. Wir haben uns gleich gut verstanden, hatten bald gemeinsame Auftritte. Wir haben zunächst Songs gecovert und dann angefangen zu texten. Und dann nahm das Unheil seinen Lauf.

Nun sind ja die Berliner und die Süddeutschen nicht gerade dafür bekannt, dass sie denselben Humor haben. Wie klappt das bei Ihnen beiden?

Wir können zusammen lachen, wir sind da auf einem gemeinsamen Nenner. Wir waren beide immer schon sehr humorvoll - und sehr albern. Da findet man sich ganz schnell. Und wir beflügeln uns gegenseitig ganz gut. Wir haben keinen speziell lokalen Humor, und so funktionieren wir auch quer durch die Republik, von Hamburg bis zum Bodensee. Da findet sich jeder irgendwie bei uns wieder.

Also gibt es keine regionalen Unterschiede in der Rezeption?

Eigentlich nicht. Man sagt ja immer, die Norddeutschen seien sehr kühl, aber das hat sich bisher nicht bestätigt. Natürlich ist nicht jedes Publikum gleich, aber das liegt dann am Publikum per se.

...das Sie ja gelegentlich auch mal mit deutlichen Worten schockieren.

Das ist schon ein gutes Gefühl, die Zuhörer mal zu schockieren und zu verwirren. Aber das ist nicht unser Hauptziel. Wenn unsere Songs manchmal in ihrer Wortwahl sehr direkt sind, ist das die Sprache, die wir in unserer Generation benutzen. Wir haben es so geschrieben, wie uns das Maul gewachsen ist. Dass sich Leute angegriffen fühlen, hat uns eigentlich verwundert, von wegen ,das sollte man als Frau nicht sagen'.

Böse Zungen würden behaupten, Sie wollen die besseren Männer sein.

Wenn die Leute sich drauf einlassen und darüber nachdenken, wie sie selbst zu Hause reden, dann sind wir so schlimm gar nicht. Über Ingo Appelt hat sich doch auch keiner beschwert. Aber wenn es Frauen machen mit langen Haaren und hübschen Klamotten, dann fühlen sich manche plötzlich peinlich berührt. Männer reden immer schon so auf der Bühne. Wir wollen das Gleiche dürfen können, weil wir nicht mit zweierlei Maß gemessen werden wollen.

Das klingt jetzt schon fast nach Gender-Diskussion.

Nun, wir werden uns im nächsten Programm, das wir ab Herbst spielen, mit der Me-Too-Debatte beschäftigen. Aber da muss jetzt keiner Angst haben, dass wir da einen todernsten Kabarettabend machen. Aber auf jeden Fall muss hier Gleichberechtigung her. Übrigens gibt es auch viele - und zwar unabhängig von der Generation - die haben gar kein Problem, wenn wir etwa vom ,Ficken-für-den-Frieden' singen. Gerade die Alt-Achtundsechziger sind da sehr entspannt. Aber da möchten wir gerne alle motivieren: Nur Mut, liebe Menschen, traut euch mehr!

Ist das Ihre Kernaussage?

Also wenn man von einer Kernaussage sprechen will, dann ist es die, dass man sich selbst nicht immer so ernst nehmen sollte. Wir beschäftigen uns zwar schon mit aktuellen Themen, etwa Kleidervorschriften wie Bikini und Burka, wir sind dabei auch sozialkritisch, aber da nehmen wir uns selbst gleich mit aufs Korn. Etwa beim Essen: Ariane ist Vegetarierin, ich dagegen bin verrückt nach Grillfleisch.

Deshalb haben Sie sich auch mit der Spätzle-Schranke beschäftigt.

(lacht) Ja, wir haben in unserer Anfangszeit erst einmal Gemeinsamkeiten von Schwaben und Berlinern finden müssen. Und da Liebe bekanntlich durch den Magen geht, haben wir die schwäbischen Spätzle und die Berliner "Pommesschranke" - also Pommes mit Mayo und Ketchup - zusammen geführt, sozusagen als Friedensidee. Solche Ideen haben wir ständig und hoffen, dass irgendjemand sie umsetzt.

Ist die Rollenverteilung bei Ihnen beiden klar geregelt - von wegen Berliner Schnauze und schwäbische Knausrigkeit?

Nun, ich bin natürlich die Rampensau, was zum einen durch mein Musical-Studium bedingt ist, die Ausbildung in Tanz, Schauspiel und Musik. Meine Mutter hat mich da früh unterstützt, sie hat immer schon gewusst, dass ich ein Bühnentier bin. So übernehme ich eher das Texten und die Darstellung. Ariane befasst sich mit der Komposition. Sie hat eigentlich Kultur- und Sozialwissenschaften studiert, die Musik außerhalb der Uni gelernt, hat aber einen solch unglaublichen Zugang zu allen Genres, dass die Leute kaum glauben können, dass sie keine professionelle Ausbildung hat.

Also haben Sie beide in der Musik-Comedy Ihre Berufung gefunden?

Unbedingt. Wir zwei zusammen funktionieren gut, und der Erfolg gibt uns recht. Wenn mir das vor zehn Jahren allerdings einer gesagt hätte, dass ich mal im Humorfach unterwegs sein würde, hätte ich ihn ausgelacht.

Haben Sie noch Zeit für andere Projekte?

Kaum. Ich habe noch ein Engagement an der Semperoper, wo ich die Sally Bowles im Musical "Cabaret" spiele. Aber es ist etwas anderes, mit einer eigenen Formation aufzutreten. Man ist nicht austauschbar, nicht wie in einem Ensemble, wo es dem Zuschauer im Grunde egal ist, wer eine Rolle spielt. Aber es ist so toll, wenn Zuschauer herkommen und sich bedanken, dass sie einmal wieder herzlich gelacht haben.

Eine Erfahrung mit Suchtpotenzial also.

Für mich auf jeden Fall. So wie gutes Essen und Sonne. Und Musik. Ohne kann ich nicht.

Suchtpotenzial sind am Freitag, 3. Mai, im Alten Kino zu sehen. Beginn 20.30 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr. Vorverkauf über (08092) 2 55 92 05, persönlich in der Vorverkaufsstelle im Foyer des Alten Speichers oder online über den Ticketshop.

© SZ vom 25.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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