Mögliche Rückkehr zum Zivildienst:Lieber ohne Zwang

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Träger sozialer Einrichtungen im Landkreis Ebersberg sehen ein Pflichtjahr für junge Leute eher skeptisch. Stattdessen wünschen sie sich, dass die Freiwilligendienste attraktiver gemacht werden

Von Wieland Bögel

Seit sieben Jahren können junge Männer nach der Schule direkt in ein Studium oder eine Ausbildung starten - seither nämlich ist die Wehrpflicht ausgesetzt. Was ausdrücklich nicht abgeschafft bedeutet, wie die aktuelle Debatte um eine Wiedereinführung zeigt. Dass es so kommt, scheint zwar eher unwahrscheinlich, aber zumindest ein allgemeines Dienstjahr könnte es künftig geben. Für soziale Einrichtungen könnte dies eine Entlastung bedeuten, waren doch diese besonders vom Ende des Zivildienstes betroffen, auch im Landkreis Ebersberg: Immerhin 141 Stellen an 47 Einsatzorten gab es noch 2010, dem bis dato letzten Zivi-Jahrgang.

Etwa beim BRK, hier waren die Zivis nicht nur als Arbeitskräfte begehrt, auch für die Nachwuchsgewinnung war der Zivildienst nicht zu unterschätzen. Dies betonte der BRK-Kreisverband erst Anfang des Jahres bei der Vorstellung des Jahresberichts. Zur aktuellen Debatte wollen sich die Ebersberger allerdings nicht äußern, man verweist auf die Landesgeschäftsstelle in München. Deren Pressesprecher Sohrab Taheri-Sohi will den Bedarf gar nicht verneinen: "Wir brauchen immer Leute - aber keine, die zur Arbeit gezwungen werden." Gerade im Sozialbereich sei das keine gute Idee. Besser, als den Zivildienst als allgemeine Dienstpflicht wieder auferstehen zu lassen, fände man es beim BRK, den Bundesfreiwilligendienst oder das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) attraktiver zu machen. Wobei man sich beim BRK, sollte der Bund tatsächlich die Dienstpflicht wieder einführen, durchaus vorstellen kann, wieder Zivistellen anzubieten.

Auch bei der Vaterstettener Nachbarschaftshilfe könne man sich dies vorstellen, sagt Monika Klinger, Leiterin des Ressorts Nachbarschaftsdienste. Darunter fallen klassische Zivi-Jobs wie Essen auf Rädern und Begleitdienste, etwa zum Einkaufen oder zum Arzt. Zwar gebe es im Ressort auch eine Stelle für einen Bundesfreiwilligen oder eine -freiwillige, aber diese sei zur Zeit vakant: "Wir könnten schon einen Zivi brauchen", sagt Klinger.

Nicht zum Thema äußern möchte man sich bei der Caritas. Eine Antwort auf eine Anfrage bei der Kreisklinik vom Dienstag lag zum Andruck dieser Ausgabe noch nicht vor. Deutliche Worte findet Ulrike Bittner, Geschäftsführerin des Awo-Kreisverbandes: "Wenn es eine Pflicht wird, bin ich dagegen." Grundsätzlich sei es zwar zu begrüßen, wenn junge Menschen den sozialen Bereich kennenlernen, "aber nicht jeder ist dafür geeignet", darum sollte dies unbedingt freiwillig sein. Wenn dagegen jemand ein Jahr lang zu einer ungeliebten Aufgabe gezwungen werde, so Bittner, sei das "eine Tortur - für alle Beteiligten".

Auch organisatorisch müsste man bei der Awo umplanen, sollte wieder eine Art Zivildienst eingeführt werden. Derzeit gibt es im Landkreis Ebersberg 26 Stellen in Kitas, bei der ambulanten Pflege oder der offenen Behindertenarbeit. Diese werden entweder über den Bundesfreiwilligendienst (BFD), das FSJ oder im Rahmen des Sozialpädagogischen Seminars (SPS), also dem Beginn der Erzieherausbildung besetzt. Dadurch sei man sehr flexibel, sagt Bittner, und habe bisher auch noch keine Probleme gehabt, alle Stellen zu besetzen. Ganz im Gegensatz zu den Zivildienststellen: Im letzten Jahr der Wehrpflicht konnten für die 141 Stellen im Landkreis gerade einmal 45 Zivis gefunden werden.

Und die Dreiteilung in BFD, FSJ und SPS hat laut Bittner noch weitere Vorteile. Dies sei oft der Einstieg in den späteren Beruf. Einerseits weil junge Leute so ein neues Betätigungsfeld kennlernen können. Gerade, wenn sich nach der Schule die Frage stelle, "wo will ich überhaupt hin?" Andererseits werden BFD und FSJ auch bei der späteren Ausbildung anerkannt. Allerdings eben nur bei Sozialberufen, bedauert Bittner.

Sie schlägt darum vor, dass durch einen Sozialdienst auch bei anderen Studiengängen und Ausbildungsrichtungen Bonuspunkte gesammelt werden könnten. Dies sei sicher motivierender als ein Zwangsdienst. Der auch noch einen weiteren Nachteil hätte, sagt Bittner. Denn würde ein Pflichtjahr eingeführt, gingen die Stellen zulasten von FSJ und BFD. Und letzteres sei "charmant für Ältere", nämlich als Gelegenheit, wieder in den Beruf einzusteigen oder sich umzuorientieren.

© SZ vom 10.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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