Mobilität für alle:Mit der Tram durch den Forst

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Der Landkreis erstellt einen neuen Nahverkehrsplan und lässt Lokalpolitiker, Verkehrsexperten und Busunternehmer Ideen sammeln, wie das System verbessert werden kann. Im Juni dürfen auch die Bürger ihre Wünsche äußern

Von Daniela Gorgs, Ebersberg

Dieser Termin macht den Lokalpolitikern sichtlich Freude. Eineinhalb Stunden lang diskutieren die Bürgermeister, Gemeinde- und Stadträte gemeinsam mit Vertretern von Busunternehmen und Verkehrsexperten des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) über S-Bahn-Takte, Busverbindungen und Ruftaxis. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) hat zur Veranstaltung in den Hermann-Beham-Saal eingeladen. Der Landkreis Ebersberg soll einen neuen öffentlichen Nahverkehrsplan bekommen. Dazu werden Ideen gesammelt. Bei der Auftaktveranstaltung am Mittwochnachmittag im Landratsamt diskutieren die Teilnehmer in Kleingruppen, Mitarbeiter des MVV moderieren.

Es gibt verschiedene Themenfelder wie Busverbindungen und Taktgestaltung, Intermodalität, Anschlüsse von Bus, Bahn und S-Bahn sowie Fahrgastinformation und Barrierefreiheit. Jedes Thema bekommt eine Stellwand. Davor stehen die Teilnehmer und tüfteln an Vorschlägen. Wo sehen sie Verbesserungsbedarf? Wo ist das Angebot bereits gut? Welche Ideen haben sie, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen? Die Münchner Verkehrsexperten schreiben die Meinungen und Vorschläge auf bunte Zettel: Schwächen und Lücken im System kommen auf rotes Papier, gute Angebote auf grünes und mögliche Verbesserungen auf gelbes. Am Ende ist ein wenig grün auf den Stellwänden zu sehen, viel rot und noch mehr gelb.

Visionen, Träume, Ziele: Eine Straßenbahn wie in München würde dem Landkreis gut stehen. (Foto: Florian Peljak)

Munter erläutern die Teilnehmer, was ihnen am öffentlichen Personennahverkehr gefällt und missfällt. Dabei wird auch mal geflachst. Etwa als es um die Frage nach neuen Anschlüssen geht. Grünen-Kreisrätin Ilke Ackstaller würde sich einen Bus von Ebersberg nach Kirchseeon wünschen. Der Weg über Grafing sei zu umständlich. Das kommentiert Martin Lechner (CSU). "Wer will denn schon nach Kirchseeon?", fragt der Kreisrat schmunzelnd. Nach Ebersberg müssten alle - wegen dem Finanzamt. Viel Lob erhalten die Bürgermeister Georg Reitsberger (FW), Vaterstetten, und Albert Hingerl (SPD), Poing, für ihr innerörtliches Busangebot.

Die Teilnehmer zögern nicht, sie haben viele Ideen, die allerdings nicht immer neu sind. Etwa eine attraktive Busverbindung zwischen dem südlichen und nördlichen Landkreis, von Ebersberg nach Forstinning und Markt Schwaben, am besten stündlich. Auch wünschen sich die Teilnehmer eine bessere Schnittstelle zwischen Bahn und Bus. Wenn die S-Bahn verspätet eintrifft, möge der Anschlussbus doch bitte warten. Man bräuchte einen S-Bahn-Tracker.

Die Taktgestaltung ist ebenfalls Thema. Hier sollten für S 4 und S 6 die Abfahrtszeiten vereinheitlicht werden. Und in den Taktlücken wäre es schön, wenn einen der Rufbus heimbringt. Ein Vorschlag ist, die Forstbuslinie an der Kreisklinik vorbei Richtung München zu verlängern, eine andere Überlegung, ob nicht ein Bus von Oberpframmern über Zorneding nach Poing fahren könnte. Ganz oben auf der Wunschliste steht ein Express-Bus als S-Bahn-Tangente, der die Linien S 2 und S 4 miteinander verbindet. Und dann ist da noch die hübsche Idee einer Trambahn durch den Ebersberger Forst.

Landrat Robert Niedergesäß und Markus Haller (rechts) planen einen neuen Nahverkehrsplan und sammeln Ideen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Klaus Breindl, Sprecher der Autoteiler-Gruppe im Landkreis, möchte das Carsharing besser mit dem öffentlichen Nahverkehr verzahnen. Es werden mehr Park-und-Ride-Plätze gefordert, und es soll leichter und billiger werden, das Fahrrad in die S-Bahn mitzunehmen - alles mögliche Anreize, um Pendler von der Straße zu bringen. Auch in Sachen Barrierefreiheit haben die Teilnehmer Mängel festgestellt. In Ebersberg gebe es keine Rampe, in Grafing seien auf dem Parkplatz Zugang West drei Stufen eingebaut. Die Moderatoren sind damit beschäftigt, alles zu notieren.

Markus Haller, Leiter Consulting in der MVV GmbH, freut sich über die "befruchtende und positive" Diskussion. Der MVV hatte die Gesamtverkehrssituation des Landkreises analysiert und zu Beginn der Veranstaltung die Ergebnisse skizziert. Danach liegen von den etwa 36 500 Adressen im Landkreis insgesamt 90 Prozent innerhalb eines Haltestelleneinzugs, sie haben also entweder eine Bushaltestelle oder einen S-Bahnhof in der Nähe. 50 Prozent der Adressen sind sogar weniger als 1000 Meter von der nächsten Bahn-Haltestelle entfernt, 85 Prozent sind durch den MVV-Regionalbus innerhalb eines 400-Meter-Radius angebunden. Nur etwa zehn Prozent haben keinen Zugang zum öffentlichen Personennahverkehr, zum Beispiel Ingelsberg.

Landrat Niedergesäß dankte den Teilnehmern für das ergiebige Brainstorming. "Sie haben ohne Scheuklappen und Begrenzungen Ihre Ideen und Impulse mitgeteilt und eine gute Grundlage geschaffen." Der Nahverkehrsplan nimmt Fahrt auf, das weitere Procedere ist rasch erklärt: Von Mitte Juni an können Bürger an einer Online-Befragung teilnehmen und sich ebenfalls zu Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und Nutzung des bestehenden Angebots äußern. Diese Ergebnisse werden im Oktober präsentiert. Im November wird ein Rahmenkonzept beschlossen, erste Maßnahmen werden bereits im Juli kommenden Jahres umgesetzt, bevor der neue Plan im Dezember 2019 in Kraft tritt.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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